Marsberg. Ritzenhoff aus Marsberg-Essentho ist insolvent. Nun folgt eine Restrukturierung. Was bislang über die Situation beim Glashersteller bekannt ist.

Die Ritzenhoff AG hat am Donnerstag (25. Januar) einen Antrag auf Durchführung eines sogenannten Eigenverwaltungsverfahrens beim zuständigen Amtsgericht Arnsberg gestellt. Dieser Schritt in ein Insolvenzverfahren in Eigenregie sei Teil einer umfassenden Strategie zur langfristigen Stabilisierung des Unternehmens im laufenden Geschäftsbetrieb, heißt es in einer Mitteilung. Eigenverwaltung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bedeutet, dass die Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Sachwalters vom Unternehmen selbst verwaltet wird. Robert Tönnies, Neffe des Fleischproduzenten Clemens Tönnies, soll die Inhaberfamilie bei der Restrukturierung des Unternehmens unterstützen. Das Familienunternehmen mit Sitz im sauerländischen Marsberg-Essentho beschäftigt laut eigenen Angaben mehr als 400 Mitarbeiter.

Ritzenhoff: Geschäftsbetrieb wird fortgeführt

Die Einleitung des Eigenverwaltungsverfahrens habe keine Auswirkungen auf die laufenden Geschäftsprozesse der Ritzenhoff AG, teilt die CONSILIUM Rechtskommunikation mit, die die Krisenkommunikation für Ritzenhoff übernommen hat. Sowohl der Vertrieb als auch alle anderen betrieblichen Aktivitäten würden unverändert fortgeführt und ohne Unterbrechung aufrechterhalten. Insbesondere Bestellungen würden wie gewohnt angenommen und bearbeitet. Auch bleibe die Produktion und gesamte Lager- und Lieferlogistik von dieser Entwicklung unberührt, um „den etablierten Service- und Qualitätsstandard beizubehalten“.

Glasproduktion bei der Firma Ritzenhoff: Die steigenden Energie-Preise stellen das Traditionsunternehmen vor neue Herausforderungen.
Glasproduktion bei der Firma Ritzenhoff: Die steigenden Energie-Preise stellen das Traditionsunternehmen vor neue Herausforderungen. © Marsberg | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Ritzenhoff: Was die Insolvenz für die Mitarbeiter bedeutet

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ritzenhoff AG würden unter anderem im Rahmen von Mitarbeiterversammlungen regelmäßig über die Antragstellung und die weiteren Schritte informiert. Außerdem werde ihre finanzielle Sicherheit während des Eigenverwaltungsverfahrens vollumfänglich gewahrt, da ihre Gehälter und Löhne im Rahmen des Verfahrens durch das Insolvenzgeld abgesichert seien, heißt es. Dieser Schritt ermögliche es dem Unternehmen, finanzielle Reserven zu bilden, die für den Sanierungsprozess essenziell seien. Ob es im Rahmen der Insolvenz also zu einem Personalabbau kommen wird, ist derzeit unklar. Zu dieser Frage wollte sich Krisensprecher Martin Wohlrabe am Donnerstag gegenüber der Westfalenpost nicht äußern.

Ritzenhoff: Gründe für das Eigenverwaltungsverfahren

Mit dem Eigenverwaltungsverfahren beabsichtigt die Ritzenhoff AG, das Unternehmen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen neu auszurichten. Die nachteiligen wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre machten eine umfassende Restrukturierung für eine langfristige Sanierung erforderlich. Die Ritzenhoff AG sei als energieintensives Unternehmen besonders von den gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten sowie den Nachwirkungen der Covid-Pandemie betroffen gewesen, welche das Geschäftsumfeld und die Lieferketten nachhaltig belastet und beeinflusst hätte, heißt es in der Mitteilung. Das betreffe auch daraus resultierende Veränderungen im Kunden- und Kaufverhalten, insbesondere im Brauereisektor, die einen tiefgreifenden Strategiewechsel erforderlich machen.

