Marsberg. Das Leben ist kein Comic. Auch wenn die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen könnte, dass der Marsberger Stadtteil Westheim ein gallisches Dorf ist, in dem unbeugsame Menschen arbeiten – oder besser: Nicht arbeiten. Denn gut 30 Arbeitnehmer der Kombi-Massiv-Bauelemente (KMB) sind seit Wochen im Streik.
Es ist keine schöne Geschichte, die sich in dem 2000-Einwohner Ort am Rand des Hochsauerlandkreises abspielt. Am Mittwoch erhielten nach Gewerkschaftsangaben fünf Streikende ihre Kündigung, darunter ein Ersatzmitglied des Betriebsrates. Um jene Arbeitnehmervertretung dreht sich der Konflikt, den sich die Geschäftsführung des Herstellers von Stahlbetonfertigteilen auf der einen und die Arbeitnehmervertretung bzw. die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) auf der anderen Seite liefern.
Eine Auseinandersetzung, die mit der Betriebsratswahl im vergangenen Dezember – der ersten in dem Unternehmen seit vielen Jahren - begann und seit Monaten mit öffentlichen Vorwürfen geführt wird. Die Streikenden wollen einen Lohn, der sich zumindest etwas in Richtung Branchentarif bewege, der Firmenchef will nach Gewerkschaftsangaben erst mehr Geld zahlen bzw. darüber sprechen, wenn der Betriebsrat zurückgetreten ist.
KMB-Gesellschafter will kein Öl ins Feuer gießen
Die Fronten sind dermaßen verhärtet, dass kein weiteres Öl ins Feuer gegossen werden sollte. Hermann Jakobs ist Gesellschafter der KMB. Er ist freundlich am Telefon, unterhält sich einige Minuten mit dem Reporter und bittet um Verständnis, dass er seine Sicht der Dinge nicht in der Zeitung wiedergegeben haben möchte. Aber sind die Auseinandersetzung um ein demokratisch gewähltes Gremium und die Ausübung des Streikrechts eine interne Angelegenheit zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist?
Die KMB-Beschäftigten, die auch am Mittwoch wieder ab 6 Uhr vor dem Firmengelände im Ausstand waren, und die Gewerkschaft IG Bau sehen das anders. 30 Kollegen sollen die Arbeit niedergelegt haben, fast 20 von ihnen stehen auf dem Diemelradweg vor dem Firmensitz und diskutieren „den lieben langen Tag“, wie sie sagen. Und doch: „Der Streik geht an die Substanz“, sagt Betriebsratsmitglied Steffen Hellwig (45).
Existenzängste in den Familien der Streikenden
Anwesende berichten, dass es Existenzängste in den Familien der Streikenden gibt, dass sich auch die Kollegen, die weiter arbeiten, Sorgen machen. „Ich schlafe nachts nicht gut“, erzählt Betriebsrat Thomas Süß (55), „man macht sich schon Gedanken, wenn man kein Geld bekommt.“ So ist nach Angaben der IG Bau den Arbeitnehmern im Ausstand der Juli-Lohn nicht ausbezahlt worden – obwohl sie in dem Monat den Streik für zwei Wochen ausgesetzt hätten.
Dem stellvertretenden Regionalleiter Bodo Matthey zufolge habe seine Gewerkschaft eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Arnsberg eingereicht. Nicht die einzige juristische Auseinandersetzung in den vergangenen Monaten. Es ging um die Anfechtung der Betriebsratswahl, ein Hausverbot für einen Gewerkschaftler und eine Strafanzeige wegen Verleumdung.
Ort Westheim kämpft mit den Negativschlagzeilen
Es ist schwierig. Man möchte am liebsten auf den Tisch hauen und die Konflikthähne an selbigen versammeln – damit sie Geschehen am Diemelradweg aus der Sackgasse herausführen. Wie geht es weiter? Achselzucken in der Runde der Streikenden. Diese Frage beschäftigt auch die Bevölkerung in Westheim. Der schmucke Ort, bekannt durch seine 150 Jahre alte Brauerei, hat mit den Negativschlagzeilen zu kämpfen.
„Die Stimmung ist sehr schlecht“, sagt einer, der seinen Namen „auf keinen Fall“ in der Zeitung lesen möchte. Während andere Menschen auf der Straße sich sehr wortkarg zeigen, erzählt er, was im Ort gesprochen wird. Dass zwar etwas geschehen musste in der Firma für Betonfertigteile, man aber nicht wisse, ob die jetzige Art und Weise die beste Lösung ist; dass man Sorgen habe, dass der Firmenchef „von heute auf morgen den Schlüssel umdreht“.
Wer hat den längeren Atem? „Die draußen sind, stehen zusammen“, sagen die Beschäftigten in ihrem „Streiklokal“ unter freiem Himmel. Neben dem Diemelradweg haben sie Klappstühle, Tische und Sitzbänke aufgebaut. Daneben zwei Dixi-Toiletten und ein Transparent mit der Aufschrift: „Gute Arbeit = Guter Lohn. Wir sind es wert.“ Die Streikenden hoffen auf Gespräche mit der Geschäftsführung. Man wünscht den Beteiligten einen Zaubertrank, der den Konflikt löst. Manchmal wäre es doch gut, wenn das Leben ein Comic ist.