Hagen. Der Automobilzulieferer TWB in Hagen hat seine verbliebenen 140 Mitarbeiter ausgesperrt. Zu den Gründen will das Unternehmen nichts sagen.

Schock, Wut, Verzweiflung: Der Automobilzulieferer TWB-Prevent in Hagen sperrt seine verbliebenen 140 Mitarbeiter aus. Die Frühschicht, die am Donnerstagmorgen ihren Dienst antreten wollte, fand nur einen Zettel am Werkstor vor. „Der Betrieb bleibt bis auf weiteres geschlossen. Der Zutritt zum Betriebsgelände ist jeglichen Personen verboten. Weitere Informationen erhalten Sie am Montag 23.09.2019“. Unterzeichnet ist der Aushang von der Geschäftsführung der TWB GmbH & Co. KG.

Der Schritt trifft die Belegschaft völlig unvorbereitet. „Es gab keinerlei Ankündigung“, so der Betriebsratsvorsitzende Orhan Aksu. „Mit dem Betriebsrat spricht die Geschäftsführung ohnehin nicht mehr. Die machen, was sie wollen.“ TWB-Prevent wird sich weiter in Schweigen hüllen. „Wir werden keine Erklärung abgeben“, so ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der WESTFALENPOST.

Auch Oberbürgermeister trifft auf Mauer des Schweigens

Doch nicht nur gegenüber der Presse schweigt die Unternehmensgruppe, sondern auch – zumindest bislang – gegenüber dem Hagener Oberbürgermeister. Dabei hatte Erik O. Schulz bei seinen letzten Gesprächen mit der TWB-Geschäftsführung vereinbart, dass man über alle wesentlichen Entwicklungen im Dialog bleibe. Entsprechend „unbefriedigend“ – so die bislang diplomatische Formulierung – sei das bisherige Schweigen. „Ich habe mich aber mit dem Betriebsratsvorsitzenden und IG-Metall-Chef Jens Mütze ausgetauscht.“

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Erboste Mitarbeiter versammeln sich vor dem Werkstor

Vor dem Werksgelände hatten sich am Morgen und Vormittag viele erboste und enttäuschte Mitarbeiter versammelt. „Wir tragen uns in Listen ein, damit wir dokumentieren, dass wir unsere Arbeit aufnehmen wollten“, so Tolga Balik, der am Donnerstag eigentliche Spätschicht gehabt hätte, aber sofort in die Sedanstraße geeilt ist, als er von den geschlossenen Werkstoren erfahren hat. Er ist seit mehr als 20 Jahren bei TWB beschäftigt und nun verzweifelt über die Entwicklung der vergangenen Monate und Jahre, seit die Unternehmensgruppe Prevent das Hagener Traditionsunternehmen übernommen hat: „Es gibt so viele Frage, ich weiß sie nicht zu beantworten.“

Dieses Schreiben hängt an dem Werkstor. 
Dieses Schreiben hängt an dem Werkstor.  © Orhan Aksu | Orhan Aksu

Mitarbeiter eines externen Sicherheitsunternehmens sichern das Betriebsgelände ab. Wo sonst nur ein Pförtner Dienst hat, sind nun drei Mitarbeiter vor Ort, die die Mitarbeiter von TWB anweisen, nicht auch nur einen Meter auf das Betriebsgelände zu gehen. Die Drehkreuze zum Einlass sind abgestellt.

IG Metall kritisiert TWB: „Schofelig“

IG-Metall-Chef Jens Mütze verurteilt das Verhalten der TWB-Führung im Gespräch mit der WP als „hanebüchen“. Er habe so etwas in Jahrzehnten Gewerkschaftstätigkeit noch nicht erlebt: „Das ist einfach ein schofeliges Benehmen.“ Mütze, der am Donnerstag selbst auf einer Dienstreise war, war am Morgen von einem TWB-Betriebsratsmitglied informiert worden: „Ich habe geraten, dass der Betriebsrat auf allen Wegen versuchen soll, die Geschäftsführung zu erreichen.“

Außerdem sei es hilfreich, wenn täglich eine Delegation aus der Belegschaft in der Sedanstraße vor Ort sei, die Arbeitswilligkeit der Mitarbeiter zeige und eventuell neue Informationen bekomme. Aber die werde es vor Montag wohl nicht geben. Auch wenn man jetzt noch nicht wissen könne, ob der Betrieb nicht doch noch einmal aufgenommen werde: Die Mitarbeiter könnten sich schon jetzt zur Sicherheit bei der Arbeitsagentur melden.

Erneut wurde am Donnerstagmorgen bei Mitarbeitern wie Tolga Balik Kritik laut, dass sich die IG Metall nicht vor Ort zeige und die Belegschaft unterstütze. Die Kritik weist Jens Mütze zurück: „Wir sind nur wenige Mitarbeiter bei der IG Metal in Hagen und waren alle an anderen Orten gebunden. Auch wenn wir nicht vor Ort sein können, stehen wir mit Informationen und Rat unterstützend zur Seite.“

Durch Machtkampf mit VW schon 300 Arbeitsplätze verloren

TWB-Prevent in Hagen sorgt seit vielen Monaten für Schlagzeilen. Die Prevent-Gruppe, zu der TWB gehört, hatte sich einen Machtkampf mit dem Automobilhersteller Volkswagen geliefert. Es ging um Preise, teilweise war es sogar zu Lieferstopps gekommen, die die Produktionsbänder bei VW hatten stillstehen lassen. TWB hatte zwar auch in dieser Zeit immer pünktlich die Elemente für die Rücksitze geliefert, auch an der Qualität gab es wohl nichts auszusetzen, trotzdem geriet das Hagener Werk in den Strudel des Machtkampfes, da VW sämtliche Geschäftsbeziehungen zu Prevent kappen wollte – und dies letztlich auch getan hat.

In Hagen bedeutete das: Knapp 300 Beschäftigte verloren ihren Job. Einige gingen freiwillig, weit mehr als 200 wurden aber gekündigt, ein Großteil davon kämpft noch heute vor dem Arbeitsgericht gegen diese Kündigungen. Im Streit, welche Strategie bei dem Arbeitsplatzabbau die beste ist, war es auch zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen der Gewerkschaft IG Metall und dem Betriebsrat gekommen.

Auch Kunden werden weggeschickt: Auswirkungen unklar

Nach dem Ende der VW-Aufträge waren aber immer noch 140 Mitarbeiter bei TWB in der Sedanstraße beschäftigt. Auch wenn die VW-Aufträge bislang den Löwenanteil ausgemacht hatten: Sie fertigten weiter unter anderem Autoteile für Ford, Toyota und BMW sowie Teile für Schubkarren. „Weil das Personal zu knapp war und auch schon in den letzten Monaten einigen weiteren Kollegen gekündigt worden ist, ist es schon zu Produktionsausfällen gekommen“, so Betriebsratschef Orhan Aksu gegenüber der WESTFALENPOST. „BMW hat da schon Druck gemacht.“

Nun aber scheint die Produktion vollkommen still zu stehen. Auch Kunden wurden nach Angaben aus der vor dem Werkstor versammelten Mitarbeiterschaft weggeschickt. Ob dies schon zu Produktionsausfällen führt, ist derzeit unklar.