Hagen. In der Schule herrschen Hygiene-Konzepte und in den Bussen pressen sich die Schüler Jacke an Jacke. Eine Lösung muss mehr denn je her.

Die mit Schülern überfüllten Busse und Einsatzwagen in den Morgen- und Nachmittagsstunden stellen trotz Maskenpflicht ein Gesundheitsrisiko für Hagens Schüler dar. Während in Hagen schon viele Male erfolglos darüber diskutiert worden ist, wie man den Schülerdruck morgens aus den Bussen bekommen kann, wirkt Corona wie ein Brandbeschleuniger mit Blick auf dieses Problem. Die Lösung würde nicht nur die Gesundheit schützen, sondern gleichzeitig viele Millionen Euro einsparen.

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Bus-Situation hat mit Hygiene-Konzepten in den Schulen nichts zu tun

Hagener Schüler kennen diese Situation. Sowohl der Linienbus als auch der meist dahinter fahrende Einsatzwagen sind proppenvoll. Man steht Jacke an Jacke. Die unangemessene, enge Situation hat mit den strengen Hygiene-Konzepten, die einige Minuten später nach Ankunft in den Schulen greifen, überhaupt nichts zu tun.

Die Hagener Straßenbahn ist morgens mit 124 Linienfahrzeugen und 46 Einsatzwagen unterwegs.
Die Hagener Straßenbahn ist morgens mit 124 Linienfahrzeugen und 46 Einsatzwagen unterwegs. © Michael Kleinrensing

Bei einer Umfrage auf der Facebook-Seite der Stadtredaktion spiegelt sich das genau so wider. Die Bürger nennen zahlreiche Linien, die morgens überfüllt sind. Manche Mütter wie Yvonne Steinhoff berichten, dass ihre Kinder nun mit früheren Bussen fahren, um dem Druck zu entgehen, dafür aber viel zu früh vor der Schule stehen. Serjoscha Hackauf verweist in diesem Zusammenhang auf die guten Ideen, die man in Solingen gehabt habe, wo Schulanfangszeiten gestaffelt und Klassen geteilt worden seien. Auch Herne tut das.

An der Gesamtschule Eilpe wurde der Handlungsbedarf erkannt und etwas korrigiert

„Wir sind morgens vor Schulbeginn mit 124 Linienfahrzeugen und 46 Einsatzwagen unterwegs“, erklärt Dirk Thorbow, Sprecher der Hagener Straßenbahn. Seitdem die Schule nach dem ersten Lockdown im Sommer wieder begonnen habe, beobachte man die Besetzung der Fahrzeuge. An der Gesamtschule Eilpe habe sich schnell gezeigt, dass Handlungsbedarf bestanden habe. Man setzte fortan einen Gelenkbus statt eines Solobusses ein. Darüber hinaus fahre die Straßenbahn laut Thorbow seit letztem Dezember ein umfassend erweitertes Busangebot in Hagen, das unter anderem einen 10-Minuten-Takt auf den Hauptachsen habe.

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Kapazitäten völlig ausgeschöpft: Alle Busse sind in Hagen auf der Straße

Weitere Beschwerden seien der Straßenbahn nicht bekannt. Lediglich auf dem Streckenabschnitt vom Allgemeinen Krankenhaus bis zur Rehstraße komme es zeitweise zu einer höheren Auslastung. Hier prüfe man, einen weiteren Bus anzumieten, der dann auf dem Weg von der Stadtmitte über den Buschey bis zum Konrad-Adenauer-Ring eingesetzt werden könnte. Thorbow: „Unsere eigenen Buskapazitäten sind vollständig ausgeschöpft. Wir bringen alles auf die Straße, was auf die Straße zu bringen ist.“

Es gibt eine gefühlte und negative Wahrnehmung der Situation bei den Schülern, aber eine dünne Beschwerde-Lage bei der Straßenbahn. Eine Vermutung: Die seit Jahren belastende Situation nehmen viele Mitfahrer als gegeben hin.

