Hochsauerlandkreis. Neue Wege in der katholischen Kirche im Sauerland: Das Dekanat Hochsauerland-Ost öffnet sich mit dem Projekt Queere Pastoral. Was geplant ist.

Das Dekanat Hochsauerland-Ost hisst symbolisch betrachtet demonstrativ die Regenbogenfahne und will die Arme weit ausbreiten. Es bekennt sich zu Toleranz und Akzeptanz gegenüber den Menschen mit all ihren Individualitäten, mit all ihren unterschiedlichen Lebensprägungen und Lebensweisen. Und: Das Dekanat bietet ganz konkret Hilfestellungen dort an, wo diese (an sich selbstverständliche, aber längst nicht überall praktizierte) Willkommenskultur in der Gemeinde nicht klappt oder wo der Einzelne/die Einzelne auf Widerstände trifft, wo er/sie verzweifelt und Hilfe braucht.

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Vorstellung des Projektes mit (von links) Pfarrer Norbert Lipinski, Pastor Ansgar Drees, Gemeindereferent Jörg Willerscheidt, Dekanatsreferent Frank Manegold, Dechant Matthias Kamphans, Dekanatsreferent Bernhard Schrade und Pfarrer Klaus Engel. 
Vorstellung des Projektes mit (von links) Pfarrer Norbert Lipinski, Pastor Ansgar Drees, Gemeindereferent Jörg Willerscheidt, Dekanatsreferent Frank Manegold, Dechant Matthias Kamphans, Dekanatsreferent Bernhard Schrade und Pfarrer Klaus Engel.  © WP | Privat

Die katholische Kirche hat es nicht so mit Schwulen, Lesben, Bisexuellen, trans- oder intergeschlechtlichen Menschen (sogenannte LGBTIQ+ Personen). Schnell fallen da Begriffe wie „widernatürlich“, „objektiv ungeordnet“ oder „sündhaft“. Und das, obwohl selbst der Papst in dem Zusammenhang die viel beachtete Aussage „Wer bin ich, dass ich urteile“ getroffen hat. Im Dekanat hat man sich für dieses Projekt ganz bewusst einen Satz aus dem Römerbrief des Apostels Paulus ausgewählt: „Wenn Gott für uns ist, wer kann da gegen uns sein.“ Und dann steht da noch „Angekommen? Angenommen!“

Was Queer-sensible Pastoral bedeutet

Was das Dekanat gerade als neue Offenheit auf den Weg bringt, hat den etwas sperrigen Namen „Queer-sensible Pastoral“. Streng genommen geht es um etwas, das eigentlich gar keiner Rede bedarf, mit dem man auch gar nicht sensibel umgehen muss. Es geht darum, jeden Menschen so anzunehmen, wie er ist – egal ob schwul, hetero oder sonst was. Es geht darum, ihn in all seiner gottgewollten Vielfalt in der Glaubensgemeinschaft willkommen zu heißen und ihm das Gefühl des Angekommenseins zu vermitteln. „Kirche und Menschen mit einer queeren Lebensprägung haben bislang nicht wirklich gut zueinander gefunden.“ So formuliert es Bernhard Schrader, Referent für Jugend und Familie im Dekanat Hochsauerland-Ost, sehr vorsichtig. Aus Paderborn sei daher im Herbst vergangenen Jahres der Auftrag gekommen, das Thema in die Dekanate zu bringen und Menschen zu finden, die sich damit identifizieren und/oder dafür einsetzen wollen.

Und die gibt es: Da ist zum Einen André Stielike aus Winterberg. Er hat sich erst vor wenigen Jahren als Erwachsener taufen lassen und brennt seitdem für Glauben und Kirche. Er steht inzwischen dem Pfarrgemeinderat Winterberg vor und engagiert sich außerdem im Diözesankomitee. Stielicke ist schwul. „Bis zu dem Zeitpunkt, als ich mit der Kirche in Berührung kam, haben alle meine Lebensweise als normal empfunden. Erst in der Kirche hat man mich spüren lassen, es sei nicht okay, mit einem Mann verheiratet zu sein. Mit 39 Jahren bin ich zum ersten Mal deswegen angefeindet worden – und das in meiner christlichen Gemeinschaft.“ André Stielicke handelt nach der Devise: „Jetzt erst recht“ und möchte sich für mehr Offenheit in seiner Kirche stark machen. Er ist davon überzeugt, dass das wichtig und möglich ist und schon bei der Sprache anfängt. „Eigentlich müsste es dieses Projekt nicht geben. Und wir haben es geschafft, wenn es überflüssig ist.“

