Berlin. Prominente werben für die Krebsvorsorge per Ganzkörper-MRT. Die gesetzlichen Kassen zahlen dafür nicht. Der Nutzen ist umstritten.

Die Aussicht klingt verlockend und wird von Prominenten wie US-Star Kim Kardashian tatsächlich auch so beworben: Mit einem Ganzkörper-Screening nach einer möglichen Krebserkrankung suchen lassen. Doch funktioniert das, ist das sinnvoll und zahlen das die gesetzlichen Kassen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Ganzkörper-Screening: Was wird bei einer MRT gemacht?

Bei einem Ganzkörper-Screening kommt ein Magnetresonanztomograf (MRT) zum Einsatz. Die Geräte erlauben laut Deutscher Röntgengesellschaft eine Untersuchung von Kopf bis Fuß bis zu einer Körpergröße von etwa 2,05 Metern, ohne Patientinnen und Patienten dafür umlagern zu müssen. Mittels elektromagnetischer Strahlung und eines Magnetfeldes werden detaillierte Schichtaufnahmen von inneren Strukturen des Körpers erstellt, von Knochen oder Organen. Mitunter muss für die Untersuchungen ein Kontrastmittel gespritzt werden.

Ganzkörper-MRT: Wie lange dauert die Untersuchung?

Ohne Berücksichtigung von ärztlichem Vor- und Nachgespräch dauert sie 30 bis 60 Minuten, erklärt Dr. Gerwin Schmidt. Der Radiologe ist Standortleiter in der Praxis „Die Radiologie“ in München und beschäftigt sich seit etwa 15 Jahren mit der Ganzkörper-MRT. Er hat Studien dazu verfasst und eigenen Angaben zufolge bereits 4000 bis 5000 Ganzkörper-MRT begutachtet.

„Theoretisch kann man eine Ganzkörper-MRT in unter 30 Minuten machen, ein solches Angebot sollten Patienten aber nicht nutzen“, sagt Schmidt. Bei einer Schnell-MRT sei die Bildqualität nicht ausreichend hoch, um mögliche Befunde zu erkennen.

Welche Erkrankungen werden mit Ganzkörper-MRT in der Medizin diagnostiziert?

„Ganzkörper-MRT sind exzellent geeignet für die Nachsorge von Tumorerkrankungen“, sagt Radiologe Schmidt. Oder für die Abklärung auffälliger Befunde, zum Beispiel im Ultraschall beziehungsweise bei einem klinischen Verdacht auf eine Tumorerkrankung, die Metastasen gestreut haben könnte. „Darüber hinaus wird die Untersuchung dafür eingesetzt, den Grad spezieller Knochenkrebserkrankungen festzustellen. Dieses sogenannte Staging ist wichtig für die Therapie.“

Auch in der Rheumadiagnostik werden Ganzkörper-MRT eingesetzt. „Wir können dabei feststellen, ob nur ein oder mehrere Gelenke im Körper von dieser Erkrankung betroffen sind. Auch das hat Konsequenzen für die Therapie“, sagt Schmidt.

Hat bereits 4000 bis 5000 Ganzkörper-MRT begutachtet: Radiologe Dr. Gerwin Schmidt.
Hat bereits 4000 bis 5000 Ganzkörper-MRT begutachtet: Radiologe Dr. Gerwin Schmidt. © Michelle Hirnsberger

Darüber hinaus könnten Anzeichen von Herz-Kreislauf-Leiden erkannt werden, von Durchblutungsstörungen oder Gefäßveränderungen wie Aneurysmen in Bauch oder Kopf sowie Veränderungen in Organen wie Leber oder Lunge, von Arthrose, Arthritis, Bandscheibenvorfällen oder auch Veränderungen am Rückenmark. „Das sind aber eher Nebenbefunde. Wir machen in unserer Praxis zum Beispiel keine kardiovaskulären Ganzkörperprotokolle mehr, weil wir der Meinung sind, dass eine Herz-MRT oder eine Gefäßdiagnostik als eigenständige Untersuchungen sinnvoller sind“, sagt Schmidt.

