Bad Berleburg. Das Wisentprojekt polarisiert bis zum Schluss. Jetzt meldet sich der Anwalt der Waldbauern und fährt schweres Geschütz auf.
Der Wisentverein sieht es als „letzten Schritt zur Rettung der Wisente“, Teile der Steuerungsgruppe – wie die Landräte der Kreise Siegen-Wittgenstein und des Hochsauerlandkreises – sehen es als Vertragsbruch. Mit einem Knalleffekt, einem politischen Eklat wird das Ende eines europaweit beachtete Artenschutzprojektes eingeleitet. Dabei gehen die Sichtweisen weit extrem auseinander.
Nach Informationen dieser Zeitung hatte es in der vergangenen Woche mehrere Treffen der so genannten Steuerungsgruppe gegeben in denen diskutiert werden sollte, wie die Vorgaben aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes umgesetzt werden könnten, um die Wisente davon abzuhalten, Grundstücke der klagenden Waldbauern zu betreten oder deren Buchen zu schälen. Bislang hatten alle Beteiligten Stillschweigen gewahrt. Offenbar war es aber zu keiner Einigung gekommen. Und so endeten die Gespräche eben im Eklat.
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Der Trägerverein äußert sich nun in einer Pressemitteilung wie folgt: „Nach dem Eintritt der Rechtskraft der Urteile und der dann erfolgten Androhung von Zwangsgeldern durch die Klägerseite wäre aus Sicht des Vereins eine schnelle und konstruktive Zusammenarbeit der Vertragspartner dringend erforderlich gewesen, um das Projekt auf einer neuen vertraglichen Grundlage in die von allen angestrebte Phase der Herrenlosigkeit zu überführen. Dieser politische Wille ist in den vergangenen Sitzungen bei den Vertragspartnern jedoch nicht erkennbar gewesen.“ Gleichzeitig berichten Beteiligte dieser Redaktion aber auch, dass von Seiten des Vereins keine Vorschläge über eine mögliche Vorgehensweise gemacht worden seien.
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Stattdessen tritt der Verein die „Flucht nach vorn“ an und erklärt: „Der Wisent-Trägerverein hat den ,öffentlich-rechtlichen Vertrag für die Freisetzungsphase ,Wisente im Rothaargebirge’ gekündigt. Gleichzeitig hat er das Eigentum an den frei lebenden Tieren aufgegeben. Damit sind die Wisente nun herrenlos. Sie unterliegen jetzt dem strengen Artenschutzrecht und fallen in die Zuständigkeit des Landes NRW.“ Und weiter führt der Verein aus: „Diese beiden Schritte – Vertragskündigung und Eigentumsaufgabe – waren für den Wisent-Verein die letzte Möglichkeit, das Artenschutzprojekt zu retten und den Wisenten im Rothaargebirge eine Zukunft in Freiheit zu geben. Damit sieht der Wisent-Verein das Wiederansiedlungsprojekt zugleich als abgeschlossen und seine diesbezügliche Aufgabe als beendet an.“
Scharfe Kritik
Von dieser Vorgehensweise wurden die Steuerungsgruppe überrascht – und hat ihrerseits über eine Pressemitteilung am Mittwochabend erklärt, das Auswilderungsprojekt nun beenden zu wollen. Hintergrund sind erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise.
Gestützt werden diese Zweifel erwartungsgemäß auch von Hans-Jürgen Thies, dem Rechtsanwalt eines der klagenden Waldbauern. Thies sagt: „Ich finde das verantwortungslos. Der Verein verhält sich vertragswidrig und die Staatsanwaltschaft sollte ermitteln. Der Vorstand des Vereins muss jetzt auch den persönlichen Druck spüren.“
Der Rechtsanwalt der klagenden Waldbauern erläutert, dass der Verein nicht einseitig die Herrenlosigkeit der frei umherstreifenden Wildrinder erklären könne. Dazu hätte es nach dem öffentlich-rechtlichen Vertrag einer Einschätzung der Steuerungsgruppe über den Erfolg der Auswilderung bedurft. Erst im Nachgang hätten die Tiere für herrenlos erklärt werden dürfen. Thies macht deutlich: „Der Verein erklärt damit, dass er nicht willens oder in der Lage ist, die Verpflichtungen aus dem OLG-Urteil umzusetzen.“ Für seine Forderung nach staatsanwaltlichen Ermittlungen nennt Thies zwei rechtliche Grundlagen: den Paragrafen 3, Absatz 3 Tierschutzgesetz, der Strafen androht, falls man Tiere aus seiner Obhut sich selbst überlässt. Und den Paragrafen 40 Bundesnaturschutzgesetz, der die Freisetzung von geschützten Tierarten ohne behördliche Genehmigung als unzulässig erklärt.
Im Gegensatz dazu führt der Verein aus, dass der Status der Herrenlosigkeit erlangt sei und die Tiere nunmehr nach den Regelungen des besonderen Artenschutzrechts streng geschützt und damit auch von den Waldbauern wieder zu dulden seien.
Wie geht es jetzt weiter?
Folgt man der Argumentation des Vereins, bleibt alles beim Alten. Nur dass der Verein auch nicht mehr für Schäden haften müsse und auch das Urteil nicht umzusetzen habe, geschweige denn in Haftung dafür genommen werden könne.
Folgt man der Argumentation der Steuerungsgruppe, müssen die Tiere im Winter mit Lenkungsfütterung in ein Gatter gelockt werden, um sie anschließend dort zu betäuben und in andere Wisentprojekte zu bringen. „Ich bin bereit, die Tiere aufzunehmen“, berichtete am Donnerstag bereits der Feudinger Achim Wickel, der dort ein Gehege für Wisente und Waldbisons betreibt, die in andere Zuchtprojekte vermittelt werden sollen.