Hochsauerlandkreis. Die Schützenfestsaison beginnt: Kreisschützenoberst Rüdiger Eppner über das, was sich ändert und über den Spagat zwischen Tradition und Moderne.
„Schützen stehen für Demokratie und Offenheit. Ohne sie und ihr bürgerschaftliches Engagement wäre das Leben in unseren Städten und Dörfern um vieles ärmer. Schützen akzeptieren keine Intoleranz. Rechtes Gedankengut hat bei uns nichts zu suchen. Auf der Basis des demokratischen Grundverständnisses ist bei uns jeder willkommen – unabhängig von seinem Glauben, seiner Herkunft oder seinem Geschlecht.“ Das sind klare Worte. Sie stammen von Rüdiger Eppner aus Hallenberg. Anlässlich der gestarteten Schützenfestsaison hat unsere Zeitung mit dem Oberst des Kreisschützenbundes Brilon über das Schützenwesen im Allgemeinen, über Kiffen und Jugendarbeit geredet.
Was macht eigentlich der Kreisschützenbund und wie ist er organisiert?
Alle 67 Vereine aus dem Altkreis Brilon mit ihren insgesamt 30.209 Mitgliedern gehören dem Kreisschützenbund an. Die jüngsten Mitglieder sind 16, die ältesten über 90. Wir sind das Bindeglied zwischen den Vereinen und dem Sauerländer Schützenbund. Wir übernehmen sehr viel beratende Funktionen, wenn es zum Beispiel um Steuer- oder Vereinsrecht oder um Fördermöglichkeiten geht. Dafür haben oder organisieren wir Fachleute und Ansprechpartner. Wir pflegen aber auch die Zusammengehörigkeit – dazu veranstalten wir regelmäßig das Kreisschützenfest oder auch das Kreispokalschießen. Ansonsten ist jeder Verein aber eigenständig. Wir mischen uns nicht ein, helfen aber, wenn unsere Unterstützung gefragt ist.
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Gibt es eigentlich auch Frauen, die Mitglied im Kreisschützenbund sind?
Es gibt Vereine, die schon lange Frauen in ihren Reihen haben – zum Beispiel in Langewiese oder seit diesem Jahr auch in Medebach. Wir schließen ja niemanden aus. Meiner Erfahrung nach hat das Schützenwesen auch bei Frauen einen großen Stellenwert; ob sie in Uniform mitmarschieren, ob sie mitschießen oder im Hofstaatkleid dabei sind, ist letztlich jedem Verein bzw. den Frauen selbst überlassen.
Wie sieht es mit sogenannten „queeren“ Menschen aus? Das Dekanat Hochsauerland-Ost hat gerade eine Kampagne gestartet, um deutlich zu machen, dass z.B. auch Schwule, Lesben oder Bisexuelle in der Kirche angenommen sind – auch bei den Schützen?
Ich finde die Aktion klasse! Viele Menschen glauben immer noch, wir seien die mit dem grünen Hut und der Marschmusik. Das ist eine alte und grundlegend falsche Wahrnehmung. Schützen kennen schon lange Solidarität und Offenheit. Wir grenzen niemanden aufgrund seines Glaubens oder seines Geschlechts aus. Man muss bei uns nicht katholisch sein oder aus dem Ort stammen. In unseren Reihen haben wir Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, wir haben Muslime und wir haben Schwule. Und das ist gut so. Wo ist das Problem? Es spricht auch nichts dagegen, wenn ein Schwuler mit seinem Mann im Festzug mitmarschiert. Vermutlich gibt es in einigen Vereinen oder Bruderschaften Satzungen, in denen ausdrücklich von einer „Königin“ die Rede ist. Aber all das sind Entscheidungen, in die sich der Kreisvorstand nicht einmischt und die die Vereine vor Ort regeln und auch zu regeln wissen.
Lange Zeit war es so, dass der Erfolg eines Schützenfestes an der Menge des verkauften Bieres gemessen wurde. Ist das noch zeitgemäß?
