Brilon. Der Pflegeberuf hat einen miesen Ruf. Zu Unrecht, findet Evelina Wunder aus Brilon. Als Pflegefachfrau hat sie sich ihren Traum erfüllt.
Schlechte Bezahlung, wenig Freizeit: Jobs in der Pflege haben nicht den besten Ruf. Zu Unrecht, meint Evelina Wunder aus Brilon und will mit gängigen Klischees aufräumen. „Nach meinem Realschulabschluss stand ich vor der schwierigen Entscheidung, ob ich Abi oder eine Ausbildung machen soll“, erzählt die 24-Jährige. Sie entschied sich für das Abitur. „Ich bin dann studieren gegangen, aber das hat mich nicht erfüllt - und der Wunsch in einem Krankenhaus zu arbeiten, der war sowieso irgendwie schon immer da. Ich habe mich also beworben und die Zusage erhalten.“
Inzwischen ist Evelina Wunder im zweiten Lehrjahr zur Pflegefachfrau. Schon früher, wenn sie Verwandte oder Freunde im Krankenhaus besucht habe, sei sie von der Arbeit der Ärzte und Pfleger sehr beeindruckt gewesen: „Ich fand das immer unheimlich interessant und habe mir die Möglichkeit, mit meiner Arbeit kranken Menschen zu helfen, als sehr schön vorgestellt.“ Daran habe sich nichts geändert. „Das Wissen, gebraucht zu werden und das Lächeln der Patienten zu sehen, gefällt mir an der Arbeit besonders gut. Wenn man nach Hause kommt, weiß man einfach, dass man etwas Gutes getan hat,“ sagt sie.
Patienten ein Lächeln ins Gesicht zaubern
Damit man den Patienten auch wirklich ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, seien Empathie und ein unbedingter Respekt vor Menschen allerdings eine notwendige Voraussetzung, um in der Pflege zu arbeiten, ist die junge Frau überzeugt. Was man sonst noch mitbringen sollte und wie der Arbeitsalltag aussieht, das hat sie Interessierten zusammen mit weiteren Kollegen – Azubis, Praxisanleiter, Dozenten und andere Mitarbeiter – an einem Stand bei der diesjährigen Ausbildungsbörse in der Schützenhalle Brilon erklärt. „Es kamen wirklich viele Schüler, die Fragen zur Ausbildung hatten.“ Auch Fragen zum genauen Ablauf und Aufbau der Lehre, sowie Praktika und vieles mehr hätten sie beantworten müssen.
Interesse am Pflegeberuf scheint also da zu sein. Und wie stressig ist es nun? „Es kann natürlich schon anstrengend sein, wenn man zum Beispiel elf Tage durcharbeiten muss. Da muss man dann eben Energie tanken“, meint die in Sibirien geborene Frau, die im Alter von fünf Jahren nach Deutschland kam. Energie und Motivation beziehe sie allerdings auch schon während der Arbeit durch die deutlich wahrgenommene Dankbarkeit der Patienten.
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So sei ihr bislang schönstes Erlebnis im Altenheim passiert. Eine Bewohnerin habe geklingelt, einfach, weil sie etwas Gesellschaft gebraucht habe. Die Dame hätte ein bisschen erzählt, die ganze Zeit gelächelt „und anschließend haben wir uns umarmt.“ Dieser Moment sei ihr sehr im Gedächtnis geblieben.
Auch sie selbst habe vor der Ausbildung - Traumberuf hin oder her - einige Sorgen gehabt. Etwa, ob noch genügend Zeit für private Dinge bleibt - „Man hört das ja immer“, sagt sie. Sie habe aber schnell gelernt, ihren Tag clever zu strukturieren und dadurch könne sie nach wie vor die Dinge tun, auf die sie Lust hat. Ein Buch lesen, Freunde treffen oder einfach mal eine Serie schauen. Wenn sie Spätschicht hat, steht sie zum Beispiel einfach ein bisschen früher auf - „Dann habe ich auch noch genug Freizeit.“
Pluspunkt bei der Arbeit sei die Vielfalt der Aufgaben
Ein großer Pluspunkt bei ihrer Arbeit sei auch die Vielfalt der Aufgaben: „Da ist einfach kein Tag wie der andere. Man lernt ständig neue Menschen und Situationen kennen. Man muss sehr eigenständig und verantwortungsvoll arbeiten können und das ist wirklich herausfordernd. Aber genau das gefällt mir wirklich sehr gut.“ Auch Geduld sei unabdingbar.
