Menden. Emotionale Debatte in Sondersitzung über die Auslagerung des Jugendamtes. Personalrat schildert Klima der Angst und des Misstrauens.

In einer emotionalen Debatte diskutiert der Kinder- und Jugendhilfeausschuss (KJHA) am Freitag in einer Sondersitzung die Auslagerung des Jugendamtes in die alte Bonifatiusschule. Die Stadt will mit einem Pilotprojekt den Stein ins Rollen bringen und ein Arbeitgeber der Zukunft werden – in der Politik wird das, zumindest fürs Jugendamt, skeptisch gesehen.

Arbeitsplatz selbst mit gestalten

Auch interessant

Gut drei Stunden diskutieren die Ausschussmitglieder am Freitagabend, während draußen vor den Toren des Rathauses langsam aber sicher die Normalität beginnt. Als in der Mühle schon das Gezapfte an die Tische getragen wird, kochen im KJHA die Emotionen hoch. Vor allem der SPD ist die Auslagerung des Jugendamtes als Teil eines Pilotprojektes ein Dorn im Auge. „Wenn dabei nur ein Kind zu Schaden kommt, war es das nicht wert“, mahnt Julia Prowe. Dabei sei es aus Sicht der Verwaltung nur ein erster Schritt hin zu einem zukunftsfähigen Arbeitszeitmodell – um auch für jüngere Mitarbeiter flexiblere Möglichkeiten zu bieten. Ist das Projekt erfolgreich – und sofern es eine politische Mehrheit findet – soll es im späteren Verlauf auch auf weitere Teile der Verwaltung ausgerollt werden.

Bei der Vorstellung des Projektes macht Bürgermeister Dr. Roland Schröder deutlich, dass die Verwaltungsspitze hier nicht mit der Brechstange etwas durchdrücken möchte. Vielmehr soll es ein Anreiz sein, dass Mitarbeiter selbst mitbestimmen können, wie sie künftig arbeiten wollen. „Wir brauchen Akzeptanz für das Projekt. Die, die wollen, können gerne mitmachen.“ Doch Schröder bleibt auch realistisch, sollte man die Bedenken im politischen Raum und bei den Mitarbeitern nicht ausräumen können: „Wenn es uns nicht gelingt, das Projekt zu verankern, sind wir gescheitert.“ In Zeiten von Homeoffice, Zoom-Konferenzen, aber auch sinkenden Inzidenzen wolle man sich auch als Verwaltung besser aufstellen. „Es wird immer schwieriger, Mitarbeiter zu finden. Die Verwaltung soll ein attraktiver Arbeitgeber werden“, so Schröder. Derzeit gibt es im Rathaus rund 200 verschiedene Arbeitszeitmodelle. Ganz nach Belieben funktioniert das aber nicht. Für Homeoffice und Co. muss in jedem Fall ein eigener Antrag gestellt werden. Zu umständlich, findet die Verwaltungsspitze.

Warum keine andere Abteilung?

Auch interessant

Gleichzeitig sitzt das E-Government-Gesetz der Stadt sprichwörtlich im Nacken. Ab 2022 werde der Prozess der digitalen Akten schrittweise gestartet, bis 2030 will man sich komplett von analogen Akten lösen. Und genau hier sollen die „Neuen Arbeitswelten“ ein entscheidender Faktor sein. Den Veränderungsprozess beschreibt Schröder ähnlich dem eines Trauerfalles, eben eine emotionale Angelegenheit. Ein Umzug in die Rodenbergschule, die frühestens Ende 2023 zur Verfügung stünde, steht aus Sicht der Verwaltungsspitze nicht zur Debatte, da dies den gesamten Zeitplan über den Haufen werfen würde.

Für die Sozialdemokraten ist das Vorhaben prinzipiell ein guter Ansatz. „Das stellt niemand in Abrede. Das Problem ist der Umzug eben dieser sensiblen Abteilung“, mahnt Julia Prowe. Für sie daher unverständlich, warum man nicht etwa die Bauabteilung auslagern und diese als Pilotprojekt nutzen könne. Das, so erklärt Kämmerer Uwe Siemonsmeier, habe jedoch damit zu tun, dass das Jugendamt den Umzug selbst gewünscht habe, als sich die Coronapandemie Ende 2020 verschärfte. Das Projekt in dieser Phase einfach auf andere Abteilungen zu übertragen, funktioniere so jedoch nicht. „Wir können auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen kein Versuchslabor installieren“, betont Mirko Kruschinski (SPD).

Auch interessant

Auch für die Grünen ist das Konzept an sich „wunderbar“. Tina Reers hätte sich – ebenso wie die SPD – eine Einbindung des Ausschusses in die ersten Planungen gewünscht. „Bei Überlastungsanzeigen auch noch einen Umzug reinzudrücken, sehe ich schwierig“, sagt Reers. Denn: Gleich mehrere Jugendamtsmitarbeiter fühlen sich laut Personalrat überlastet. „Man merkt, dass Druck auf dem Kessel ist“, so Reers weiter. Rückendeckung für das Projekt im Kern kommt derweil auch von der FDP. „Wir kommen auf Dauer nicht um flexiblere Arbeitswelten herum“, sagt Monika Adolph.

Mehrmals Versprechen gebrochen

Wie sehr das Thema aber vor allem die Rathausmitarbeiter spaltet, macht dann Rainer Zenker vom Personalrat deutlich. Misstrauen und Angst haben klare Gründe. „Vorgesetzte haben Dinge zugesagt, die nicht eingehalten worden sind.“ Gleichwohl genieße Roland Schröder ein hohes Ansehen in der Belegschaft und erhält dadurch einen gewissen Vertrauensvorschuss. Das habe sich seit der Wahl auch ausgezahlt. „Dinge, die vorher rechtlich nicht möglich waren, sind es jetzt, weil sich handelnde Persönlichkeiten geändert haben“, erklärt Rainer Zenker.

Auch interessant

Und diese Erfahrungen liegen nicht etwa zehn, fünfzehn Jahre zurück, sondern sind vor allem der Amtszeit Martin Wächters zuzuordnen. „Das System der Angst müssen wir losgelöst vom Pilotprojekt sehen“, so Schröder, der diese Aussagen der Mitarbeiter belastend findet. Der Großteil der Jugendamtsmitarbeiter sieht das Pilotprojekt laut Zenker jedoch positiv. „Der Standort wird skeptisch gesehen, nicht aber das Projekt auszuprobieren.“

Unterm Strich bleiben für die Ausschussmitglieder mehr Fragen als Antworten. Doch eben jene Fragen gelte es laut Bürgermeister jetzt zu klären. In den nächsten Sitzungen sollen weitere Infos folgen.