Hagen. Viele Vereine schließen Frauen aus: Stefan Tremmel, Oberst des Sauerländer Schützenbundes, sieht Frauen in der Pflicht, das zu ändern.

Die Schützenfestsaison neigt sich dem Ende entgegen – die erste Saison, die Stefan Tremmel (54) aus Arnsberg-Holzen als Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes erlebte. Gleichzeitig ist Tremmel noch Oberst des Kreisschützenbundes Iserlohn. Ein Gespräch über Frauen in Schützenbruderschaften, über Aufbruch und Tradition.

Was bleibt Ihnen aus dieser Schützenfestsaison vor allem in Erinnerung?

Ich bekomme fast ausnahmslos positive Rückmeldungen. Mir gefiel, dass sehr viele junge Menschen Mitte bis Ende 20 unter die Stange gehen und sagen: Jawohl, ich will gern Schützenkönig werden. Dass es dadurch an vielen Orten auch junge Hofstaate gibt, die sich einbringen. Das ist ein Trend der Jahre nach Corona, der anhält.

Junge Menschen, die sich einbringen – klingt nicht gerade wie eine Selbstverständlichkeit.

Das ist gewiss keine Selbstverständlichkeit. Das hat damit zu tun, dass die Menschen das erhalten wollen, was einen Ort ausmacht. Das Schützenfestwesen ist einer der wichtigsten Kulturträger vor allem in dörflichen Gemeinschaften. Für das Schützenfest kommen geographisch getrennte Freunde und Familienangehörige wieder zusammen. Viele junge Menschen wollen das bewahren. Deshalb besuchen sie nicht nur die Feste, sondern engagieren sich aktiv zum Beispiel im Vorstand. Da sind viele, die 30 oder 40 sind. Das nehme ich positiv wahr.

Stefan Tremmel, Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes

„Ach, das ist doch eine Mär, dass man als König alle aushalten muss und ein Vermögen loswird. “

Stefan Tremmel

Das klingt als müsste man sich über Nachwuchs keine Sorgen machen. Dabei gibt es Vereine, die genau das beklagen. In Brilon-Messinghausen fand sich beim Vogelschießen lange keiner, der es machen wollte. Und dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall.

Dass da vielleicht mal ein Vogel auf der Stange bleibt, haben wir in den zurückliegenden Jahrzehnten immer mal gehabt. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Vereine finden sich aber immer zwei, drei, die am Schießwettbewerb bis zum Schluss teilnehmen. Das würde ich nicht als bedenklich betrachten.

Viele schrecken die Kosten des Königseins offenbar ab.

Ach, das ist doch eine Mär, dass man als König alle aushalten muss und ein Vermögen loswird. König zu sein, ist das, was man draus macht und machen möchte. Viele Vereine gehen mittlerweile andere Wege. Es gibt Zuschüsse, gemeinsame Sparmodelle oder die Kosten werden auf mehrere Schultern verteilt. Das funktioniert. Jeder soll ja die Möglichkeit haben, keiner soll von vornherein ausgeschlossen werden.

Gutes Stichwort: niemanden ausschließen. Viele Vereine tun genau das immer noch qua Satzung mit Frauen. Sie dürfen vielerorts nicht Mitglied werden, nicht am Umzug teilnehmen, nicht mitschießen. Ist das noch zeitgemäß?

Letztlich müssen Frauen das Thema auf die Agenda heben und beurteilen, ob das noch zeitgemäß ist. Sie sollten sich bei Interesse an die Vereine wenden.

Sie sehen die Frauen in der Pflicht, nicht die Vereine?

Nur dem, der redet, kann geholfen werden. Wenn das Thema aufkommt, wird es diskutiert und gelöst. Das ist ja nicht nur im Sauerland so, sondern auch in anderen Schützenverbänden.

Weitere Themen aus der Region:

Im Marsberger Ortsteil Oesdorf schlossen sich vor wenigen Wochen drei junge Frauen mit Schützengewehr verbotenerweise dem Festzug an. Angeblich handelte es sich um einen Spaß, aber es wirkte wie ein stiller Protest. Das heizte die Debatte wieder an.

Das Thema Frauen in Schützenvereinen ist kein neues, das gibt es seit vielen Jahren und Jahrzehnten. Letzten Endes wird sich jeder Verein und jede Bruderschaft selbst die entscheidenden Fragen stellen: Inwieweit möchten wir Frauen mit einbinden, inwieweit möchten Frauen eingebunden sein? In meiner Heimatbruderschaft Arnsberg-Holzen zum Beispiel möchten die meisten Frauen gar nicht aktiv mitmachen, das weiß ich aus vielen Gesprächen. Dennoch ist unser Vereinsvorstand gesprächsbereit und hat die Jugendabteilung nun auch für junge Frauen geöffnet.

Die Frauen in Arnsberg sind aber nicht zwingend repräsentativ? Es gibt auch andere Beispiele, oder?

Natürlich. In Medebach ist zuletzt eine größere Gruppe junger Frauen – mindestens zehn an der Zahl – in den Verein eingetreten. Der 200 Jahre alte Schützenverein Langewiese im Kreisschützenbund Brilon hat seit über 50 Jahren eine eigene Damenabteilung. Auch in vielen Schützenvereinen und -bruderschaften im Kreisschützenbund Iserlohn und Soest gibt es seit Jahrzehnten die Möglichkeit, dass Frauen aufgenommen werden können. Im Kreisschützenbund Iserlohn engagieren sich auch zwei Damen im Kreisvorstand: die stellvertretende Kreiskassiererin und die Kreisjugendsprecherin, die vor einigen Wochen sogar Stadtschützenkönigin von Schwerte geworden ist. Viele Vereine haben sich mittlerweile für Frauen geöffnet. Es ist also Quatsch, wenn man sagt, Schützen wollten keine Frauen aufnehmen. Wir können nicht Respekt und Toleranz predigen - und dann nicht vorangehen. Die Schützen sind auf dem Weg in die richtige Richtung.