Hagen. Es ist die größte Umfrage zur Pandemie in der Region: 12.000 Menschen haben mitgemacht. So können wir zeigen: Das macht Corona mit ihnen.

Es ist eine beispiellose Situation: Die Corona-Pandemie beeinflusst unser Leben auf nie für mögliche gehaltene Art und Weise. Doch was macht das mit den Menschen in der Region? Viel wird darüber spekuliert, wir haben jetzt valide Zahlen. Der große Corona-Check unserer Zeitung, an dem mehr als 12.000 Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts aus der Region teilgenommen haben, liefert wissenschaftlich belastbare Ergebnisse: Was treibt die Menschen um? Wie blicken sie in die Zukunft? In Ihrem Lokalteil lesen Sie alle Ergebnisse aus Ihren Städten, doch hier gibt es die Übersicht für ganz Südwestfalen: Zehn Thesen, wie die Menschen ticken.

1. Corona belastet fast die Hälfte der Menschen in der Region stark oder sehr stark.
Diese Pandemie hinterlässt Spuren bei den Menschen in der Region: Rund 46 Prozent der Befragten sagen, dass sie die Corona-Krise sehr stark oder stark belastet, bei einem weiteren Drittel ist dies immerhin mäßig der Fall. Und nur knapp 20 Prozent sagen, dass sie Corona persönlich nicht belastet. Aber ist es vor allem die Angst vor den gesundheitlichen Gefahren des Virus? Ja, die spielt schon eine große Rolle: Immerhin gut 30 Prozent sagen, dass sie ihre Gesundheit stark oder sehr stark gefährdet sehen. Dies erklärt aber nicht insgesamt die starke Belastung, die eine Mehrheit empfindet. Gehen wir also weiter auf Spurensuche in den Aussagen von rund 12.000 Menschen in der Region.

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2. Die Menschen vermissen die anderen Menschen – und das Reisen. Sehnsucht ist ein starkes Motiv für eine gefühlte Belastung. Aber was vermissen die Menschen in dieser so unendlich erscheinenden Pandemie am meisten? Kurz gesagt: Es sind die Menschen, es ist das Zusammenkommen: Fast 85 Prozent der Befragten sagen, dass sie Treffen vermissen. Wir sind also mitnichten ein Volk von Einzelgängern, wir brauchen die Gemeinschaft. Und die wird schmerzlich vermisst. Daher werden sicherlich auch die Restaurants stark vermisst (siehe Grafik), gefolgt von Reisen, Kultur, Feiern, Sport in der Gemeinschaft, Kollegen und Einkaufstouren.

3. Freundschaften leiden in der Corona-Krise – aber die Partnerschaft wird zum starken Anker.Wie aber haben sich nach mehr als einem Jahr die zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelt? Eine generelle Erkenntnis: Partnerschaften erweisen sich als Stabilitätsanker in der Krise. Mehr als zwei Drittel sagen, dass sich die Partnerschaft nicht verschlechtert habe, bei knapp 20 Prozent hat sie sich sogar (sehr) verbessert und bei gerade mal 14 Prozent (stark) verschlechtert. Freundschaften werden schon eher zum Problemfall: Bei fast 38 Prozent der Befragten hat sich das Verhältnis zu Freunden verschlechtert – kein Wunder, wenn Treffen nicht möglich sind. Bei immerhin 55 Prozent ist das Verhältnis gleich geblieben. Eine noch größere Baustelle für viele Menschen: Fast 45 Prozent treiben starke oder gar extreme Sorgen um Eltern oder Großeltern um.

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4. Bei Beruf und Geld zeigt sich die Spaltung: ein Viertel leidet.
Die menschlichen Beziehungen sind das eine, die wirtschaftlichen Verhältnisse das andere. Hier zeigt sich durchaus, warum die Gesellschaft derzeit so gespalten erscheint: Denn bei immerhin knapp einem Viertel der Befragten hat sich die finanzielle Situation in der Pandemie verschlechtert, nur bei wenigen hat sie sich verbessert. Aber es gibt auch einen Stabilitätsfaktor: Bei gut 60 Prozent ist die finanzielle Lage unverändert geblieben – trotz aller Verwerfungen. Ein ähnliches Bild bei der Frage, wie sich die berufliche Situation verändert hat: Bei knapp zwei Dritteln gab es zwar keine Veränderung, bei fast 28 Prozent hat sich die Situation aber (stark) verschlechtert. Auch eine Erkenntnis: Ein Drittel aller Befragten arbeitet in der Pandemie (teils) im Home-Office, bei den bis zu 40-Jährigen sind es sogar 40 Prozent .