Warum MRT – Was sind die Vorteile?

Im Vergleich zur klassischen Computertomografie (CT) gibt es keine Strahlenbelastung. „Und in manchen Organbereichen ist die MRT der CT sogar überlegen“, sagt Gerwin Schmidt.

MRT: Was sind die Risiken und Nebenwirkungen?

„Die Technik an sich wird seit Jahrzehnten genutzt. Es gibt keine Hinweise zu langfristigen Schäden und keinerlei Daten, dass diese Magnetwellen irgendeine Erkrankung bewirken im Körper“, sagt Schmidt. Für Menschen mit medizinischen Implantaten oder auch Metallprothesen komme diese Untersuchung aber nur eingeschränkt infrage. Ein Herzschrittmacher ist sogar ein Ausschlusskriterium. Auch könnten mögliche Allergien gegen Kontrastmittel, eine hochgradige Nierenschwäche oder Platzangst dagegensprechen.

Was kostet ein Ganzkörper-Screening und zahlen das die Kassen?

Die Kosten betragen je nach Umfang zwischen 1000 und 1200 Euro. Die gesetzlichen Kassen übernehmen diese nicht. Es sei denn, erklärt Gerwin Schmidt, die Ganzkörper-MRT ersetze die notwendigen und verordneten MRT-Untersuchungen von vier Körperbereichen – Kopf, Brustkorb, Bauch und Becken. Diese könnten dann zusammengefasst werden. Bei manchen privaten Krankenversicherungen hingegen werde je nach Vertragsumfang auch eine Ganzkörper-MRT bezahlt.

Ist eine Ganzkörper-MRT zur Krebsvorsorge sinnvoll?

Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen: Die Amerikanische Radiologengesellschaft erklärt in einer Stellungnahme, dass die Beweise für einen Nutzen nicht ausreichten, um ein Ganzkörper-Screening bei Patienten ohne klinische Symptome, Risikofaktoren oder eine auffällige Familienanamnese zu empfehlen. Vor allem sei nicht belegt, dass eine solche Diagnostik das Leben verlängere.

Das sieht auch Onkologin und Biochemikerin Marisa Kurz so: Statistisch gesehen sei die Wahrscheinlichkeit größer, dass aus möglichen Nebenbefunden unnötige Sorgen, Untersuchungen und Kosten resultierten, schreibt Kurz in einem Beitrag für das Wissenschaftsmagazin „Spektrum“.

„Das ist ein Standpunkt, den man natürlich so vertreten kann“, sagt Gerwin Schmidt. Aus der Praxis wisse er aber, dass es Menschen gebe, die aus diversen Gründen wissen wollten, ob sie krebskrank seien. Hier könnte die Untersuchung Blockaden auflösen. „Und das ist der Haupthintergrund, warum Patienten tatsächlich Geld bezahlen und sich untersuchen lassen“, so Schmidt.

In einem Vorgespräch kläre der Radiologe ab, ob das von den Patienten verfolgte Ziel mit einer Ganzkörper-MRT erreicht werden könne. „Wenn nicht, rate ich ab“, so Schmidt. „Und ich sage natürlich auch, dass negative Befunde nur eine Momentaufnahme sind und kein Freifahrtschein für die nächsten Jahre.“

Dass mögliche Nebenbefunde die Psyche belasten und teure Nachuntersuchungen verursachen, sei durch die Studienlage eher widerlegt, so der Radiologe. Es sei festgestellt worden, dass sich Nebenbefunde bis auf wenige Ausnahmen sofort abklären ließen. Und auch die Patienten hätten 2022 bei einer Untersuchung in der Schweiz angegeben, eher froh statt belastet zu sein, von Nebenbefunden zu wissen. Schmidt: „Da deckt sich die Studienlage mit meiner Erfahrung in der Praxis.“