Hagen. Warum vier Monate vor dem Fußball-Turnier in Deutschland die Stimmung vor allem in Iserlohn gut ist - und wo Skepsis herrscht.

Es war wie ein Spiel, eines, bei dem man nicht weiß, ob man gewinnt oder nicht. Aber alle Bedenken, alle Zweifel sind seit einigen Wochen hinfort. „Unsere Begeisterung ist groß, weil es eine so prominente Nationalmannschaft geworden ist, die wir begrüßen dürfen“, sagt Susanne Schlüter von der Eigentümerfamilie des Hotels Vierjahreszeiten in Iserlohn. Denn die Viersterne-Herberge im Sauerland bekommt während der Europameisterschaft in Deutschland im kommenden Sommer den viermaligen Weltmeister Italien ins Haus. Fantastico! Mindestens.

Das letzte große Fußball-Turnier in Deutschland war die WM 2006, das Sommermärchen, eine schwarz-rot-goldene Glücksgeschichte, bei der es nur Gewinner gab - und wer Weltmeister wurde? Klar, Italien. Wie wird das dieses Mal? Auf was kann NRW, auf was kann Südwestfalen hoffen an Werbewirkung, an Hotelübernachtungen, an Aufmerksamkeit?

Iserlohn hofft auf höheren Bekanntheitsgrad durch die EM

Vier Monate vor dem Anpfiff bleibt das zumeist ein Rätsel - und Vorsicht offenbar der beste Ratgeber. Nur in Iserlohn ist man recht sicher, dass das ein guter Sommer wird. „Wir glauben schon, dass der Name Iserlohn und der unseres Hotels ein bisschen bekannter wird, nicht nur in Richtung Italien“, sagt Susanne Schlüter. Schon jetzt könne man an der Herkunft und der Menge der Aufrufe auf der eigenen Homepage sehen, dass das Interesse steige.

In Iserlohn gibt es vermutlich nicht mehr viele freie Zimmer zur Zeit der EM.
Alexandra Schenk, Hoteldirektorin im Vierjahreszeiten in Iserlohn

Die italienische Delegation hat das gesamte Haus gebucht, alle 130 Zimmer. Die Entscheidung für Iserlohn fiel erst vor wenigen Wochen. Danach, sagt Hoteldirektorin Alexandra Schenk, sei „es etwas ruhiger bei uns geworden“. Womöglich die Ruhe vor dem Sturm: „Wir erwarten in den kommenden Wochen erneut einen Besuch einer Delegation, um an die Detailplanung zu gehen: Wie werden die zeitlichen Abläufe sein, wie die Speisepläne, wo wird was eingerichtet.“ Räume für Besprechungen und Massagen braucht‘s, Gemeinschafts- und Rückzugsräume für die sensiblen und millionenschweren Stars wie Kapitän und Torwart Gianluigi Donnarumma. Si claro.

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Erstmals kommt eine Fußball-Mannschaft ins Vierjahreszeiten nach Iserlohn. „Es ist immer mutig, wenn man etwas zum ersten Mal macht“, sagt Susanne Schlüter. Die Bewerbung laufe seit zwei Jahren, Arbeit steckt darin - und das Hotel musste und muss bis zum Turnierende geblockt werden. Es hätte also auch sein können, dass niemand nach Iserlohn komme. „Aber: Für uns ist es eine große Chance, daher haben wir uns in dieses Abenteuer gestürzt.“

Millionenschwere, prominente Gäste: Der italienische Mannschaft wird im Hotel Vierjahreszeiten in Iserlohn exklusiv wohnen. Keine anderen Gäste können in der Zeit ein Zimmer buchen.
Millionenschwere, prominente Gäste: Der italienische Mannschaft wird im Hotel Vierjahreszeiten in Iserlohn exklusiv wohnen. Keine anderen Gäste können in der Zeit ein Zimmer buchen. © imago/Action Plus | imago sport

