Bad Berleburg. Gibt es doch noch eine Chance für die freilebenden Wisente im Rothaargebirge? Wie Befürworter das hinbekommen wollen - und was die Gegner sagen.
Am Tag, an dem es deutschlandweit die Schlagzeilen vom wahrscheinlichen Ende der Wisent-Auswilderung im Rothaargebirge gibt, könnte man einen niedergeschlagenen, einen resignierten Paul Breuer erwarten. Der inzwischen 72-Jährige gilt als einer der Väter des Wisent-Projekts, als Antreiber für die Auswilderung. Kritiker würden sagen: Als einer, der das Projekt durchgepeitscht hat, trotz drohender Probleme und gegen erwartbare Widerstände im Hochsauerland.
Doch dieser Paul Breuer ist nicht niedergeschlagen. Ja klar, enttäuscht sei er schon wegen der jüngsten Entwicklung. Aber sonst wirkt er kampfeslustig und durchaus siegessicher: „Ich glaube, dass es eine große Chance gibt, dass die Wisente weiter in der Wildnis leben können“, ist seine Einschätzung im Gespräch mit unserer Zeitung. „Und ich sage auch: Bürger und Verbände: Erhebt Euch. Kämpft dafür, dass dieses Projekt bleibt. Die Wisente sind eine Bereicherung für das Rothaargebirge.“ Breuer saß mehr als 20 Jahre lang für die CDU im Bundestag, Schwerpunkt Verteidigung. Danach war er von 2003 an elf Jahre lang Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, bis er die Wahl verlor gegen den erheblich jüngeren SPD-Kandidaten Andreas Müller, der auch jetzt – dazu später mehr – wieder ein Rolle spielt.
Heute ist Breuer, wie er betont, nur noch einfaches Mitglied im Wisent-Trägerverein. Doch schnell wird klar, wie tief er auch aktuell im Stoff ist: „Die Tiere sind jetzt herrenlos, nachdem der Trägerverein seinen Besitz an ihnen aufgegeben hat. Und weil sie kein jagdbares Wild sind, unterliegen sie dem strengen Artenschutzrecht. Wenn nun gesagt wird, das Projekt solle abgewickelt und die Tiere eingefangen werden, dann geht das einfach nicht. Das ist nach der FFH-Richtlinie nicht möglich.“
Kölner Zoo als Partner geholt
Ob Bernd Fuhrmann, Bürgermeister der Wisent-Stadt Bad Berleburg und heute Vorsitzender des Trägervereins, diesen Optimismus im tiefsten Inneren teilt, bleibt ungewiss. Er will sich nicht äußern, schickt nur eine Mitteilung und lässt den Vereinssprecher Fragen beantworten. Ja, es sei die letzte Chance gewesen, die Wisente in freier Natur zu retten. Der Verein habe sich immer und intensiv um eine einvernehmliche Lösung gekümmert, habe mit dem Kölner Zoo und der Deutschen Wildtierstiftung höchst kompetente neue Partner gewinnen können. Aber als immer klarer geworden sei, dass ein Einvernehmen zwischen den Projektpartnern, zu denen das Land und der Kreis Siegen-Wittgenstein gehören, nicht zustande komme. Als dann auch noch die Gegenseite, die vor Gericht siegreichen Waldbauern, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem 30. September angekündigt hätten, wenn die Tiere erneut Wildschäden verursachten, da sei nur noch dieser Schritt möglich gewesen: Der Verein gibt sein Eigentum an den wilden Tieren auf, die Wisent-Wildnis, ein Schaugehege mit wald- und wildpädagogischem Angebot sowie Gastronomie bleibe aber bestehen.
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Alles also quasi eine Notwehrhandlung? Andreas Müller sieht das anders. Er ist der SPD-Mann, der Paul Breuer das Landratsamt streitig machte. Seine Kreisverwaltung hatte am Mittwoch verkündet, dass das Projekt nun abgewickelt werde. Und er muss sich schon länger Vorwürfen erwehren, er wolle die Wisente, die sein Vorgänger so vehement nach vorn getrieben hat, gar nicht wirklich, setze sich nicht genug ein. Der 39-Jährige weist das entschieden zurück: „In den acht Jahren meiner Amtszeit begleitet mich das Thema jetzt schon. Ich habe unzählige Gespräche geführt, immer wieder versucht die Interessen zu verbinden und zu einer Lösung zu kommen, aber irgendwann muss man auch zu einem ehrlichen Ergebnis kommen. Und das heißt: Es kann hier zu keiner einvernehmlichen Lösung kommen. Es klappt nicht alles, was man sich vornimmt.“ Gemünzt ist dies auf den Trägerverein. Der habe es nicht geschafft, ausreichend professionelle Strukturen zu schaffen, von der Kooperation mit dem Kölner Zoo und der Wildtierstiftung kenne man immer noch nicht mehr als die Absichtserklärung.
Ist der Schritt, die Tiere in die Herrenlosigkeit zu schicken, trotzdem ein genialer Trick des Trägervereins? Müller spricht von einem Schritt zu Lasten Dritter, nämlich des Landes, den der Verein hier einfach unternommen habe. Seine Kreisverwaltung hatte zuvor erklären lassen, dass dies ein „rechtlicher Kniff“ sei, dem man so „nicht hinnehmen“ werde. Auch der Hochsauerlandkreis will das Verhalten des Trägervereins prüfen, Hans-Jürgen Thies, Rechtsanwalt eines der klagenden Waldbauern, sieht im Handeln der Vereins-Vorstands gar einen Fall für den Staatsanwalt. Wie dies ausgehen wird, wer Recht behalten wird: Das scheint ungewiss.
Minister Krischer sagt nichts
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Auch das zuständige NRW-Umweltministerium zeigt sich zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten. Der neue Minister Oliver Krischer von den Grünen will sich nicht persönlich äußeren. Es bleibt bei der eher allgemeinen Erklärung: „Das Ministerium bedauert die jüngste Entwicklung rund um das Wisentprojekt. Der angekündigte Schritt seitens des Trägervereins wirft vertragsrechtliche, artenschutzrechtliche und finanzielle Fragen auf, die es jetzt zu klären gilt.“
Bleibt die Frage, ob das Projekt in ganz andere, ruhigere Fahrwasser geraten wäre, wenn von Beginn an die Sauerländer Seite mehr einbezogen worden wäre. Ex-Landrat Paul Breuer sieht da kein generelles Versäumnis: „Sicher sind auch Fehler gemacht worden. Aber ich bekenne mich ganz ausdrücklich nicht schuldig, nicht genug mit allen Seiten geredet zu haben.“