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Platzangebot könnte aus Sicht der Straßenbahn um 50 Prozent gesteigert werden

Das effektivste Mittel zur Entzerrung des Verkehrsaufkommens in den Morgenstunden bleibe laut Straßenbahn – und auch nach Aussage des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) – der gestaffelte Beginn der Schulanfangszeiten. Dadurch werde das Verkehrsaufkommen in den Bussen gemindert und die Kapazitäten sowie der zur Verfügung stehende Platz in den Fahrzeugen laut VDV sofort um mindestens 20 Prozent steigen. „Aus Sicht der Hagener Straßenbahn könnte man das Platzangebot um bis zu 50 Prozent steigern“, sagt Thorbow. Die Straßenbahn stehe dazu in enger Abstimmung mit dem Schulverwaltungsamt.

Busspuren gehören in Hagen zur Verkehrswende: Doch auch innerhalb des bestehenden Netzes müssen Änderungen her. Beispielsweise um den Druck aus dem Schülerverkehr zu nehmen.
Busspuren gehören in Hagen zur Verkehrswende: Doch auch innerhalb des bestehenden Netzes müssen Änderungen her. Beispielsweise um den Druck aus dem Schülerverkehr zu nehmen. © Michael Kleinrensing

Ein Solobus allein kostet in der Anschaffung 230.000 Euro

Die Busse für den Schülerverkehr werden in Hagen ausschließlich für diese Aufgabe ein bis anderthalb Stunden am Vormittag und für einen kurzen Zeitraum am Mittag benötigt. „Ansonsten stehen die teuren Fahrzeuge in der großen Busgarage. Bei uns sind dies wie erwähnt immerhin 46 Fahrzeuge. Ein Gelenkbus kostet rund 340.000 Euro und ein Solobus 230.000 Euro“, sagt Thorbow. Gehe man etwa davon aus, dass man auf zunächst 25 Einsatzwagen verzichten könne, käme das bereits einem Betrag von 5,75 Millionen Euro gleich.

Reaktionen von Hagener Schulleitern und der Hagener Stadtverwaltung

„Das passt natürlich gar nicht zusammen, dass wir in den Schulen gut überlegte Konzepte umsetzen und dann sind die Busse so überfüllt“, sagt zum Beispiel Michael König, Leiter des Hildegardis-Gymnasiums an der Zehlendorfer Straße, wo vor dem Hintergrund der Hygiene-Maßnahmen eine Anfangsgleitzeit zwischen 7.50 und 8 Uhr festgelegt wurde. König glaubt ebenfalls, dass eine neue Staffelung der Schulanfangszeiten das Problem lösen könne. Ohnehin würde ein späterer Schulstart gemäß mehrerer Untersuchungen sich besser auf den Bio-Rhythmus der Schüler auswirken.

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Das Problem: Über die Anfangszeiten berät immer die jeweilige Schulkonferenz

„Auch aus unserer Sicht als Schulträger könnte die Entzerrung der Schulanfangszeiten zu besseren Bedingungen in den Bussen führen“, erklärt Michael Kaub als Sprecher für die Stadt Hagen. Allerdings habe man als Schulträger keinerlei Handhabe, die Änderung der Zeiten zu verlangen, da es sich hierbei um „innere Schulangelegenheiten“ handele. Kaub: „So muss bei einer mit der Straßenbahn abgestimmten Verschiebung des Unterrichtsbeginns an einer Schule die Schulkonferenz zustimmen.“ Das macht die Gemengelage schwierig und die Umsetzung ebenso.

Auch der Schulweg gehört zu der Verantwortung für die Gesundheit der Schüler

„Wir sind ja nicht alleine auf der Welt“, rät Olaf Wiegand, Leiter des Albrecht-Dürer-Gymnasiums, zu einer gesamtstädtischen Lösung. „Ich denke, um eine Entzerrung hinzukriegen, müssten manche sicher eine Stunde später anfangen. Und das hat Auswirkungen auf die Nachmittage in vielen Familien und auch auf die Nutzung der Sportanlagen für manche Schulen. Corona wird uns noch länger beschäftigen und wir sind auch für das Wohl und die Gesundheit der Schüler verantwortlich. Auch auf dem Schulweg.“

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