Berlin. Eine neue Therapie bietet deutliche Vorteile für Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs. Sie ist kostengünstig und gut verträglich.

Wissenschaftler und Medizinerinnen sprechen von deutlichen Zugewinnen und Vorteilen in der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs: Eine sogenannte Induktionschemotherapie, also eine kurze Chemotherapie vor der geplanten Radiochemotherapie, kann die Überlebenschancen von Patientinnen deutlich erhöhen und das Rückfallrisiko senken. Die entsprechenden Nachweise sind im Fachjournal „Annals of Oncology“ veröffentlicht worden.

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, viele von ihnen in jungen Jahren. Trotz verbesserter Strahlentherapie kehrt der Krebs in bis zu einem Drittel der Fälle zurück. 2021 starben nach Angaben des Robert Koch-Instituts hierzulande 1535 Frauen an dieser Krebserkrankung.

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„Wenn die Diagnose Gebärmutterhalskrebs gestellt wird, dann hängt die Therapie davon ab, wie ausgedehnt der Befund ist. Ist es ein früh entdecktes, kleines Karzinom, ist die operative Entfernung die Primärbehandlung. Dann sollte idealerweise keine Strahlen-Chemotherapie mehr folgen“, erklärt Dr. Katharina Smetanay, Oberärztin der Abteilung für Gynäkologische Onkologie an der Universitätsfrauenklinik in Heidelberg.

Gebärmutterhalskrebs: Therapie von Tumorstadium abhängig

Hat der Gebärmutterkrebs aber eine kritische Größe erreicht oder weist der Tumor Risikofaktoren für einen Rückfall auf, „dann hat die definitive Radiochemotherapie ohne Operation gleiche Heilungschancen wie eine Operation mit weniger Nebenwirkungen“, so Dr. Smetanay weiter. Das heißt: Je nach Tumorstadium kommt es entweder zu einer Operation und gegebenenfalls anschließende Radiochemotherapie bei Risikofaktoren oder einer definitiven Radiochemotherapie – das war bisher der Standard.

Medizinerinnen und Medizinern aus Großbritannien sind bei der Suche nach neuen Behandlungsansätzen nun Fortschritte gelungen. Mittels einer sogenannte Induktionschemotherapie konnten sie das Risiko, dass Frauen an der Krankheit sterben oder der Krebs zurückkehrt, um 35 Prozent verringern. „Das ist die größte Verbesserung bei dieser Krankheit seit über 20 Jahren“, sagte Studienleiterin Mary McCormack vom Zentrum für Krebsforschung am University College in London dem Sender BBC.

Wird das Karzinom am Gebärmutterhals früh entdeckt, ist die operative Entfernung die Primärbehandlung.
Wird das Karzinom am Gebärmutterhals früh entdeckt, ist die operative Entfernung die Primärbehandlung. © Universal Images Group via Getty Images | BSIP

„Entscheidend bei der Behandlung von Krebs ist das Timing. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass zusätzliche Chemotherapien vor anderen Behandlungen wie Chirurgie und Strahlentherapie bei verschiedenen Krebsarten sinnvoll sind“, sagte der britische Krebsforscher Dr. Iain Foulkes dem Sender. Diese vorgeschaltete Therapie könne mit bereits verfügbaren Medikamenten schnell durchgeführt werden.

Medikamente sind bereits erprobt und zugelassen

In der Studie zur Induktionschemotherapie erhielten 250 Frauen mit Gebärmutterhalskrebs eine sechswöchige Chemotherapie mit den bereits erprobten und zugelassenen Medikamenten Carboplatin und Paclitaxel, gefolgt von der üblichen Behandlung mit Strahlen- und Chemotherapie. Weitere 250 Frauen, die Kontrollgruppe, erhielten nur die übliche Radiochemotherapie.

Nach einer Beobachtungszeit von fünf Jahren waren in der experimentellen Gruppe der Patientinnen mit Induktionschemotherapie 80 Prozent der Frauen am Leben und bei 73 Prozent war der Krebs nicht zurückgekehrt. Im Vergleich dazu waren in der Kontrollgruppe nur knapp 70 Prozent der Patientinnen am Leben und bei 64 Prozent war der Krebs nicht zurückgekehrt

Da die Chemotherapeutika Carboplatin und Paclitaxel den Angaben zufolge kostengünstig und leicht zugänglich sind, könnte die Induktionschemotherapie schnell zu einem neuen Behandlungsstandard auch in Deutschland werden, sagt Dr. Katharina Smetanay. Nachdem die Studienergebnisse im Herbst auf einer Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie vorgestellt worden seien, hätten viele Kliniken bereits reagiert. „Es ist selten der Fall, dass man mit einer bereits heute zur Verfügung stehenden Therapie einen Überlebensvorteil hat. Warum sollte man das einer Patientin vorenthalten?“, so die Medizinerin.

Kombination ist grundsätzlich gut verträglich

Laut Katharina Smetanay handelt es sich um eine bereits bekannte Kombination von Chemotherapeutika. „Sie ist grundsätzlich gut verträglich, auch wenn man die Patientinnen darüber aufklären muss, dass es zu einer vorübergehenden Veränderung des Blutbildes und Haarausfall kommen kann.“

Allerdings, so die Smetanay, komme die Induktionschemotherapie nur für Patientinnen infrage, bei der eine primäre Operation zur Entfernung des Tumors ausgeschlossen sei. „Das sind Patientinnen mit einem etwas fortgeschrittenerem Erkrankungsstadium, die auch ein relevantes Rückfallrisiko haben.“