Berlin. Prostatakrebs ist bei Männern die häufigste Krebserkrankung. Jetzt stärken Ärzte, Kliniken und Krankenkassen die Rechte von Betroffenen.

Prostatakrebs ist bei Männern die häufigste Krebserkrankung. Einer von acht Männern in Deutschland muss im Verlauf des Lebens mit der Diagnose rechnen. Hat ein Tumor in der Vorsteherdrüse noch nicht gestreut, gibt es verschiedene Behandlungsoptionen. Und voraussichtlich ab April auch das Recht auf eine unabhängige Zweitmeinung. Das hat der mit Vertretern aus Ärzteschaft, gesetzlichen Krankenkassen und Krankenhäuser besetzte Gemeinsame Bundesausschuss (GB-A) jetzt beschlossen.

Bei einem lokal begrenzten Prostatakarzinom gibt es vier Therapiemöglichkeiten: die chirurgische Entfernung der Prostata, die externe (perkutane) oder interne Bestrahlung des Tumors (Brachytherapie) sowie die aktive Überwachung. Bei dieser wird zunächst nicht operiert oder bestrahlt.

Künftig können gesetzlich Versicherte die Therapieempfehlung zu Bestrahlung und Operation durch eine unabhängige zweite Meinung kontrollieren lassen. Die als sogenannte Zweitmeiner tätigen Ärztinnen und Ärzte prüfen, ob die empfohlene Behandlung aus ihrer Sicht die geeignetste ist und beraten zu möglichen Alternativen.

Prostatakrebs: Operation und Bestrahlung nicht immer nötig

„Eine chirurgische Entfernung oder Bestrahlung des Tumors ist beim lokal begrenzten Prostatakarzinom nicht in allen Fällen zwingend erforderlich: Auch die sogenannte aktive Überwachung kann bei bestimmten Krankheitsverläufen eine Behandlungsoption sein. Dabei wird der Tumor engmaschig kontrolliert, anstatt operiert oder bestrahlt“, erklärt der GB-A in einer Mitteilung.

Aktive Kontrolle bedeutet, dass die behandelnde Ärztin oder der Arzt regelmäßig überprüfen, ob sich die biologischen Eigenschaften des Tumors verändert haben: also, ob er beispielsweise gewachsen ist. Die Kontrolle umfasst Tastuntersuchung, PSA-Wert-Bestimmungen, bildgebende Diagnostik und regelmäßige Gewebeentnahmen aus der Prostata.

Zweitmeinungsberechtigt sind laut GB-A ambulant oder stationär tätige Ärztinnen und Ärzte der Fachrichtungen Urologie oder Strahlentherapie. „Sie können voraussichtlich ab dem 1. April 2025 bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eine Genehmigung beantragen, um Zweitmeinungen zu Eingriffen beim Prostatakarzinom abgeben und mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu dürfen“, teilt der Ausschuss weiter mit. Über die Website des ärztlichen Bereitschaftsdienstes www.116117.de/zweitmeinung könnten Patienten anschließend zweitmeinungsberechtigte Fachärztinnen und Fachärzte in ihrer Region finden.

Risiko Krebs: 12.000 bis 14.000 Tote pro Jahr in Deutschland

Hat das Bundesministerium für Gesundheit keine rechtlichen Einwände gegen den Beschluss, wird dieser im Bundesanzeiger veröffentlicht. Laut GB-A tritt er dann nicht unmittelbar, sondern am ersten Tag des zweiten darauffolgenden Quartals in Kraft: voraussichtlich am 1. April 2025.

Im Frühjahr dieses Jahres wurde die Therapie-Leitlinie zur aktiven Überwachung von Prostatakrebs bereits angepasst. Im November wird nun auch bei der Früherkennung von Tumoren nachgesteuert, sodass auch weniger Patienten mit Niedrigrisiko-Tumoren diagnostiziert werden.

Prof. Boris Hadaschik, Direktor der Klinik für Urologie der Universitätsmedizin Essen, begrüßt die Anpassung: „Viel zu oft werden derzeit noch Patienten mit Niedrigrisiko-Tumoren radikal therapiert und leiden danach unter schwerwiegenden und langfristigen Nebenwirkungen.“ Dies habe die Lebensqualität Betroffener stark beeinträchtigt. Die neue Leitlinie sieht vor, Patienten, die mit einem niedrigen Risiko eingestuft sind, zunächst nur zu beobachten.

Prostatakrebs ist bei Männern die häufigste Krebserkrankung: „Rund 65.200 Männer jährlich erkranken daran“, berichtet der Krebsinformationsdienst. Pro Jahr versterben etwa 12.000 bis 14.000 Betroffene daran. Hauptrisikofaktor für einen Tumor in der Vorsteherdrüse ist ein hohes Alter. Im Jahr 2018 waren die Männer zum Zeitpunkt der Diagnose im Mittel 71 Jahre alt.