Die Entscheidung zur Eigenverwaltung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber angesichts der aktuellen Lage ist es die richtige Entscheidung für die Zukunft der Ritzenhoff AG, proaktiv zu handeln und unsere Geschäftsstrategien anzupassen. Diese Schritte sind unverzichtbar, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens zu gewährleisten und langfristig erfolgreich zu sein.
Carsten Schumacher, CEO der Ritzenhoff AG

Carsten Schumacher, CEO der Ritzenhoff AG, sagt: „Die Entscheidung zur Eigenverwaltung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber angesichts der aktuellen Lage ist es die richtige Entscheidung für die Zukunft der Ritzenhoff AG, proaktiv zu handeln und unsere Geschäftsstrategien anzupassen. Diese Schritte sind unverzichtbar, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens zu gewährleisten und langfristig erfolgreich zu sein. Wir sind zuversichtlich, dass dieser Prozess unsere Unternehmensstruktur stärken und uns ermöglichen wird, weiterhin höchste Qualität `Made in Germany` zu erbringen.“

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Die Restrukturierung der Ritzenhoff AG werde durch ein Team von Lieser Rechtsanwälte unter der Leitung von Jens Lieser und Dr. Martin Kaltwasser unterstützt, die das Sanierungsverfahren als Generalhandlungsbevollmächtigte begleiten. Beide verfügten über langjährige Erfahrung und Expertise im Bereich des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Jens Lieser erklärt: „Mit der Eröffnung der Eigenverwaltung strebt die Ritzenhoff AG eine grundlegende Sanierung an. Das Eigenverwaltungsverfahren bietet uns die Möglichkeit, die notwendigen Umstrukturierungen effizient und im gemeinsamen Interesse mit den Gläubigern durchzuführen, während der Betrieb weiterläuft. Dies ist ein entscheidender Vorteil, um das Unternehmen zu erhalten und in eine stabile Zukunft zu führen.“

Blick in die Produktion der Firma Ritzenhoff: Extrem hohe Energiekosten sollen ein Grund für die wirtschaftliche Schieflage sein.
Blick in die Produktion der Firma Ritzenhoff: Extrem hohe Energiekosten sollen ein Grund für die wirtschaftliche Schieflage sein. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Dr. Martin Kaltwasser ergänzt: „Alle Beteiligten, insbesondere die Geschäftsführung und die Gläubiger, verfolgen das Ziel, die Phase der Eigenverwaltung und Umstrukturierung so schnell wie möglich zu durchlaufen. Daher ist eine zügige und verlässliche Abstimmung der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten essentiell, um eine erfolgreiche Restrukturierung zu gewährleisten.“

Ritzenhoff: Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters

Dr. Alexander Höpfner von der Kanzlei AC Tischendorf ist vom Amtsgericht zum vorläufigen Sachwalter bestellt worden. Er muss dem Insolvenzgericht Bericht erstatten, ob die Eigenverwaltungsplanung der Riesenhof-Unternehmensführung schlüssig ist und durchführbar erscheint. Das gilt insbesondere für die Finanzplanung. Es muss außerdem etwaige Haftungsansprüche prüfen, heißt es im Bericht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Amtsgerichts. Darüber hinaus prüft der vorläufige Insolvenzverwalter, welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bestehen und ob das schuldnerische Vermögen die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken.

Ritzenhoff: Nächste Schritte

In den nächsten Wochen plant die Ritzenhoff AG das bereits erarbeitete Konzept für einen Übergang in „eine wirtschaftlich stabile Zukunft“ fortzuentwickeln und umzusetzen. Dieses solle die Basis für die erfolgreiche Durchführung der geplanten Restrukturierungsmaßnahmen darstellen. Diesen Prozess wird der Unternehmer Robert Tönnies aktiv unterstützen. Robert Tönnies hatte sich bereits im Herbst 2023 an der Ritzenhoff AG beteiligt, um die Inhaberfamilie bei der Neuausrichtung des Unternehmens zu unterstützen. Auch in der weiteren Restrukturierung und Transformation wird Robert Tönnies das Unternehmen und die Inhaberfamilie begleiten. Die Weichen seien damit gestellt, um die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen erfolgreich durchzuführen und die Sanierung in die Wege zu leiten.