Wittgenstein. Eine herrenlose Herde – was das eigentlich bedeutet und wie es für die Tiere und auch das Schaugehege jetzt weitergeht.
Es ist ein Paukenschlag, der weit über Wittgenstein hinaus zu hören war. Das Projekt „Wisente am Rothaarsteig“ soll beendet werden. Der Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. könne, so die Ansicht des KreisesSiegen-Wittgenstein, die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Weiterführung nicht schaffen. Zudem sei ein Konsens für eine Weiterführung in der Region nicht möglich. Aber was bedeutet in diesem Zusammenhang „herrenlos“ – und was heißt das nun für die Wisente?
- Beendet: Das Wisent-Projekt am Rothaarsteig wurde für beendet erklärt
- Gescheitert: Warum die Wisent-Auswilderung im Eklat endet
- Erklärt: Das sagt der Trägerverein zu seinem folgenschweren Schritt
- Umfrage: Halten Sie das Ende des Projekts für die richtige Entscheidung?
Herrenlos – Begriff beschreibt die rechtliche Verantwortung
Der Trägerverein hat die Herde am Mittwoch als herrenlos erklärt und die Kündigung der bisherigen Vereinbarung erklärt – das bedeutet laut bürgerlichem Gesetzbuch zunächst einmal folgendes: „Erlangt ein gefangenes wildes Tier die Freiheit wieder, so wird es herrenlos, wenn nicht der Eigentümer das Tier unverzüglich verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgibt. Ein gefangenes wildes Tier wird dann herrenlos, wenn es die Freiheit wiedererlangt und es nicht unverzüglich zurückgeholt wird oder zurückgeholt werden soll.“ Rein rechtlich ist für herrenlose Tiere also zunächst niemand verantwortlich.
Beispielhaft ein Blick zurück nach Jahr 2014 und 2019: Das Schmallenberger Amtsgericht entschied bereits 2014, dass die freilebenden Wisente herrenlos seien. Damals hatte ein Schmallenberger Waldbauer eine Einstweilige Verfügung gegen den Wisent-Verein erwirkt, die den Verein verpflichten sollte, die Wisente mit „geeigneten Maßnahmen“ am Betreten der Grundstücke des Waldbauern zu hindern, um Schälschäden an dessen Bäumen zu vermeiden. Der Wisent-Verein hatte dagegen jedoch Widerspruch eingelegt. In diesem Widerspruch erklärte der Verein dass die Tiere seit ihrer Freisetzung 2013 schon als herrenlos zu betrachten seien. Daraufhin wurde die Verfügung eingestellt.
2019 hingegen entschied der Bundesgerichtshof, die Herde sei doch nicht herrenlos – es handele sich hier vielmehr um eine Erprobungsphase des Projekts, die Herde ist also rechtlich weiterhin Eigentum des Vereins. Der Verein habe 2013 in dem mit dem Landkreis, der Bezirksregierung, dem Landesbetrieb Wald und Holz sowie dem Eigentümer des Projektgebietes abgeschlossenen öffentlich-rechtlichem Vertrag die Verantwortung übernommen und sich zu einer umfassenden Überwachung und Steuerung der Tiere verpflichtet.
Diese Verantwortung hat der Verein jetzt aufgegeben: „Sie unterliegen jetzt dem strengen Artenschutzrecht und fallen in die Zuständigkeit des Landes NRW. Diese beiden Schritte – Vertragskündigung und Eigentumsaufgabe – waren für den WisentVerein die letzte Möglichkeit, das Artenschutzprojekt zu retten und den Wisenten im Rothaargebirge eine Zukunft in Freiheit zu geben. Damit sieht der WisentVerein das Wiederansiedlungs-Projekt zugleich als abgeschlossen und seine diesbezügliche Aufgabe als beendet an“, heißt es dazu in der Pressemitteilung des Vereins.
Wie geht es weiter mit den Tieren?
Zu einem möglichen Szenario äußerte sich gegenüber der WP zuletzt Landrat Andreas Müller(wir berichteten).
So könnte die Abwicklung des Projekts so aussehen, dass die Tiere in ein Gatter gelockt und von dort in andere Artenschutzprojekt gebracht werden. Das Schaugehege in Bad Berleburg könne erhalten bleiben. Das Besucherareal „WisentWildnis am Rothaarsteig“ sei davon nicht betroffen: Es hat weiter wie gewohnt geöffnet.