Marsberg. . In Marsberg streiken Betonarbeiter für mehr Lohn, was nichts Ungewöhnliches ist. Doch der Firmenboss geht auf Konfrontation und bietet 40 Cent mehr – wenn der ungeliebte Betriebsrat zurücktritt.
Wind pfeift um das Marsberger Betonwerk KMB, Regen peitscht aufs Dach hinab, während gut zwei Dutzend Arbeiter in einer zugigen Halle stehen, reden, rauchen und den Erklärungen der Gewerkschafter zuhören. Fahnen und Transparente haben sie beiseite gelegt, auch das Mikrofon ist stumm, stattdessen kommt Musik aus der Beschallungsanlage. Erst Blues, dann, fast schon zu viel des Klischees, Hannes Wader. „Heute hier, morgen dort“, singt der Arbeiter-Barde, und dann den Refrain „...dass nichts bleibt, wie es war.“
Dass nichts bleibt, wie es war: Firmenboss Hermann Jakobs, geschäftsführender Gesellschafter der Kombi-Massiv-Bauelemente GmbH in Marsberg, hat genau damit in diesen Tagen zu kämpfen. Schuld daran sind „diese Herrschaften da unten“, sagt er und meint damit die streikenden Mitarbeiter seiner Firma und die Vertreter der IG Bauen, Agrar Umwelt (IG BAU). Diese Herrschaften sind seit dem 25. Juni immer wieder tageweise im Streik, seit Montag haben sie ohne Unterbrechung die Arbeit niedergelegt. Bis ein sauerländer Arbeitnehmer zu solchen Maßnahmen greift, muss schon einiges passiert sein.
Löhne laut Gewerkschaft drei Euro unter dem üblichen Stundensatz
„Als das zweite Werk gebaut wurde, da begannen nach und nach die Probleme“, erklärt René Heißig, Betriebsratsvorsitzender und seit 1997 bei KMB. Mitte der 2000er-Jahre fiel erst das Weihnachtsgeld weg, dann der Überstundenzuschlag. Kollegen kündigten, und die Arbeit wurde auf weniger Schultern verteilt – ohne große Anerkennung. Das Unternehmen, das nicht im Arbeitgeberverband und daher nicht tarifgebunden ist, zahlt nach Angaben der Gewerkschaft rund drei Euro unter dem üblichen Stundenlohn.
„Der Laden läuft ganz gut“, sagt Betriebsratsmitglied Thomas Süß, „Arbeit gibt es genug.“ Oft sogar zu viel: Zwölf-Stundenschichten, in denen in dem Betonwerk hart malocht werden muss, seien keine Seltenheit. Obwohl diese lange Arbeitsdauer gesetzlich gar nicht erlaubt sei, sagt IG-BAU-Sekretär Benno Gabriel. Ende letzten Jahres kam der Zeitpunkt, da beschlossen Arbeiter, einen Betriebsrat zu gründen. „Viele fühlen sich ausgebeutet“, ahnt Gewerkschafter Gabriel.
Firmenchef reagiert mit Drohungen
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Der Firmenchef reagierte mit Drohungen – und als 24 Kandidaten für den Betriebsrat aufgestellt waren, mit einer Aktion, die an graue Vorzeiten der Industrialisierung erinnert: Er zahlte den kandidierenden Arbeitern im Januar keinen Lohn. Erst öffentlicher Druck ließ ihn einlenken. Eine Klage, mit der die Wahl des Betriebsrats angefochten wurde, verlor das Unternehmen vor wenigen Tagen.
Seit Wochen wird nun um einen Haustarifvertrag gekämpft, der stufenweise zu einer Angleichung des Lohnniveaus auf Tarifhöhe führen soll. Weil sich nichts bewegte, wird gestreikt. Als am Mittwoch eine Delegation der Streikenden mit Firmenchef Hermann Jakobs verhandeln wollte, präsentierte dieser ihnen einen „7-Punkte-Plan“. Darin fordert Jakobs u.a., dass der Betriebsrat sämtliche Klagen gegen das Unternehmen zurückzieht (im wesentlichen Mitbestimmungsklagen) und zurücktritt. Dann wolle er 40 Cent mehr Stundenlohn zahlen und 20 Prozent Weihnachtsgeld. Dass zuletzt 40 Prozent Weihnachtsgeld gezahlt wurde und das Angebot daher ein Rückschritt ist, gibt Jakobs auf Nachfrage zu. „Aber die Herrschaften vom Betriebsrat haben sich ja gleich zu einem Lehrgang angemeldet, der meiner Firma 20.000 Euro gekostet hat. Man kann das Geld eben nur einmal ausgeben“, begründet Jakobs, warum er der Belegschaft das Weihnachtsgeld kürzen will. Wenn alle Forderungen erfüllt seien, wolle er als Geschäftsführer zurücktreten. „Ich kann mit diesen Menschen nicht mehr zusammenarbeiten.“
Betriebsrat und IG BAU hoffen trotz Verhärtung der Fronten auf eine Lösung. „Wir wollen die Arbeitsplätze erhalten – aber wir lassen uns nicht erpressen..“ Mal sehen, ob es bleibt wie es ist.