Klar ist der Getränkeumsatz wichtig. Aber zunächst muss man sagen: Das Trinkverhalten hat sich grundlegend geändert. Die Bierumsätze sind rückläufig. Dafür sind andere Getränke gefragt – auch ohne Alkohol. Die Vereine machen mit den Wirten ihre Verträge und die meisten machen Mischkalkulationen. Es gibt Vereine, die nehmen 1,50 Euro für das Glas Bier; beim Kreisschützenfest haben wir 2 Euro genommen. Es hängt ja immer auch davon ab, welche Auslagen der Verein hat. Wenn er zum Beispiel bei einem Jubiläum oder einer Großveranstaltung noch Zelte mieten muss, ist der Aufwand höher und muss die Kalkulation eine andere sein. Auch das Wetter kann ein Fest verhageln – das muss man einplanen. Schlussendlich ist ja nicht nur das Bier teurer geworden. Auch die Bratwurst oder die Pommes haben vom Preis her angezogen. Wir reden von einer bundesweiten Inflation. Wichtig ist, dass sich jeder den Schützenfestbesuch noch leisten kann. Alles in allem haben wir das Gefühl, dass sich die Besucherzahlen nach Corona wieder auf einem normalen Niveau eingependelt haben. Und die Besucherzahlen und die Harmonie sind letztlich der Maßstab, ob ein Fest erfolgreich war.
Die schönsten Fotos von der Kreisversammlung der Schützen
Gibt es Sorgen, Probleme, die die Vereine drücken? Kugelfang, Größe der Schützenvögel, Bleimunition – man hatte zwischenzeitlich den Eindruck, dass keine Gelegenheit ausgelassen wurde, den Schützen das Leben schwer zu machen. Herrscht mittlerweile Ruhe an der Auflagen-Front?
Ja, zum Glück sind diese Großbaustellen abgearbeitet. An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank an die heimischen Politiker auf EU-, Bundes und Landesebene aussprechen, die sich sehr für uns eingesetzt haben. Das Gesetz in Sachen Bleimunition ist noch nicht verabschiedet, aber wir haben grünes Licht dafür, dass wir die Vogelschießen traditionell wie bisher durchführen können. Im November waren wir zu Besuch in Berlin. Man muss leider ganz deutlich sagen, dass in den zuständigen Ministerien manchmal Leute sitzen, die gar nicht wissen, wovon sie reden. Wenn man gefragt wird: ,Wie oft in der Woche schießt ihr denn auf einen Vogel?‘, wird damit leider klar, dass eine große Unwissenheit vorherrscht. Die glauben, wir würden mit dem Gewehr herumlaufen und ständig auf Holzvögel anlegen…
Auch das Schützenwesen unterliegt Veränderungen, muss sich anpassen. Viele Vereine modifizieren ihre Festfolge; manche lassen den Montag ausfallen, manche machen keinen Festzug mehr – inwiefern müssen die Schützen flexibel sein, um zu überleben?
Das muss jeder Verein für sich entscheiden. Aber natürlich müssen sich die Vereine den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Früher hat man gesagt: Für Weggezogene gibt es drei Anlässe, zu denen sie in ihre Heimat zurückkehren: Ostern, Weihnachten und Schützenfest. Das wird hoffentlich noch lange so gelten. Aber die Zeiten haben sich geändert. Früher war das Schützenfest die einzige Festveranstaltung; heute gibt es ein größeres Angebot. Die Menschen sind mobiler und flexibler geworden und vielleicht schauen auch manche auf die Kosten…
Kann man es sich denn überhaupt noch leisten, den Vogel abzuschießen?
Oft werden da Zahlen in den Raum geworfen, die so einfach nicht stimmen. Wer in Lohn und Brot steht und sich einmal im Jahr einen Urlaub gönnt, der ist meiner Meinung nach auch in der Lage, die Königswürde finanziell zu stemmen. Wenn man zum Beispiel wie in Hallenberg 50 Pärchen mit am Königstisch hat und jedes tut 100 Euro dazu, dann kann man davon schon feiern. Aber in den kleineren Orten wird es vermutlich immer wieder mal schwierig werden, einen König zu finden. Und man kann nicht von jedem erwarten, dass er schießt. Das ist dann auch kein Beinbruch. Dann gibt es im nächsten Jahr halt einen neuen Anlauf. Die Vereine sind bei der Festgestaltung schon sehr kreativ und schauen, was bei ihnen funktioniert und was nicht.
