Sundern. Robert Gördes züchtet auf seinem Hof in Selschede Ferkel. Für eine gesunde Landwirtschaft fordert er weniger Pflichten vom Gesetzgeber.
Mit romantischem Landleben so wie man es noch immer in TV-Serien, Filmen und Büchern vorgespielt bekommt, hat der Alltag für Robert Gördes nichts zu tun. „So viel Zeit, wie ich täglich im Büro verbringe, um Dokumente auszufüllen, Daten zu melden und Fristen einzuhalten - das ist Wahnsinn“, sagt der 55-jährige Landwirt aus Sundern-Selschede.
Der Ferkelzüchter ärgert sich über die Bürokratie, die sein Beruf mittlerweile mit sich bringt. Von Jahr zu Jahr sei es immer mehr geworden, berichtet Gördes, der den Stadtverband Sundern des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands leitet. „Das beginnt schon mit den Meldepflichten zur Tierhaltung. Bei der Tierarzneimitteldatenbank, bei der Tierseuchenkasse oder auch bei Viehbestandserhebung gibt es unterschiedliche Datenbanken. Überall sind andere Fristen und Stichtage einzuhalten. Nichts ist vereinheitlicht. Ständig muss ich diese Fristen im Kopf behalten. Dass da mal einem was durchgeht und zu spät gemeldet wird, ist fast logisch.“
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Robert Gördes versteht nicht, warum die Behörden nicht auf die Datensätze der anderen zugreifen und sich somit alle wichtigen Informationen einholen. Seine Kritik gilt auch den Größenklassen und Kategorien. „Jeder klassifiziert unterschiedlich und teilt anders ein. Man rennt permanent durch den Stall und zählt neu. Das kostet alles unendlich Zeit und ist dadurch nicht wirtschaftlich.“
Generell wünscht sich der Sauerländer vor allem mehr Pragmatismus und lebenswirkliche Entscheidung von den Behörden, aber auch von der Politik. „Bei der Düngung unserer Agrarflächen muss ich mich an Fristen halten und darf nur zu bestimmten Zeiten düngen. Die Natur aber hält sich nicht an Fristen. Manchmal darf ich nicht aufs Feld fahren, obwohl es sinnvoll wäre, aber die Sperrfristen lassen das nicht zu.“
In seinem Büro stapeln sich die Aktenordner, in denen wichtige Daten und Informationen dokumentiert sind. „Man sucht natürlich nach Appversionen, um es möglichst schnell digital einzutragen. Aber das gibt es leider nicht für jeden Bereich. Deshalb muss sich vieles weiterhin ganz klassisch von Hand notieren und abheften“, erzählt Gördes.
Er scheue nicht die Arbeit, das betont Robert Gördes. „60 bis 70 Stunden pro Woche und das an sieben Tagen ist für uns die Regel. Ich kenne Kollegen, die seit Jahren nicht einen Tag Urlaub gemacht haben, weil sie niemanden haben, der sich sonst um ihre Tiere und den Hof kümmert.“ Auch um die Bedingungen für diese Kollegen zu verbessern, hatte sich Robert Gördes zu Beginn des Jahres bei den Bauernprotesten im Land beteiligt. Er gehörte zu den Organisatoren der Kundgebung auf dem Flugplatz in Meschede-Schüren, an der 1.700 Landwirte aus dem HSK teilgenommen hatten. „Wir stehen in Kontakt mit den lokalen und regionalen Politikern, um auf die Probleme in unserer Branche hinzuweisen.“
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Aufmerksam beobachtet Gördes die Entwicklung auf höchster politischer Ebene. Vor zwei Wochen hatten sich die Agrarminister der Länder getroffen, um nach einer gemeinsamen Lösung zum Bürokratieabbau zu suchen. Fast 200 Vorschläge wurden von den Agrarministern gesammelt. Sie liegen nun dem Bund vor, damit er prüft, wo Möglichkeiten zum Abbau bürokratischer Hürden bestehen. Gördes ist zurückhaltend, ob dieses Vorhaben Erfolg verspricht und was von den Plänen letztlich umgesetzt wird.
„Wir sind Praktiker, keine Schreibtischtäter. Ich hoffe, dass sich etwas tut und die Proteste Wirkung zeigen. Jeder Mensch in Deutschland sollte doch den Wunsch haben, dass wir genügend Lebensmittel produzieren, um alle hier im Land und vielleicht sogar noch in anderen Ländern zu versorgen. Wir haben nicht so viele Rohstoffe, aber wir haben sehr fruchtbare Böden.“
Trotzdem verliere die Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung im Land. „In den letzten zehn Jahren haben 40 Prozent der Schweine haltenden Betriebe in Deutschland geschlossen. Wir sind aktuell schon in einigen Bereichen von Importen abhängig. Das ist gefährlich. Wir haben schließlich schon in anderen Branchen erlebt, was passiert, wenn man von Produktionen aus dem Ausland abhängig ist und diese dann ausbleiben. Ich nenne da nur die Herstellung von Medikamenten.“
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Wenn die Verbraucher bereit wären, bereits 50 Cent pro Kilo Schweinefleisch mehr auszugeben als aktuell, könnten Betriebe wie der von Robert Gördes wirtschaftlich und zugleich noch nachhaltiger als bisher arbeiten, glaubt der Landwirt. „Man muss nur Anreize schaffen.“
Umweltschützern und Kritikern des gewünschten Bürokratieabbaus in der Landwirtschaft entgegnet Robert Gördes: „Wir sind unseren Schollen zum Teil seit Jahrzehnten eng verbunden. Warum also sollten wir unser eigenes Land, von dem wir leben, vergiften? Da würden wir uns ja den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“ Das Gegenteil sei der Fall. „Wir sorgen durch unsere Landwirtschaft und die Fruchtfolge dafür, dass der Humus im Boden erhöht wird. Das ist einer der größten C02-Speicher überhaupt. Dadurch betreiben wir aktiven Klimaschutz.“