Hagen. . Hagens Oberbürgermeister Jörg Dehm (CDU) steht unter Druck: Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen den amtierenden OB sowie seinen Vertreter, den Ersten Beigeordneten Dr. Christian Schmidt, eingeleitet. Dabei geht es um den Verdacht der Untreue bei der Gestaltung eines Beratervertrages zugunsten von Schmidt zur Vollendung zweier EU-Projekte.

Dem Hagener Spitzenbeamten wurde dabei als Geste eines guten Willens eine zweifelhafte Abfindung in Höhe von 37 000 Euro gewährt, die dieser mit der ausdrücklichen Genehmigung des OB nicht an die Stadtkasse abführen musste. Die Regelung, so kristallisiert sich nun heraus, ist mit den Richtlinien der NRW-Nebentätigkeitsverordnung nicht vereinbar.

Dr. Christian Schmidt hatte seit 2000 als nebenamtlicher Geschäftsführer der Hagener Gesellschaft für Wirtschaftsförderung agiert und in dieser Zeit jährlich 11 300 Euro zusätzlich zu seinem B6-Gehalt als Dezernent für Soziales, Umwelt und Schule in Höhe von weiteren 100 000 Euro kassiert. Dabei wurden über Jahre 6000 Euro des Extra-Salärs als Vergütung gezahlt, so dass Schmidt genau unter jenem Limit blieb, welches ihn verpflichtet hätte, Mehreinnahmen im Rahmen der NRW-Nebenverdienstverordnung wieder an die Stadtkasse abzuführen.

Die übrigen 5300 Euro wurden als so genannte Aufwandsentschädigung gewährt, die ohnehin nicht unter diese Bemessungsgrenze fallen. Ein inzwischen weitgehend verjährtes Prozedere, das von einigen Juristen jedoch als zielgerichtetes Umgehungsgeschäft verstanden wird. Eine nicht gesondert zu vergütende Zuordnung der Wirtschaftsförderungsaufgaben zum Schmidt’schen Dezernenten-Hauptamt, was laut Gemeindeordnung ebenfalls vorstellbar gewesen wäre, stand seinerzeit gar nicht erst zur Debatte.

Der Erste Beigeordnete wollte nicht ohne Abfindung gehen

Als mit der Wahl von Jörg Dehm zum Hagener Oberbürgermeister die Wirtschaftsförderung zusammen mit dem Stadtmarketing und dem Tourismus zu Beginn des Jahres 2011 unter dem Dach der Hagen-Agentur vereint wurde, entschied der OB aus Mülheim, höchstselbst die Führungsrolle neben dem hauptamtlichen Geschäftsführer Gerhard Schießer übernehmen zu wollen. Für den Ersten Beigeordneten blieb somit keine Verwendung mehr, der unbefristete Geschäftsführer-Vertrag wurde schlichtweg für beendet erklärt.

Doch Schmidt wollte – obwohl sein Kontrakt ausdrücklich keinerlei Abfindungsregelung vorsieht – seinerzeit nicht ohne finanzielle Gegenleistung aus seiner Nebentätigkeit ausscheiden. Ein Ansinnen, mit dem er bei OB Dehm durchaus auf offene Ohren stieß: „Herr Schmidt machte geltend, dass für die zukünftig entfallenden Nebeneinkünfte vor dem Hintergrund eines unbefristeten und ungekündigten Dienstvertrages ein angemessener Ausgleich gefunden werden muss.“

Spitzenmänner vereinbarten unter vier Augen einen Beratervertrag für zwei EU-Projekte 

Und so vereinbarten die beiden Spitzenmänner der Hagener Stadtverwaltung unter vier Augen und am Aufsichtsrat der Hagen-Agentur vorbei die Endabwicklung zweier EU-Projekte, die im Stile einer Abfindung mit einem Beraterhonorar in Höhe von 37 000 Euro vergütet werden sollte. Dabei verfügte OB Jörg Dehm eigenmächtig und offenbar gegen den ausdrücklichen Rat seiner Fachverwaltung, dass Schmidt den gesamten Betrag behalten könne und nicht etwa nach den Regeln der NRW-Nebentätigkeitsverordnung 31 000 an die Stadtkasse der Nothaushaltskommune Hagen, die aktuell mit etwa 1,2 Milliarden Euro in der Kreide steht, abführen müsse. Eine Sonderregelung, die ausdrücklich nur der NRW-Innenminister aussprechen darf.

Hagener Verwaltungschef hat unrechtmäßig gehandelt

Ein entsprechender Sonderbericht des Hagener Rechnungsprüfungsamtes weist jetzt eindeutig nach, dass der Hagener Verwaltungschef an dieser Stelle unrechtmäßig handelte. Ein Akt, für den Oberbürgermeister Dehm sich inzwischen bei den Hagener Bürgern entschuldigt hat. Schmidt wiederum versicherte, dass er nach eigener juristischen Prüfung bereit sei, die zu viel behaltenen Beträge dann doch zurückzahlen zu wollen.

Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungsverfahren ein

Welche juristischen Konsequenzen sich aus der Affäre für den Hagener Oberbürgermeister ergeben, wird die Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen aufarbeiten. ­Gegen Schmidt läuft in dieser ­Sache bereits seit vier Monaten ein Vorermittlungsverfahren, das jetzt ebenfalls zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren ausgeweitet wird. Die Arnsberger Bezirksregierung kündigte derweil an, erst dann über disziplinarrechtliche Konsequenzen für die beiden Beschuldigten nachdenken zu wollen, wenn die Untreue-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen seien.