Lüdenscheid/Hagen. Gesperrte Rahmedetalbrücke: Die Ausweichstrecken verfallen weiter. Nun sagt das Land NRW, wo saniert werden soll: die exklusive Liste.
Das NRW-Verkehrsministerium wird am Freitag (5. September) die Liste der Straßen vorlegen, die aufgrund der Sperrung der Autobahn 45 besonders sanierungsbedürftig sind. Die Aufstellung liegt der WESTFALENPOST exklusiv vor - und ist in diesem Artikel als Download zu finden. Das „Sonderprogramm Straßeninfrastruktur Südwestfalen“ umfasst mehr als 120 Einzelmaßnahmen auf Bundes- und Landstraßen mit einer Gesamtlänge von rund 470 Kilometern.
Die A 45 ist seit mehr als zwei Jahren gesperrt, weil die einsturzgefährdete Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid gesprengt werden musste. Seitdem belastet der Umleitungsverkehr die Verkehrswege im Märkischen Kreis, im Kreis Olpe, im Ennepe-Ruhr-Kreis und im Raum Hagen immens.
Sanierung erst nach Freigabe der Autobahn
Mit Ausbesserungsarbeiten ist es nicht getan: Die Straßen müssen grundlegend saniert werden. In den meisten Fällen wird das erst möglich sein, wenn die Sauerlandlinie wieder für den Verkehr freigegeben worden ist; vorher würden Bauarbeiten die ohnehin schon katastrophale Verkehrssituation in der Region weiter verschlimmern. Der Bau der neuen A-45-Brücke wird noch etwa zwei Jahre dauern.
Aufgestellt hat die Sanierungsliste der Landesbetrieb Straßen-NRW, der auch für die Umsetzung der Maßnahmen zuständig ist.
Bei einem Auftakttreffen von Kommunen, Landkreisen, Straßen-NRW, Autobahn GmbH, Bundes- und Landtagsabgeordneten, Wirtschaft und weiteren Betroffenen will NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) das Paket am Freitag, 6. September, in Hagen vorstellen. Petra Beckefeld, Technische Direktorin von Straßen-NRW, wird dabei die Kriterien der Priorisierung erläutern. Betroffen sind auch Brücken und Radwege.
Anschließend sollen die Kommunen die Maßnahmen bewerten und die Umsetzung in einem transparenten Dialogprozess diskutieren. Über Einzelmaßnahmen soll beim ersten Treffen noch nicht gesprochen werden.
Beteiligte sollen „positiv mitwirken“
Die Aufstellung eines nachhaltigen Sanierungskonzeptes sei nur zu bewerkstelligen, „wenn die maßgeblichen Akteure der Region geschlossen hinter dem Sanierungskonzept stehen und bei Planung, Priorisierung und baulicher Realisierung positiv mitwirken“, heißt es in der Einladung zu dem Treffen in Hagen. Das Verkehrsministerium hat die Dortmunder Kommunikationsberatung „Die Dialoggestalter“ mit der Umsetzung der Absprachen beauftragt.
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Über die Gesamtkosten der Maßnahmen gibt es noch keine Aussagen. Experten gehen jedoch davon aus, dass am Ende ein dreistelliger Millionenbetrag in Südwestfalen investiert werden muss.
Das nordrhein-westfälische Verkehrsministerium wollte die Informationen der WESTFALENPOST nicht kommentieren und verwies auf den Auftakt des Dialogprozesses am Freitag.
Sorgenkinder sind rot gekennzeichnet
Die Sorgenkinder sind in der Liste in roter Farbe gekennzeichnet. Rot heißt „ungenügend“. Mit Schulnoten haben der Landesbetrieb Straßen-NRW und das Verkehrsministerium die Straßen kategorisiert, die im Zuge der A-45-Sperrung dringend sanierungsbedürftig sind. Und das sind viele: Die Liste zählt mehr als 120 Projekte auf. Das Wort „Ungenügend“ steht dort 19 Mal. Etwa bei der Landstraße 701 in Ennepetal oder bei der Bundesstraße 236 in Iserlohn und Nachrodt/Wiblingwerde oder bei der Bundesstraße 229 in Balve. Je näher die Verkehrswege Lüdenscheid kommen, dem Zentrum des Debakels, desto ungenügender. In der Stadt selbst haben gleich vier Projekte die schlechtesten Noten bekommen. Insgesamt 23 Mal taucht das Wort „mangelhaft“ in der Tabelle auf.
Die Liste spiegelt aber nicht nur den Straßenzustand wider, sondern auch die Verkehrsbelastung. Über die L 692 quälen sich beispielsweise pro Tag durchschnittlich mehr als 1400 Pkw und mehr als 1000 Lkw durch Lüdenscheid. Derart frequentierte Verkehrswege lassen sich erst sanieren, wenn der Verkehr auf der Autobahn 45 wieder fließen kann – sonst würde sich die jetzt schon unerträgliche Stausituation in der Region weiter zuspitzen. Deshalb hat Straßen-NRW die Projekte priorisiert. 38 Projekte stehen in der Kategorie 1, sollen also vorrangig saniert werden.
Finanzierung wird über Jahre gestreckt
Ob die Wirtschaft und die Kommunen die Einstufungen auch so sehen, ob sie der Liste weitere Projekte hinzufügen wollen, ist nun zu klären. Deshalb startet das Ministerium einen Dialogprozess unter Beteiligung aller Stakeholder. Ziel ist, dass alle sich absprechen und möglichst einen Konsens über die Maßnahmen herstellen, insbesondere über den Zeitraum der Bauarbeiten, denn davon sind in der Regel jeweils mehrere Kommunen betroffen. Außerdem müssen Städte und Kreise auch die Maßnahmen auf ihren eigenen Straßen koordinieren. Und möglicherweise muss auch die Deutsche Bahn mitmischen. Das Ministerium hat für die nun anstehenden Absprachen extra Profis beauftragt: eine Dialogagentur aus Dortmund. Die Taktik von Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne): möglichen Zoff auf die Region verlagern.
Insgesamt 470 Kilometer Straßen in 125 Einzelprojekten zu sanieren, das wird teuer. Eine genaue Kostenaufstellung gibt es noch nicht, heißt es. Aber das Geld werde zur Verfügung gestellt, hört man aus der Landesregierung. Die Ausgaben müssen ohnehin über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Denn eines steht fest: Mit den Folgen der A-45-Sperrung muss die Region noch viele Jahre leben.