Berlin. Die Menge und Qualität der Spermien sinkt weltweit. Ein Sexualmediziner erklärt, woran das liegt und wie Männer gegensteuern können.

Die Zahl der Spermien bei Männern geht weltweit dramatisch zurück. Und auch die Qualität der Samenzellen nimmt ab. Forschende sehen dringenden Handlungsbedarf, die Suche nach den Ursachen zu verstärken. Bleibt die Frage, ob Männer Qualität und Quantität ihrer Spermien überhaupt beeinflussen können?

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„Ja“, sagt Sexualmediziner und Androloge Prof. Michael Zitzmann aus Münster. „Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die die Spermienanzahl und -qualität beeinflussen können“, so der Experte. „Und viele dieser Faktoren sind modifizierbar.“

Sperma: Verminderte Konzentration bei Landwirten

Zitzmann zufolge gibt es zahlreiche Studien, die untersucht haben, was die Produktion männlicher Samenzellen beeinflussen kann. Dazu gehörten Umwelteinflüsse, Chemikalien oder Schadstoffe. „Bei Landwirten beispielsweise, die Pestiziden ausgesetzt sind, wurde eine verminderte Spermienkonzentration festgestellt“, sagt Zitzmann.

Darüber hinaus hätten Lebensstil und Ernährung Einfluss auf Spermienzahl und -qualität, ebenso wie medizinische und physiologische Faktoren. „Krankheiten, die den Hormonhaushalt betreffen wie Hypogonadismus, können die Spermienproduktion beeinträchtigen“, erklärt der Androloge. Das gleiche gelte für Infektionen der Geschlechtsorgane, Fieber, genetische Anomalien oder chronischen Stress und Angstzustände.

Michael Zitzmann
Prof. Michael Zitzmann, Androloge aus Münster. © Bertram Solcher/Uniklinik Münster

„Die Gesamtheit des aktuellen Wissens unterstützt die Hypothese, dass Männer durch die Anpassung ihres Lebensstils und die Minimierung der Exposition gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen ihre Spermienparameter positiv beeinflussen können“, erklärt Zitzmann. Ganz konkret rät der Experte zu diesen Maßnahmen:

  • Schadstoffe und Pestizide vermeiden
  • ausgewogen ernähren

Hier seien insbesondere ausreichend Antioxidantien wie Vitamin C und E, Zink und Folsäure wichtig. „Studien haben gezeigt, dass Männer, die sich gesund ernähren, tendenziell eine höhere Spermienkonzentration und -motilität haben“, so Zitzmann. Als Motilität bezeichnen Fachleute die Fähigkeit der Spermien zur aktiven Bewegung.

  • nicht rauchen

„Der Konsum von Tabak ist mit einer Verringerung der Spermienzahl und -qualität verbunden“, sagt der Experte. Rauchen könne unter anderem oxidative Schäden an den Spermien verursachen und die DNA-Integrität beeinträchtigen. „Eine Untersuchung von 2002 zeigte, dass Männer, die rauchen, ungefähre eine halbierte Chance haben, bei assistierter Befruchtung Väter zu werden.“ 

  • Gewicht kontrollieren
  • regelmäßig bewegen

Übergewicht und Adipositas sind negativ mit der Spermienqualität korreliert“, so Zitzmann. Aber auch unabhängig vom Körperbau könne regelmäßige körperliche Aktivität die Spermienparameter verbessern. Übermäßige körperliche Anstrengung hingegen, insbesondere in Verbindung mit Wärmeeinwirkung auf die Hoden, kann laut des Experten schädlich sein.

  • Hormonstörungen behandeln

„Eine Hormonersatztherapie kann in solchen Fällen helfen, die Spermienanzahl zu verbessern“, erklärt Zitzmann. „Das geht aber nicht mit Testosteron, sondern mit den Gonadotropinen hCG und FSH.“ Gonadotropine sind eine Gruppe von Hormonen, die wie Testosteron ebenfalls eine wichtige Rolle in der Regulierung des Fortpflanzungssystems spielen. Sie werden bei Männern hauptsächlich von der Hirnanhangdrüse produziert.

Große Studie zeigt den drastischen Rückgang weltweit

Wie drastisch der Rückgang bei der Anzahl der Spermien bei Männern weltweit ist, hat 2022 eine Metaanalyse gezeigt. Diese hatte 288 Studien aus 53 Ländern mit fast 60.000 Teilnehmern aus den Jahren 1973 bis 2018 ausgewertet. Den Studienautoren um Hagai Levine von der Hebräischen Universität Jerusalem zufolge ist die Spermienzahl demnach um mehr als 50 Prozent zurückgegangen.

In den Jahren seit 2000 habe sich dieser Rückgang noch einmal beschleunigt. Kamen zu Beginn der Erhebungen noch 101,2 Millionen Spermien auf einen Milliliter Samenflüssigkeit, seien es heute nur noch 49 Millionen. Seit 2000 sinke die durchschnittliche Spermienzahl pro Jahr um etwa 2,5 Prozent, schreiben die Forschenden.