Dem zuweilen stressigen Arbeitsalltag mit den vielen verschiedenen Aufgaben zum Trotz, müsse man stets verständnisvoll bleiben, wenn ein Patient vielleicht mal etwas langsamer ist. Freundlichkeit sei das A und O. „Wenn man zum Beispiel morgens gut gelaunt in das Zimmer eines Kranken kommt, wird sich der Mensch natürlich ganz anders fühlen,“ sagt die 24-Jährige. Eine positive Einstellung und Ausstrahlung hält sie daher für ein ebenfalls wichtiges Kriterium.
Als Pflegekraft sollte man sich immer fragen: „Welchen Umgang und welche Behandlung würde ich mir in dieser Situation als Patient wünschen?“ Dass sie heute so selbstbewusst auf fremde Menschen zugehen kann, sei keine Selbstverständlichkeit. „Ich hatte früher ein wenig Angst davor, war eher schüchtern und zurückhaltend.“ Das habe sich aber schnell gelegt. Generell bescheinigt sie der Ausbildung in der Pflege ein großes Entwicklungspotential für die eigene Persönlichkeit, denn: „Durch den ständigen Umgang mit verschiedensten Charakteren wird man viel offener und selbstbewusster.“
Highlight Mitwirkung im Imagefilm des Maria-Hilf
Neben der praktischen Ausbildung findet natürlich auch theoretischer Unterricht statt. Die Theorie werde in der hauseigenen Pflegeschule des Maria Hilf-Krankenhauses, also dem Bildungszentrum für Gesundheitsberufe, unter der Leitung von Claudia Hundertmark-Vogel gelehrt. Der Unterricht findet immer blockweise statt, sechs Wochen Unterricht und danach eine eine Klausur. Fächer im klassischen Sinne gibt es dabei nicht, sondern Lerneinheiten und Module. „Da“, berichtet die 24-Jährige, „werden dann zum Beispiel verschiedene Fälle und Erkrankungen durchgenommen.“
Anspruchsvoll ist ihrer Ansicht nach vor allem die Physiologie von Organen, wie zum Beispiel dem Herz oder der Nieren - „Aber ansonsten kommt man gut durch.“ Wenn eine Klausur ansteht, fange sie etwa zwei bis drei Wochen vorher an zu lernen und fahre damit bislang sehr gut.
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Ein besonderes Highlight sei ihre Mitwirkung im Imagefilm des Maria-Hilf gewesen. Als der Dreh geplant wurde, sei sie von einer Mitarbeiterin aus dem Marketing gefragt worden, ob sie nicht Lust hätte mitzumachen. Sie hatte. „Es haben auch andere Auszubildende in dem Film mitgewirkt, auch eine Freundin von mir. Wir hatten an dem Drehtag total viel Spaß und das Ergebnis gefällt uns allen auch wirklich richtig gut.“
Evelina Wunder überlegt schon, in welche Richtung sie sich nach ihrer Grundausbildung weiterqualifizieren möchte. „Bisher hatte ich zwar noch keine Einsätze auf der Intensivstation oder in der zentralen Notaufnahme, aber das sind so Bereiche und Fachrichtungen, die mich ganz besonders interessieren und wo ich später vielleicht gerne arbeiten würde.“ Auch eine Spezialisierung im Bereich der Palliativpflege könnte sie sich vorstellen.
„Der Pflegeberuf hat unfassbar viele Karrierewege und vor allem Zukunft.“, sagt Hundertmark-Vogel. Auch die Ausbildungsvergütung sei „ein echter Knaller.“ Durch die Tarifsteigerung zum 01.03.2024 von 150 Euro sei der Ausbildungsberuf zur Pflegefachfrau/ -mann einer der bestbezahltesten Ausbildungsberufe in Deutschland. „Die Schichtzulagen für Wochenend-/ Feiertagsarbeit kommen noch oben drauf.“ So erhalten Azubis derzeit 1.340,69€ Brutto/Monat im ersten Lehrjahr, 1.402,07€ im zweiten und 1.503,38€ im dritten Jahr.
Wer darüber nachdenkt, in die Pflege zu gehen, solle es einfach wagen, sagt Evelina Wunder: „Wenn man echtes Interesse an der Zusammenarbeit mit Menschen hat und Menschen gerne helfen möchte, dann ist es der richtige Beruf. Für mich war es auf jeden Fall die beste Entscheidung.“
Kurzentschlossene können sich für den nächsten Ausbildungsstart am 1. Oktober unter der Nummer 02961/7801440 bei der Schulleitung Claudia Hundertmark-Vogel melden.