Hagen. Ein Wildschwein schläft in Hagen auf dem Sofa im Wohnzimmer eines Einfamilienhauses. Die verängstigte Familie ruft die Polizei.
Da lag es, wälzte sich gar und machte einen sichtlich zufriedenen Eindruck. Ein Wildschwein hat es sich in Hagen auf dem Sofa im Wohnzimmer eines Einfamilienhauses bequem gemacht. Für Polizeikommissar Tim Hafner von der Wache Hoheleye wohl der ungewöhnlichste Einsatz seiner Karriere.
Eine Mutter (39) war am Mittag mit ihrem Kleinkind auf dem Arm nach Hause im Stadtteil Halden gekommen. „Als sie die Haustür aufgeschlossen hatte, erblickte sie im Flur ein Wildschwein“, erklärt Hafner, der mit der geschockten Frau gesprochen hat. „Sie hat die Tür sofort wieder zugeschlagen und die Polizei gerufen.“
Polizisten trauen ihren Augen nicht
Auch Hafner und sein Kollege trauten am Einsatzort ihren Augen nicht. „Wir haben zunächst vorsichtig vorne durch die Tür gelugt und schon gesehen, dass das Tier ein mächtiges Chaos angerichtet hatte. Dann sind wir in den Garten und haben durch die bodentiefen Fenster das Schwein im Wohnzimmer gesehen.“
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Immer wieder habe das Tier versucht, die geschlossene Glastür zu durchbrechen – sei aber gescheitert. „Wir haben versucht, das Tier nicht weiter in Panik zu versetzen, haben uns ein Stück zurückgezogen und still gestanden“, erzählt Hafner. Der Plan ging auf. Das Wildschwein marschierte zwar weiter durch das Wohnzimmer, legte sich aber zwischenzeitlich immer wieder auf der Couch nieder.
Wildschwein wälzt sich auf dem Sofa
„Da hat es zunächst ruhig gelegen, sich offenbar wohlgefühlt“, sagt Hafner, „einmal hat es sich sogar auf dem Sofa hin- und hergewälzt.“
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Gemeinsam mit dem zuständigen Jäger berieten die Polizisten, was zu tun sei. „Wir hatten zwar zur Sicherheit unsere Maschinenpistolen dabei – für den Fall, dass das Wildschwein die Scheibe doch noch durchbrochen hätte, vielleicht in Panik geraten wäre und dann gar Menschen angegriffen hätte, aber im Grunde waren wir uns einig, es friedlich zu versuchen“, sagt Hafner.
Wildschwein spaziert durch die Haustür heraus
Also öffneten die Polizisten von außen sowohl die Haustür als auch eine Tür im hinteren Bereich, die das Schwein offenbar aufgedrückt hatte und so in das Haus gelangt war. Und siehe da: Das Wildschwein entschied sich, durch die Vordertür wieder hinaus zu spazieren. „Es ist über die Straße auf eine freie Fläche gelaufen, hat noch einen Zaun übersprungen“, sagt Hafner. „Das Areal grenzt an einen Wald. Ich nehme an, dass es darin verschwunden ist. Gesehen haben wir das Tier nicht mehr.“
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Angst – so erklärt Hafner – habe er während dieses außergewöhnlichen Einsatzes nicht gehabt. „Respekt aber sehr wohl. Schließlich handelte es sich ja um ein ausgewachsenes Schwein“, so der Polizist.
Experten warnen vor Wildschweinen
Dass das durchaus berechtigt ist, bestätigt Gerald Fleischmann, Fachbereichsleiter Grün beim Wirtschaftsbetrieb Hagen. „Grundsätzlich sind Wildschweine Menschen gegenüber keineswegs zutraulich“, so Fleischmann. Im Gegenteil: „Wenn sie es selbst mit der Angst zu tun bekommen und in Panik geraten, geht von ihnen eine erhebliche Gefahr aus. Sie sind zwar keine Fleischfresser, aber durchaus im Stande, bei einem Angriff einen Menschen erheblich zu verletzten oder gar zu töten.“
Wildschweine seien zuletzt immer weiter in städtische Bereiche vorgedrungen. „Ich kenne Berichte aus Kleingartenanlagen, in denen Wildschweine in verlassenen Hütten heimisch geworden sind“, so Fleischmann, „aber von einem Wildschwein im Wohnzimmer habe ich noch nicht gehört.“
Extrem intelligente Tiere
Fleischmann sagt, dass es sich bei Wildschweinen um extrem intelligente Tiere handelt: „Das Tier wird vermutlich auf der Suche nach etwas Fressbarem gewesen sein. Wenn sich dabei die Möglichkeit ergibt sich niederzulegen, dann nutzen Wildschweine diese durchaus.“
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Auch wer in freier Wildbahn einem Wildschwein begegnet, dem empfiehlt Gerald Fleischmann, auf jeden Fall Abstand zu wahren. Hundehalter sollten ihre Tiere dringend auf den Wegen halten, damit sie Wildschweine, die sich ein wenig abseits in Böschungen befinden, nicht aufschrecken.
Mehrere Rotten im Fleyer Wald
Nach Angaben von Stadtförster Martin Holl haben sich zuletzt mehrere Rotten im Bereich Hochschulviertel/Fleyer Wald gebildet. Eine Jagd auf Tiere sei nicht erlaubt, so lange sie sich im Wohnquartier, also in nicht-bejagbarem Bereich, aufhalten. Darüber hinaus wäre im Fall des Sofa-Wildschweins auch nicht der Wirtschaftsbetrieb zuständig, da die angrenzenden Jagden verpachtet seien.
Wildschweine waren zuletzt in Hagen immer wieder in bewohnte Bereiche vorgedrungen. Im März 2016 hatte ein Keiler für Aufsehen gesorgt, der bis in die Innenstadt gelangt war. Das Tier war einmal quer durch den Kaufhof marschiert und schließlich in einem Lottoladen an der Elberfelder Straße gelandet. Polizisten blieb aufgrund der Gefahrensituation keine andere Wahl, als das Tier zu erschießen.