Hagen.

Eltern wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Das geht aus dem von Wissenschaftlern vorgelegten Familienbericht 2011 hervor. Ein großes Thema ist das auch für den Hagener Kinderschutzbund und seine Geschäftsführerin Christa Burghardt (60).

Wie erfahren Sie das Zeitproblem vieler Eltern?

Christa Burghardt: Die Politik will, dass beide Eltern in Beschäftigung sind. Gleichzeitig soll die Kindererziehung gelingen, obwohl es zu wenige ausreichende Betreuungsangebote gibt. Der Alltag von voll berufstätigen Müttern sieht dann so aus, dass sie um Fünf oder noch später nach Hause kommen. Da bleibt zu wenig Zeit für Kinder. Kinder brauchen aber Zeit, natürlich auch Liebe, Anerkennung, Vertrauen und Aufmerksamkeit.

Was macht der Kinderschutzbund konkret, um Hagener Eltern das zu vermitteln?

Burghardt: Die Grundwerte einer verantwortungsbewussten Erziehung werden den Eltern bereits in unseren Babytreffs und Spielkreisen nahegebracht. Außerdem bieten wir Hausaufgabenhilfen in mehreren Grundschulen. Das schafft Eltern Luft, in ihrer knappen Zeit lieber etwas Schönes mit ihrem Kind zu tun. Wenn man es eben schafft, sollte man die gemeinsame Zeit aktiv gestalten.

Wie kann das aussehen?

Burghardt: Eltern sollten viel mit ihrem Kind nach draußen gehen, bei Wind und Wetter. Damit meine ich nicht den klassischen

Sonntags-Spaziergang. Ruhig mal im Wald querfeldein gehen, Stöcke sammeln und eine Hütte oder einen Staudamm bauen. Zeit mit Kindern verbringen, das sollte man aber auch in den Alltag zu Hause inte­grieren.

Inwiefern?

Burghardt: Das fängt beim Mittagessen an und hört beim Schnee-Schippen auf. Ich selbst habe als Kind mit meiner Mutter auf dem Boden Wäsche aufgehängt. Die Wäscheboden-Gespräche habe ich sehr genossen, das war toll. Gerade Kleinkinder wollen ‘arbeiten‘ und sind stolz, wenn sie liebevoll einbezogen werden. Damit macht man Kindern ein Riesen-Geschenk und sich selbst auch.

Die Gestaltung zu Hause hat man selbst in der Hand. 57 Prozent der Männer und zwei Drittel der Frauen haben allerdings keinen Einfluss auf ihre Arbeitszeiten. Wie sind ihre Erfahrungen mit Hagener Arbeitgebern?

Burghardt: Wenn ich Vorträge vor Arbeitgebern halte, versuche ich das anzusprechen. Ich habe schon das Gefühl, dass manche Firmen Rücksicht auf Familien nehmen. Einige Arbeitgeber haben ein Spielzimmer oder eine Spielecke eingerichtet, so dass die Kinder der Mitarbeiter auch mal mitkommen dürfen. Das lässt sich selbst in kleinen Betrieben umsetzen. Bei uns im Kinderschutzbund ist es Tradition, nach den Sommerferien die Dienstpläne anzugucken und zu versuchen, diese auf die Schulzeiten der Kinder auszurichten. Das könnten viele Unternehmen machen. Wir haben mehrere Teilzeitkräfte, die alle lieber morgens arbeiten. Jeder kommt drei Vormittage und zwei Nachmittage. Das ist gerecht und machbar. Wenn ein Kind krank ist, sollten Arbeitgeber Eltern ermutigen, beim Kind zu sein. Viele nehmen den gesetzlichen Anspruch auf Freistellung wahr. Es gibt auch Eltern, die sich nicht trauen. Wenn darüber hinaus mal Not am Mann ist, haben wir bei Überstunden ein Plus und ein Minus. Das kann man auffangen und nacharbeiten. Aber jeder kann auch selbst was tun.

Was denn?

Burghardt: Zum Beispiel andere Eltern im Kindergarten ansprechen. Drei, vier Mütter oder Väter können sich im Austausch kümmern. Das ist erfahrungsgemäß kein Pro­blem. Außerdem sollte man die Kinder am Alltag teilnehmen lassen und erzählen, wie das eigene Arbeitsleben ist. Dass nicht immer alles so leicht ist und dass jeder daran mitwirken muss, damit es zu Hause klappt.