„Glaube, Sitte, Heimat“ klingt ja im ersten Moment schon sehr traditionell. Gelingt es den Schützenvereinen Ihrer Ansicht nach, die Jugend ausreichend anzusprechend und für das Schützenwesen zu begeistern? Sind Schützen modern?
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Ich glaube schon. Wir müssen in erster Linie flexibel sein. Auf unserer Standarte steht „Aus alter Wurzel neue Kraft“. Wir wissen aber auch, dass Stillstand Rückschritt bedeutet. Der Jugend gehört die Zukunft, sie ist unser Fundament. Sie müssen wir frühzeitig verantwortlich mit ins Boot holen. Es gibt so viele Möglichkeiten - auch für junge Leute, sich im Schützenwesen zu engagieren. Ich denke da nur an die Internetauftritte der Vereine, an Social Media oder an das elektronische Bildarchiv eines jeden Vereins. Auch das Schießen um die Würde des Jungschützenkönigs hat sich etabliert. Und ich weiß, dass wir in Hallenberg zu Beispiel früher an allen drei Tagen nur Blasmusik hatten. Jetzt spielt sonntagsabends eine Party-Band ganz andere, modernere Musik und die Halle ist wieder voll. Man muss immer neue Wege suchen.
Bleiben wir nochmal bei „modern“. Das neue Gesetz zur Cannabis-Legalisierung schafft ja viele neue Freiheiten. Wird „Kiffen“ auf Schützenfesten erlaubt sein?
Das ist auch eine Frage, die jeder Verein, der bei dem Fest ja das Hausrecht ausübt, für sich beantworten muss. Meine Meinung dazu lautet: Nein! Im Beisein von Minderjährigen ist das Kiffen ja generell verboten und in einem festgelegten Umkreis von 100 Metern rund um Spielplätze oder Schulen auch. Die Vorstellung, dass beim Schützenfest an einem Kinderkarussell jemand steht und einen Joint raucht, finde ich nicht gut. Auf Kreisebene ist das Ganze bisher noch nicht thematisiert worden. Aber ich würde die Empfehlung geben, auf dem Festgelände das Kiffen zu untersagen.
Warum hat es Ihrer Meinung nach auch gesellschaftliche Relevanz, sich in einem Schützenverein zu engagieren? Was wäre, wenn das Brauchtum einmal ganz weg wäre?
Es würde einen großen Einbruch in den Ortschaften bedeuten, weil die Vereine ja nicht nur Feste feiern. Wen man sich einmal Kassen- und Jahresberichte anschaut, ist man erstaunt, was da geleistet wird und wo Schützen überall mitmischen. Allein Spenden im sechsstelligen Bereich werden auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS) generiert – und das gewiss nicht, weil wir in grüner Jacke und Schützenhut durchs Dorf laufen. Die Schützenvereine des KSB Brilon haben im Jahr 2023 rund 27.200 Stunden Eigenleistung erbracht und rund 32.000 Euro für gemeinnützige Zwecke gespendet. Wir haben viele soziale Aufgaben und beteiligen uns an vielen öffentlichen Veranstaltungen. Auch für die Musikvereine und Blaskapellen, auf die wir im Gegenzug natürlich auch angewiesen sind, stellen unsere Feste eine verlässliche Einnahmequelle dar, um wiederum deren Vereinsarbeit mit zu finanzieren. Ich muss aber auch sagen, dass die Kommunen und der Kreis dies wissen und würdigen.
Stichwort Europaschützenfest: Die Begeisterung, daran teilzunehmen, ist unwahrscheinlich groß. Woher rührt diese Euphorie?
Ich selbst habe an einigen Europaschützenfesten teilgenommen. Das muss man erlebt haben. Vereine aus ganz Europa kommen zusammen, um den Alltag hinter sich zu lassen, um mit Freunden, die ähnlich ticken wie sie, zu feiern. Das ist eine ganz große Schützenfamilie, die sich zur Demokratie und grenzüberschreitendem Frieden bekennt. Dieses Jahr fahren wir nach Mondsee, wohin wir seit Jahren besondere Kontakte pflegen; danach geht es nach Kroatien. Ich habe noch kein Fest mit Meinungsverschiedenheiten erlebt. Und das wünsche ich auch allen Vereinen im Kreisschützenbund: Eine harmonische, friedliche Saison im Zeichen der Demokratie und der Freundschaft!