Nebeneffekt eins: Wenn sich das Vierjahreszeiten einen Ruf als feine Adresse für Fußballer macht, dann gastiert vielleicht auch mal ein Klub dort, der in Dortmund gegen den BVB Champions League spielt. Oder ein anderer Fußballverband, der in der Region zum Länderspiel gegen Deutschland antritt. Nebeneffekt zwei: Da das Vierjahreszeiten über Wochen geblockt ist, können auch umliegende Häuser profitieren. „In Iserlohn gibt es vermutlich nicht mehr viele freie Zimmer zur Zeit der EM“, mutmaßt Schenk. Die Stadt hat Arbeitsgruppen eingerichtet, die Konzepte erarbeiten sollen, um das Gastgeberdasein mit weiterem Leben zu füllen.

Wenn der BVB in Dortmund spielt, spürt man das in Hagen

„Wenn ein Spiel des BVB stattfindet, dann merken das unsere Hotels auf jeden Fall jedes Mal“, sagt Kirsten Fischer, bei der Stadt Hagen verantwortlich für Stadtmarketing und Tourismus. Soll heißen: Auch in Hagen geht man von steigenden Übernachtungszahlen während des Turniers aus. Zwar beherbegt die Stadt keine Nation, liegt aber geografisch noch näher am Spielort Dortmund. Schon jetzt gäbe es einzelne Anfragen in den Hotels, sagt Fischer. „Ich denke schon, dass wir diesen EM-Effekt spüren werden.“

Die Preise für eine Übernachtung seien - gerade im Vergleich mit dem Ruhrgebiet - moderat. Das könnte ein Plus sein. Die Ruhr Tourismus GmbH baue gerade eine Internetseite zur EM auf, auf der sich alle Städte präsentieren könnten mit ihren Freizeitaktivitäten, Gastro- und Public-Viewing-Angeboten. Hagen soll dort auch erscheinen. Eine Abfrage in den Betrieben laufe gerade, so Fischer.

Paradox: In Herdecke herrscht wenig Zuversicht

Paradox: Noch näher an Dortmund liegt Herdecke. Doch dort hält sich die Hoffnung auf ein Stück vom Kuchen in Grenzen. Der Wirtschaftsförderung ist auf Nachfrage bislang „kein besonderes Interesse“ - im Sinne von gestiegener Nachfrage - bekannt. Jennifer Pfingsten, Direktorin im Hotel Zweibrücker Hof, sagt: „Noch ist es sehr ruhig. Ich weiß nicht so ganz genau, was wir erwarten sollen. Natürlich wäre es schön, Besucher des Turniers begrüßen zu dürfen.“ Aber vom großen Ding geht auch sie nicht aus.

Grund: Die NRW-Spiele finden im Ruhrgebiet - Dortmund und Gelsenkirchen - sowie im Rheinland - Köln und Düsseldorf - statt. Große Städte, in denen die Fans vor Ort sein wollen. Große Städte, die schon viele Hotelbetten bieten. Dortmund aber zum Beispiel ist ausgebucht - beziehungsweise längst überteuert. Eine Nacht im nicht gerade noblen Hotel Senator kostet am kommenden Wochenende 68 Euro - am EM-Spieltag aber 553 Euro.

Städtische Ballungszentren im Fokus der Fans

Doch dass es Gäste dann ins Sauerland verschlage, sei eher unwahrscheinlich, sagt Rouven Soyka vom Sauerland-Tourismus. Er habe jüngst erst an einem Seminar der Industrie- und Handelskammer teilgenommen mit dem Titel: „Der Kick für NRW - Chancen der UEFA Euro für Tourismus und Handel“. Wenn also die Frage sei, was das Sauerland erwarten könne, dann sei das eher: „Nicht ganz so viel. Die städtischen Ballungszentren stehen im Fokus der Fußball-Interessierten. Dort wollen sie sein“, sagt Soyka: „Die S-Bahn in die Stadt ist ihnen nachvollziehbarer Weise wichtiger als der Balkon im Grünen, den es eher bei uns gibt.“ Ist so, scusi.