Berlin. Ein Eiweiß im Blut kann auf Prostatakrebs hindeuten. Eine Langzeitstudie zeigt jetzt, bei welchen Werten Männer zur Kontrolle sollten.
Der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut galt bei der Früherkennung von Prostatakrebs lange Zeit als überschätzt. Doch dieses Urteil ist überholt. Heute empfehlen Experten jedem Mann, den Basis-PSA-Wert im Alter von 45 oder 50 Jahren bestimmen zu lassen. Neue Daten einer Langzeitstudie zeigen jetzt, bei welchen Werten Männer durchatmen können.
Die Prostata wird auch Vorsteherdrüse genannt. Sie gehört zu den inneren Geschlechtsorganen des Mannes und soll ab einem Alter von 45 einmal jährlich abgetastet werden. Dabei führen ein Arzt oder eine Ärztin den Finger vorsichtig in den After ein, um über die Vorderseite des Darms Knoten oder Verhärtungen der Prostata feststellen zu können. Ziel ist es, Tumore im Frühstadium zu erkennen. Diese Untersuchung wird von den gesetzlichen Kassen bezahlt.
Laut einer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) geleiteten Langzeitstudie aber ist diese Untersuchung als Screening-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs bei jungen Männern wenig geeignet. Sie könne sogar schaden. Aufgrund der geringen Sensitivität könnten sich Teilnehmer bei einem negativen Ergebnis in falscher Sicherheit wiegen. Die Sensitivität gibt an, zu wie viel Prozent ein Test bei tatsächlich Kranken die Krankheit auch erkennt. Darüber hinaus gebe es eine hohe Falsch-positiv-Rate, also auffällige Befunde ohne Krebserkrankung. Durch sie würden viele Männer unnötig in Angst versetzt und weitere Untersuchungen ausgelöst.
Prostatakrebs: Tastuntersuchung für junge Männer wenig geeignet
Seit 2014 erforschen Experten an den Universitätskliniken in Düsseldorf, Hannover, München (TU) und Heidelberg via Langzeitstudie eine Vorsorgestrategie auf Basis des PSA-Wertes. PSA ist ein Eiweiß, das nur die Drüsenzellen der Prostata herstellen. Es macht die Spermien beweglicher. Ein erhöhter PSA-Wert, gemessen im Blut, kann auf Prostatakrebs hindeuten.
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Die neuesten Auswertungen dieser Untersuchung, für die etwa 46.600 Männer im Alter von 45 Jahren rekrutiert worden waren, kommen zu dem Schluss: Wer mit 45 einen PSA-Wert von weniger als 1,5 Nanogramm pro Milliliter Blut (ng/ml) aufweist, erkrankt in den folgenden fünf Jahren äußerst selten an Prostatakrebs. In diesem Zeitraum sei keine erneute PSA-Bestimmung notwendig, sofern keine Beschwerden auftreten.
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Nach Angaben des DKFZ war nur bei 9 von 14.248 Männern mit einem PSA-Wert von unter 1,5 ng/ml im Alter von 50 Prostatakrebs festgestellt worden. Dies entspreche einem Anteil von 0,06 Prozent der Ausgangsgruppe.
PSA-Wert: Millionen Männer könnten von Erkenntnissen profitieren
Millionen Männer in Deutschland und Europa im Alter zwischen 45 und 50 Jahren könnten von diesen Erkenntnissen profitieren: Denn auch die Leitlinie der Fachgesellschaft European Association of Urology (EAU) empfiehlt Männern eine risikoangepasste Früherkennungsstrategie basierend auf einem Basis-PSA-Wert. Dabei werden derzeit schon Männer mit einem Wert von über 1 ng/ml als gefährdet eingestuft. Ihnen wird empfohlen, sich alle zwei Jahre erneut untersuchen zu lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie rät in diesen Fällen sogar zu einer jährlichen Kontrolle.
„Wenn wir den Grenzwert für ein geringes Risiko von 1 ng/ml auf 1,5 ng/ml anheben, könnten wir 20 Prozent mehr Männern in unserer Studiengruppe einen längeren Abstand zwischen den Tests gewähren“, sagt Studienleiter Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Das reduziere in der Altersgruppe der 45- bis 50-Jährigen erheblich die Zahl der Untersuchungen.
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Albers und seine Kolleginnen und Kollegen aus Hannover, München und Heidelberg unterteilen das am PSA-Wert orientierte Krebsrisiko entsprechend anders: Werte unter 1,5 gelten als niedriges Risiko, Werte zwischen 1,5 und 2,99 als mittel, Werte ab 3 als hoch. „Wir analysieren nun gerade die Gruppe mit PSA-Werten von 1,5 bis 2 ng/ml im Alter von 45 Jahren“, so Albers.
Etwa jeder fünfte dieser Männer zeige im Verlauf von sechs bis acht Jahren PSA-Werte von über 3 ng/ml. „Wir wollen diese Gruppe aber erst genau untersuchen, bis wir hier Empfehlungen geben“, so Albers weiter. „Das heißt, dass wir für sie weiterhin Kontrollen alle zwei Jahre empfehlen, bis wir mehr wissen.“
MRT hier nicht so zuverlässig wie bei älteren Männern
Alle Männer mit Werten über 3 ng/ml im Alter von 45 Jahren sollten Albers zufolge eine Untersuchung im Magnetresonanztomografen (MRT) und eine Biopsie, also eine Gewebeprobe, erhalten. Albers: „Leider ist das MRT in dieser Gruppe nicht so zuverlässig wie bei älteren Männern etwa ab 55 Jahren.“
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Die Bestimmung des PSA-Wertes ist bisher keine Kassenleistung. Sie kostet zwischen 15 und 40 Euro. Sie kann beim Urologen, aber auch beim Hausarzt in Auftrag gegeben werden.