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Zweiter im Bunde ist der Winterberger Gemeindereferent Jörg Willerscheidt. Er ist mit einer Frau verheiratet, hat Kinder und findet diese Familienkonstellation genauso normal wie die seines guten Freundes André, den er auf dessen Taufe vorbereitet hat. „Wir müssen erstmal von Klischees wegkommen. Es geht hier nicht um pinkfarbene Tutus oder Ehe für alle. Es geht um Aufklärung.“ Was das im Klartext bedeutet, steht auf der Internetseite des Dekanates: Es bedeutet, die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität im Kontext von Religion und Kirche zu thematisieren, das Verständnis von Partnerschaft, Ehe und Familie zu weiten und darum, die Perspektive für ein liebevolles und wertschätzendes Miteinander in Beziehungen zu öffnen. Und es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen für diskriminierende Strukturen und herabwürdigendes Verhalten gegenüber sogenannten LGBTIQ+ Personen. Außerdem will das Projektteam eine gendersensible Sprache fordern und fördern und sich aktiv in regionale Arbeitsgruppen und Initiativen einbringen. Willerscheidt: „Warum muss die Formulierung im Gebet ,Herr, unser Gott!‘ heißen und nicht ,Gott der Liebe!‘? Warum nicht ,Gott sei mit Euch‘ statt ,Der Herr sei mit euch`‘? Das kann schon ein Anfang sein.“

Kleine Ansätze drücken sich schon in der Sprache aus

Ja, das sind kleine Ansätze, aber steter Tropfen höhlt den Stein. Als erstes äußeres Symbol haben die beiden ein kleines Paket geschnürt. Es enthält u.a. das Plakat mit dem Bibelspruch aus dem Römerbrief, eine Regenbogenflagge und diverse Informationsschriften, die zum Beispiel Begriffe wie „Intergeschlechtlichkeit“ oder „Bisexualität“ erklären. Beim Treffen der Pastoralverbundsleiter habe Konsens darin bestanden, dass diese Plakate in allen Gemeinden aufgehängt werden. Außerdem enthält die Queer-Box eine Tüte Haribo-Konfekt mit vielen bunten Süßigkeiten.

Ein Kreuz mit einer  Regenbogenfahne im HIntergrund.
Ein Kreuz mit einer Regenbogenfahne im HIntergrund. © dpa | Henning Kaiser

„1500 Tüten mit der Aufschrift ,Von innen bunt`‘ sowie 500 Dosen mit Eiskaffe und jede Menge Infomaterial haben wir auch dabei, wenn wir am 4. und 5. Mai mit einem eigenen Stand bei der Veranstaltung ,Winterberger Stadterlebnis‘ dabei sind“, erklärt Willerscheidt. Er macht damit deutlich, dass es mit der „Pastoral im Queerformat“ nicht nur bei Lippenbekenntnissen, Give-aways und bunten Postkarten in einer Papierkiste bleiben soll. Gern gehen Vertreter/innen des Dekanates auch in Schulen, wenn sie von dort angefordert werden. Und auf Einladung würden sie auch gern in die einzelnen Gemeinden gehen. Willerscheidt: „Die, die auf der Suche sind, sollen Ansprechpartner finden. Betonköpfe sollen ihre Meinung überdenken.“ Letztlich geht es darum, für einen normalen Umgang mit der normalsten Sache der Welt zu werben: die menschliche Vielfalt in all ihren Facetten. Und was ist, wenn die Nachfrage riesig groß wird? Bernhard Schrader: „Wenn 30 Schulen anfragen, wäre das ein Luxusproblem, das wir gerne angehen würden. Wir freuen uns über jeden Bedarf, den wir nicht stillen können.“

Weitere Infos auch auf der Seite des Dekanates unter www.dekanat-hochsauerland-ost.de oder bei Jürg Willerscheidt, j. willerscheidt@gmx.de oder 01517 0545407. Auf den Plakaten und Flyern sind QR-Codes abgedruckt für eine Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme.