Iserlohn. Die Nachfrage nach den Mini-Mobilen, die schon Jugendliche fahren dürfen, steigt. Was für sie spricht - und wann sie ein Risiko sind.

Manche Sätze entfalten ihre volle Wirkung erst, wenn man weiß, wer ihn ausspricht. „Ich“, sagt Timon Bornhalm, „könnte gar nicht mehr ohne mein Auto.“ Timon Bornhalm kommt aus Iserlohn. Beruf: Schüler. Alter: 15 Jahre. Wie denn? Was denn? Was hat der mit Autofahren zu schaffen?

Seit dem vergangenen Dezember verfügt Timon über ein Miniauto der Marke Aixam. Diesel, zwei Zylinder. Ein Moped-Auto wie man auch sagt, oder in ganz offiziellem Amtsdeutsch: ein Leichtkraftfahrzeug. Spitzengeschwindigkeit: 45 km/h, zwei Sitze, fahrbar schon von Jugendlichen ab einem Alter von 15, die einen Führerschein für Roller und Moped haben (Kosten: 500 bis 1200 Euro).

Seit Juli 2021 dürfen Jugendliche die Mini-Autos fahren

Möglich macht dies eine Gesetzesänderung, die im Juli 2021 in Kraft trat. Aber erst jetzt rücken die Wägelchen spürbar ins Bewusstsein der Menschen. Auf den Parkplätzen von Fußballvereinen sieht man die Autos mit dem 45-Aufkleber am Heck vermehrt, vor Schulen - und natürlich auf den Straßen.

„Die Verkaufszahlen sind deutlich gestiegen“, sagt Alexander Hillebrand, stellvertretender Geschäftsführer des „Autohaus Gamma“ in Rüthen im Hochsauerland, einem bundesweit agierenden Anbieter von Moped-Autos. „Die Nachfrage steigt“, sagt auch Maximilian Rößler, Prokurist beim ARO-Autohaus in Hagen, wo man die Minicars ebenfalls kaufen kann.

„Es ist wirklich unbeschreiblich. Dieses Freiheitsgefühl…! Ich wollte sofort überall hin, wo man sonst nur mit dem Bus hinkam.“
Timon Bornhalm (15), - Fahrer eines Mini-Autos

„Es ist wirklich unbeschreiblich. Dieses Freiheitsgefühl…! Ich wollte sofort überall hin, wo man sonst nur mit dem Bus hinkam“, sagt Timon Bornhalm. Für ihn ist das mehr als ein bloßes Ding auf vier Rädern: Es ist Selbständigkeit, Grenzenlosigkeit, das Tor in eine andere Erlebniswelt. Jugendliche sind die Hauptzielgruppe für die Verkäufer – beziehungsweise deren Eltern, die sich das leisten können und wollen.

Gefahr des Leichtmobils: Andere Verkehrsteilnehmer schätzen es falsch ein

Denn: Es ist kein ganz günstiges Vergnügen. Ab 10.000 Euro aufwärts muss man in der Regel für die Basismodelle aufwenden. Extras wie Ledersitze, Klimaanlage, Servolenkung können dazukommen. „Die Bedienung ist wirklich sehr einfach, damit kommt der unerfahrenste Fahrer klar. Schalter nach vorn für vorwärts, Schalter nach hinten für rückwärts“, sagt Verkäufer Rößler: „Und trotzdem kann man sie fast als vollwertige Autos betrachten.“ Fast, sagt er.

Kein Tüv, keine Steuern

Neben Jugendlichen gibt es weitere Zielgruppen für die Mini-Autos: Senioren, die kein großes Auto mehr fahren wollen, Enthusiasten und Menschen, die laufende Kosten sparen wollen, denn die Moped-Autos unterliegen weder der KfZ-Steuer noch müssen sie zum Tüv. Ein Versicherungskennzeichen ist allerdings notwendig.

In der Anschaffung seien die Autos recht teuer, räumt Maximilian Rößler vom ARO-Autohaus in Hagen ein: „Allerdings sind die Fahrzeuge sehr wertstabil. Wenn das Kind aus dem Auto rausgewachsen ist, lässt es sich ohne großen Verlust wieder verkaufen.“ Er empfiehlt einige wenige Übungsfahrten vor der ersten Fahrt von Jugendlichen mit den Autos. Fahrschülen böten diese sogar an.

Aber genau dort steckt auch eine Gefahr: Sie sind eben nicht, was sie zu sein scheinen. Sie sind kein Auto, sondern nur ein besserer Roller. Sie sind deutlich leichter, kleiner und langsamer, „weshalb eine Unterschätzung im Straßenverkehr nicht auszuschließen ist“, mahnt Janine Lollert vom ADAC Westfalen. Außerorts „können sie als Hindernis oder Störfaktor wahrgenommen werden, was zu Unsicherheiten und sogar zu gefährlichen Situationen führen“ könne. Zudem weist der ADAC darauf hin, dass die Hersteller der Leichtmobile qua Gesetz keine Crashtests durchführen müssen. Statistiken zur Unfallhäufigkeit der Moped-Autos liegen selbst dem ADAC bisher nicht vor.

Mit dem Auto zur Schule, zum Hobby, zu Freunden

Timon Bornhalm fährt mit seinem Auto jeden Tag zur Schule. Acht Kilometer seien das – und die Busverbindungen schlecht. „Der Bus hält fast in jedem Dorf und in jeder Nebenstraße. Damit ist er über eine Stunde unterwegs“, sagt Timons Papa Patrick. Sicher, trocken und warm sei sein Sohn mit dem Auto unterwegs – anders als mit einem Roller oder auf dem Fahrrad. „Es fördert zudem seine Unabhängigkeit und Selbstständigkeit – und wenn er den richtigen Führerschein macht, dann hat Timon schon jede Menge Übung.“

Kann man wohl sagen. Denn Timon fährt gern Mountainbike, nimmt an Downhillrennen teil. Für sein Hobby fährt er manchmal von Iserlohn aus nach Winterberg und Willingen und Schmallenberg, weil es dort tolle Strecken gibt. Manche Strecke ist über 100 Kilometer lang, alles über Landstraße versteht sich. Mehr als zwei Stunden kann das dauern.

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Wird man auf einer Landstraße, auf der 70 oder 100 Stundenkilometer zugelassen sind, nicht zum Verkehrshindernis mit 45 km/h? Vielleicht sogar zum Risiko? Nein, sagt Timon. „Wenn ich sehe, dass sich hinter mir eine Schlange bildet, dann fahre ich bei Gelegenheit entspannt rechts ran und lasse alle vorbei. Meistens fahre ich eh recht weit rechts, dann bin ich ohne Gegenverkehr leicht zu überholen.“

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Ob ihn das stresst? Oder die anderen? „Neee, alles ganz entspannt“, sagt er. „Bei meinem Auto wird aber etwas mehr geguckt.“ Kann aber auch daran liegen, dass er das Truck-Modell von Aixam gekauft hat: mit Ladefläche. Eigentlich ein Auto für zum Beispiel Gartenbaubetriebe. Zusammen mit seinem Papa hat er ein kleines Wohnmobil draus gebaut: Zelt auf dem Dach, Wohnbereich mit Kühlschrank, Herd und Spülbecken auf der Ladefläche.

Umstellung vom Zweirad aufs Moped-Auto kein Problem

Timon sagt, er sei der erste in seinem Freundeskreis gewesen, der so ein Auto zur Verfügung habe. Mittlerweile hätten zwei, drei Freunde ebenfalls einen 45er. Gemeinsam geht’s dann mal auf einen Ausflug zum Möhnesee. Wenn es über Landstraße länger dauert, macht ihm das nichts. „Der Weg ist das Ziel.“

Die Umstellung vom Zweirad, auf dem die Prüfung abgelegt wird, aufs Mini-Auto sei übrigens kein Problem. „Ganz am Anfang war es ein bisschen komisch, aber schon nach fünf Minuten ist‘s leicht“, sagt Timon. Es empfehle sich durchaus, nicht sofort am dichtesten Straßenverkehr teilzunehmen, sondern erst noch etwas auf ruhigeren Strecken zu üben, sagt Papa Patrick: „Wir wollten auch gern auf den Verkehrsübungsplatz in Iserlohn, um dort zu üben.“ Aber? „Da darf man erst ab 16 Jahren fahren.“