Brilon. Udo Häger führt seit einem Jahr den Briloner Forstbetrieb. Die Ereignisse der vergangenen Jahre machen dem Wald zu schaffen. Was jetzt zu tun ist
Erst der Sturm Kyrill, dann der Borkenkäfer: Der Briloner Stadtwald hat schwere Zeiten hinter sich. „Mehr als jeder zweite Hektar Wald war in den letzten 17 Jahren betroffen“, weiß Udo Häger, der seit einem Jahr das Forstamt in Brilon leitet. Vorher war er im Thüringer Staatswald unterwegs: „Mein Elternhaus steht aber in Lichtenau bei Paderborn und von da sind es ja nur 35 Minuten nach Brilon“, so Häger, der sich mittlerweile eingelebt hat.
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Zu einer Bestandsaufnahme mit der Westfalenpost hat er auch seinen Kollegen Maximilian Schulte mitgebracht, der das Gebiet rund um den Wolfgangsee bei Madfeld betreut. Schulte hat seine Ausbildung im Jahr 2008 bei der Stadt Brilon begonnen und sich an der Forst- und Technikerschule für Waldwirtschaft in Lohr am Main zum Forsttechniker weiterqualifiziert. Seit dem letzten Jahr betreut er das Gebiet bei Madfeld: „Das ist mit 600 Hektar das kleinste der fünf Reviere“, so Schulte. Zu tun gibt es aber auch in diesem Revier mehr als genug, wie sich im Verlauf der Waldführung anschaulich zeigt. So war die Fichte lange Zeit das finanzielle Rückgrat für die Holzwirtschaft. Doch diese Zeiten sind wegen des sich ändernden Klimas und der zu erwartenden Trockenheit vorbei: „Aktuell werden wir nicht mehr auf die Fichte setzen“, erklärt Häger. Das Ende der Fichte sei damit aber trotzdem nicht eingeläutet: „Möglicherweise passt sich die Fichte auch den veränderten Bedingungen an, wird von selbst resilienter“, so Häger mit Blick auf die zahlreichen neuen Pflänzchen, die aus den Fichtensamen wachsen, die benachbarte Fichten fallen gelassen haben.
Blick in die Glaskugel
Das sei aber ein Blick in die Glaskugel, weswegen nun die Waldwirtschaft auf Hölzer setze, von denen bekannt sei, dass sie mit den Trockenphasen besser umgehen können: „Wir sprechen hier zum Beispiel von der Roteiche, dem Feld- oder je nach Höhenlage auch vom Bergahorn“, sagt Häger. Auch die Douglasie habe sich mittlerweile bewährt. 560.000 Pflanzen pflanzt der Forstbetrieb der Stadt Brilon pro Jahr. Wer jetzt aber denkt, damit sei es getan, der ist sprichwörtlich auf dem Holzweg: „Die neuen Pflanzungen müssen auch beobachtet und gepflegt werden“, so Häger. Das Controlling, also die Überprüfung der Maßnahmen, sei deswegen auch eine der zentralen Aufgaben des Forstbetriebs: „Wie sieht die Fläche aus? Wo müssen wir gegebenenfalls auch steuernd eingreifen?“, sind die Fragen, denen das Forstamt nachgehen muss. So müssen möglicherweise auch Bäume gefällt werden, um stärkeren Bäumen das Wachstum zu ermöglichen, erklärt Häger an einer Stelle im Wald, die nach Kyrill neu angepflanzt wurde. Zwar stehen dort schon ein paar hohe Bäume dicht beieinander, der erwünschten Douglasie werde dadurch aber das Licht genommen: „Hier müssen wir noch mal ran“, so Häger, dem die Pflege des Waldes sehr wichtig ist.
Die Bäume der Zukunft
Beim Anpflanzen setzt das Forstamt auf das Vier-Bäume-Prinzip: „Wir bewegen uns von den Fichtenmonokulturen weg und versuchen, durch eine gewisse Vielfalt die Resilienz des Waldes gegen Schäden zu stärken“, sagt Häger. Gestärkt werden soll der Wald auch über den klaren Fokus auf die Zukunft: Mit blauer Farbe werden sogenannte Zukunftsbäume (Z-Bäume) markiert. Forstexperten setzen mit diesem neuen Konzept auf eine nachhaltige Waldwirtschaft: Das gezielte Fördern einzelner Bäume mit großem Zukunftspotential. Ziel ist es, ausgewählte Bäume über ihre gesamte Lebensdauer zu pflegen und zu erhalten, um auf diesem Weg Spitzenqualität im Forstertrag zu erzielen. Entscheidend für den Erfolg dieser Methode ist die vorausschauende Anlage von Rückegassen, bevor die Z-Bäume endgültig bestimmt werden. Rückegassen sind spezielle Trassen im Wald, die einen schadensfreien Zugang für Forstmaschinen gewährleisten. Würde man erst nach der Auswahl der Z-Bäume die Rückegassen planen, könnten ausgesuchte Exemplare fälschlicherweise einer Maschinenroute im Weg stehen und müssten gefällt werden.
Schutz vor Wildschäden
Auch der Schutz gegen Schäden durch Wild gehört zu den Aufgaben des Forstbetriebs. Dazu werden teilweise Zäune oder andere Barrieren aufgestellt, um die Bäume vor Verbiss zu schützen. Häger, der wie viele Mitarbeiter des Forstbetriebs auch einen Jagdschein hat, setzt aber auch auf die Zusammenarbeit mit den Jägern. Zuletzt hatte es Diskussionen um die Vergabe der Jagdbezirke gegeben. Denn die Stadt möchte die Abschussquoten erhöhen: „Das ist notwendig, damit es nicht weiter zu Schäden kommt“, so Häger. Denn in 20 bis 30 Jahren soll der Wald auch wieder wirtschaftlich genutzt werden können. Und dafür ist es wichtig, dass die Bäume, die heute gepflanzt werden, auch in Zukunft noch unbeschadet sind. Damit, dass er vermutlich die Früchte seiner Arbeit nicht mehr selbst ernten kann, hat Häger kein Problem, und er hat dazu auch direkt ein passendes Zitat von Martin Luther zur Hand: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, zitiert Häger den Reformator. Es sei „ein ganz tolles Gefühl“ zu wissen, dass aus den kleinen Pflanzen später einmal große Bäume werden, an denen sich nicht nur die Holzwirtschaft erfreuen kann. „Ein Wald dient auch der Erholung, das steht ja sogar im Gesetz“, so Häger. An einer Stelle blickt Häger über eine erst kürzlich gerodete Fläche. Auch auf dem Berg gegenüber sind schwere Waldschäden zu erkennen: „Hier kann man ganz gut sehen, was passiert, wenn man das alles sich selbst überlässt“, sagt Häger.
Wenn die Natur wieder die Kontrolle übernimmt
So ist ein Großteil der Fläche von schwerem Gras überwachsen, viele Brombeersträucher fühlen sich dort offenbar sehr wohl. Dazwischen ein paar Fichtentriebe und einige Baumstümpfe: „So sieht es dann aus, wenn die Natur wieder die Kontrolle übernimmt“, so Häger. Um einen Wald wirtschaftlich nutzbar zu machen, muss es aber geordneter ablaufen, damit sich die Bäume gut entwickeln. Was einen Nationalpark angeht, da ist der Forstamtsleiter skeptisch: „Aus meiner Sicht macht ein Nationalpark nur dann Sinn, wenn es auch ein zusammenhängendes Gebiet ist“, findet Häger. Von Nationalparks, die möglicherweise durch ICE-Trassen oder Autobahnen zerstückelt sind, hält er nicht viel. Auch nicht von der Romantisierung des Waldes durch einen Teil seiner Kollegen: „Da wird aus einer oft fehlerhaften Vorstellung des Waldes ein Bild geschaffen, welches in der Praxis nicht zutrifft“, so Häger. Zwar kommunizierten Bäume durchaus miteinander, es gäbe aber kein weltumspannendes unterirdisches Kommunikationsnetzwerk der Bäume. Eine Theorie, die mittlerweile viele Anhänger findet und auch in Buchform große Erfolge erzielt hat. Allerdings nicht unter denjenigen, die sich wirklich mit dem Wald auskennen: „Das scheint eher ein städtisches Phänomen zu sein. Ich und viele meiner Kollegen können damit nichts anfangen und ich halte es in einigen Fällen auch schlichtweg für falsch“, so Häger zu den populären Hypothesen.