Marsberg/Essentho. Ritzenhoff stoppt Gespräche mit der IGBCE. Gewerkschaftler Andreas Bier spricht von massivem Druck. Jetzt fällt die Entscheidung um die Zukunft.

Die Ritzenhoff AG mit Sitz in Marsberg-Essentho hat die Verhandlungen mit der Gewerkschaft für gescheitert erklärt. Das bestätigt Andreas Bier von der IGBCE im WP-Gespräch. Er reagiert auf das Fortführungskonzept und die Wahl, bei der die Mitarbeiter über eben jenes abstimmen sollen.

Ritzenhoff AG beendet die Verhandlungen schriftlich

„Nach zwei Verhandlungstagen hat die Ritzenhoff AG die Verhandlungen für gescheitert erklärt“, so Andreas Bier. Man habe am vergangenen Mittwoch, (20. März) die Verhandlungen aufgenommen und sich zuvor schon zum ersten Austausch getroffen. Am Donnerstagmittag sei ein Sanierungstarifvertrag fertig ausgehandelt gewesen. „Dieser hätte schon massive Einschnitte bedeutet und war scharf an der Schmerzensgrenze zu dem, was wir als IGBCE mittragen konnten“, so Bier. Zwei Kleinigkeiten hätte man am Telefon gegenüber des Arbeitgebers noch angesprochen. Was genau, dazu sagt Bier nichts, es habe sich aber nicht um Verhandlungsgegenstände gehandelt, man habe nur mögliche Konsequenzen durchspielen wollen. Am Abend teilt Ritzenhoff der Gewerkschaft mit, dass die Verhandlungen gescheitert seien. Seitens CEO Carsten Schumacher heißt es, die Verhandlungen hätten sich zu lange hingezogen. Andreas Bier sagt: „Wir sind aus allen Wolken gefallen, einen faktischen oder sachlichen Grund hat es nicht gegeben.“ Schon am Tag darauf, Freitag (22. März), seien die Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufgenommen worden. „Dabei handelt es sich um eine sogenannte Regelungsabsprache, in der die Gewerkschaft keine Rolle spielt.“

Investorengruppe soll das Rennen machen

Die Investorengruppe um die Familie Ritzenhoff/Zeppenfeld und Unternehmer Robert Tönnies, die bereits früh ihr Interesse an einem Rückkauf des angeschlagenen Glasherstellers aus Marsberg hinterlegt hatte, soll jetzt das Rennen machen. Das bestätigten die aktuellen Ritzenhoff-Verantwortlichen um die beiden Generalhandlungsbevollmächtigten im Insolvenzverfahren, Jens Lieser und Dr. Martin Kaltwasser, sowie Ritzenhoff-Vorstand Carsten Schumacher ausführlich im Gespräch mit der WESTFALENPOST. Die Investoren hätten mit den Banken, die zu den Ritzenhoff-Gläubigern gehören, eine Einigung über den Kaufpreis erzielt, es liege ein notariell beglaubigtes Kaufangebot für Ritzenhoff vor. Die Investoren wollten das gesamte Unternehmen erwerben, auch die Immobilien und die Markenrechte. Nun müssen die Ritzenhoff-Mitarbeiter über das Investorenangebot abzustimmen, das einen Umbau des Traditionsunternehmens vorsieht. In einem Schreiben an die Mitarbeiter, das der WESTFALENPOST vorliegt, ist von einer „wesentlichen Weggabelung“ die Rede. Außerdem muss der Gläubigerausschuss zustimmen. Dieses Konzept sieht unter anderem die Aufteilung des Unternehmens in drei neue Gesellschaften vor.

IGBCE: Man habe in einer unglaublichen Geschwindigkeit verhandelt

Das Ergebnis der Verhandlungen würde zwar alle Punkte enthalten, die die Gewerkschaft zuvor ausgehandelt hatten, aber noch schärfer in den Konsequenzen. „Ob es von Anfang an geplant war, dass Ritzenhoff die Verhandlungen scheitern lässt, weiß ich nicht. Wurde mit Absicht auf Zeit gespielt?“, sagt Bier. Man habe zwei Tage je 8 bis 10 Stunden in einer unglaublichen Geschwindigkeit verhandelt. Dass nach diesem Zeitraum die Verhandlungen als gescheitert angesehen würden, verstehe er nicht.

Andreas Bier, Gewerkschaftssekretär IGBCE Bezirk Dortmund-Hagen
Andreas Bier, Gewerkschaftssekretär IGBCE Bezirk Dortmund-Hagen © WP | igbce

Die Entscheidung, die Mitarbeiter nun dem Fortführungskonzept zustimmen zu lassen, gehe mit immensem Druck des Arbeitgebers einher. „Am 1. April ist Judgement Day. Wenn bis dahin nicht 95 Prozent der Mitarbeiter ihre Zustimmung geben, dann wären die vorliegenden Bedingungen nicht finanzierbar und alle Mitarbeiter würden freigestellt. Im Prinzip bedeutet das Quorum für die Mitarbeiter: Entweder sie unterschreiben, oder sie hauen den Sargnagel in das Unternehmen.“ Der Arbeitgeber habe laut Bier Interesse daran, dass die Mitarbeiter unterschreiben und würde dementsprechend auch „Worte finden, die zeigen, wie dramatisch die Situation ist.“ Andreas Bier betont: „Unsere Mitglieder fühlen sich massiv unter Druck gesetzt.“

Ritzenhoff-Mitarbeiter verzichten auf erhebliche monetäre Leistungen

Mehr zum Thema: Ritzenhoff

Daher findet am Dienstagabend, einen Tag vor Fristsetzung der Entscheidung, eine digitale Mitgliederversammlung statt. Man solle über die Konsequenzen der Entscheidung sprechen. „Unterzeichnen die Mitarbeiter, vertrauen sie auf das Konzept des Investors. Dabei verzichten sie aber auf erhebliche monetäre Leistungen, wie die Arbeitsteilzeit oder die Jahressonderzahlung und das auf mindestens ein oder zwei Jahre gesehen.“ Das Konzept sowie die Investition von 25 Millionen Euro verspreche vermeintlich sichere Arbeitsplätze. „Es wird aber Strukturprozesse geben, Automatisierungsprozesse, die dann auch Arbeitskräfte überflüssig machen.“ Entscheiden sich zu wenig Mitarbeiter für das Konzept, werde laut Bier der Investor das Unternehmen nicht kaufen, im schlimmsten Fall würden die Mitarbeiter dann freigestellt, Ritzenhoff würde sofort zumachen. „Natürlich hat der Arbeitgeber erkannt, dass er mit diesem Argument durchkommt und hat seine Machtposition kalt ausgespielt. Der Betriebsrat wurde massiv unter Druck gesetzt.“

Betriebsrat von Ritzenhoff will sich erst nach Entscheidung äußern

Der Betriebsrat will sich bislang noch nicht zum Fortführungskonzept äußern. Vorsitzender Axel Ballez betont, er werde erst Stellung beziehen, wenn die Entscheidung final werde.