5. Eine größere Gruppe von jüngeren Menschen und Großstädtern will ihre Wohnsituation ändern.
Das Sehnsucht nach dem Landleben wird größer – das ist so eine Schlagzeile aus der Corona-Pandemie. Aber ist das wirklich so? Generell ja, verraten die Zahlen, die Menschen in unserer oft ländlichen Region sind offensichtlich sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation – gut 88 Prozent wollen sie jedenfalls nicht verändern. Aber man muss die Zahlen genauer anschauen, dann ergeben sich interessante Unterschiede: Bei den Befragten aus Klein- und Mittelstädten sind es gerade mal gut 9 Prozent, die in oder nach der Corona-Zeit ihre Wohnsituation verändern wollen, bei den bis zu 40-Jährigen sind es aber insgesamt schon 19 Prozent. Und: In Siegen sind es 21,6 Prozent der Befragten, in Hagen 17,6 Prozent, die ihre Wohnsituation verändern wollen – in den Großstädten der Region sind es also deutlich mehr. Eine Herausforderung für Stadtplaner.

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6. Die Noten für Bund und Land beim Krisenmanagement fallen schlecht aus.
Je näher die Krisenmanager an den Menschen dran sind, desto positiver fällt das Urteil aus. Für die Kommunen – ob Stadt oder Kreis – vergaben die rund 12.000 Befragten bei einer Bewertung von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht) noch am häufigsten die Note 3 (41,7 Prozent), bei Bund und Land dagegen dominieren die Noten 4 und 5. So kommt der Bund im Durchschnitt auf eine schlechte 3,81, das Land auf eine noch schlechtere 3,86, die Kommune vor Ort aber immerhin auf eine bessere 3,3. Und die Maßnahmen selbst – von Maskenpflicht bis Lockdown – werden noch am besten benotet: mit einer 3,2.

7. Ein „Blauer Brief“: Es gibt große Unzufriedenheit mit der Schul- und Kita-Politik.
Das sind wahrlich keine guten Noten für die Schulpolitik, man könnte auch sagen: Das Urteil liest sich wie ein „Blauer Brief“: Fast 47 Prozent der Befragten bewerten die Maßnahmen für die Schulen in der Corona-Krise als nicht ausreichend. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Ein Drittel sagt, dass die Maßnahmen zu hart oder eher zu hart waren. Nur ganz geringe Abweichungen gibt es beim „Notenspiegel“, wenn nach den Maßnahmen in den Kitas gefragt wird. Unterm Strich: Es herrscht eine große Unzufriedenheit, wie mit Unterricht und Betreuung verfahren wurde.

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8. Eine Riesen-Mehrheit sagt: Impfungen sind entscheidend im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Mit Hagen und dem Kreis Olpe gibt es zwei Kommunen in der Region, die auch NRW-weit mit ihrer hohen Impfquote (bezogen auf die Gesamtbevölkerung) ganz oben in der Impf-Hitparade des Landes stehen. So um die 40 Prozent der Menschen haben dort schon ihre Erstimpfung erhalten. Und die Impfbereitschaft in der Region scheint auch generell hoch zu sein: Gut 81 Prozent halten Impfungen für wichtig im Kampf gegen die Pandemie. Nur 9 Prozent bewerten die Spritze als wenig oder gar nicht entscheidend.

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9. Die Bürger fürchten verödete Innenstädte – und wollen dagegen kämpfen.
Sie wird immer wieder beschrieben: Die Angst, dass durch die Corona-Krise viele Geschäfte und Gaststätten in den Innenstädten pleitegehen oder nie wieder aufmachen, dass die Innenstädte veröden werden. Und diese Sorge haben die Bürger tatsächlich: Mehr als 60 Prozent haben starke oder extreme Sorgen, dass es massenhaft Leerstände in den Citys geben könnte. Aber genauso wie sie besorgt sind, sind die Bürger auch bereit, für ihre Innenstädte zu kämpfen: Gut 83 Prozent gaben an, dass sie stationäre Händler und Gastronomen gezielt unterstützen wollen. Ein hoffnungsvolles Zeichen für die Branchen.

10. Der Blick in die Zukunft zeigt die Spaltung der Gesellschaft.Am Ende der Spurensuche, wie die Menschen in der Region in dieser Pandemie ticken, lautet das Fazit: Die Gesellschaft ist gespalten. Es gibt einen großen Teil der Bevölkerung, der zwar durch Corona betroffen ist, aber keine einschneidenden Nachteile verzeichnen muss. Aber es gibt auch in vielen Bereichen eine bedeutende Gruppe – jeweils etwa ein Drittel – die erhebliche Nachteile empfindet. Und das schlägt sich auch bei der letzten Frage des großen Corona-Checks nieder: Wie blicken Sie insgesamt in die Zukunft? Gut 26 Prozent tun dies (eher) positiv, fast 35 Prozent dagegen (eher) negativ und fast 30 Prozent neutral. Diese Sichtweisen unter einen Hut zu bringen, wird wohl die große Aufgabe der Nach-Corona-Zeit.