Paris. Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron wollen Trump mit Stärke begegnen. Doch ausgerechnet die beiden geben ein anderes Bild ab.

Im Wintergarten des Élysée-Palasts: Blattgold an den Wänden, schwere Kronleuchter hängen von der Decke. Der Raum atmet Macht und Bedeutung, alte Stärke. Olaf Scholz und Gastgeber Emmanuel Macron bemühen sich, diesem Eindruck gerecht zu werden. „Wir sind uns einig, dass wir ein starkes Europa wollen“, sagt der französische Präsident. „Europa muss stark und widerstandsfähig sein“, fügt Kanzler Scholz hinzu. Es ist die Mission Selbstbewusstsein.

Die Europäer haben lange geahnt und befürchtet, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt. Nun ist Trump zurück an der Macht und seine ersten Amtshandlungen und Ankündigungen senden Schockwellen bis nach Europa. Die Analyse in Berlin lautet, dass man Trump beim Wort nehmen muss. „Präsident Trump wird, so viel ist nun schon klar, eine Herausforderung werden“, formuliert es Scholz in Paris diplomatisch. Deutlich wird: Die Sorgen um die Stabilität in der Welt und die eigene Sicherheit sind in der Mitte Europas groß.

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Es war aus Sicht der Bundesregierung fatal, dass eine vertrauliche Depesche des deutschen Botschafters in Washington, Andreas Michaelis, offenbar durch gezieltes Durchstechen ihren Weg in die Öffentlichkeit fand. Schlechter hätte der Neuanfang mit der neuen US-Regierung kaum laufen können. Michaelis warnte in deutlichen Sätzen vor Trump und seiner Regierung. Der Diplomat sieht demnach unter anderem eine Strategie der „maximalen Disruption“ auf die USA und den Rest der Welt zukommen.

Nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus: Deutsch-französisches Tandem von besonderer Relevanz

Die Analyse deckt sich mit den Einschätzungen in Berlin: Trump sind bisherige Bündnisse oder die Prinzipien der internationalen Nachkriegsordnung im Zweifel egal. Wenn der US-Präsident einen raschen Frieden in der Ukraine fordert, muss das Land damit rechnen, dass Trump die überlebenswichtige Waffenhilfe seines Landes abrupt einstellt, um dies zu erreichen. Die Hilfen der vorherigen US-Regierung reichen nur noch bis ins Frühjahr.

Macron und Scholz haben die französische Trikolore, die Deutschlandflagge und die Fahne der Europäischen Union im Rücken. 
Macron und Scholz haben die französische Trikolore, die Deutschlandflagge und die Fahne der Europäischen Union im Rücken.  © AFP | Mohammed Badra

Wenn Trump die Nato-Partner zu einer massiven Steigerung der Verteidigungsausgaben drängt, ist er den Befürchtungen zufolge andernfalls auch dazu bereit, Europa den Schutz der USA zu entziehen und den alten Kontinent Putins Imperialismus preiszugeben. Und wenn der neue Machthaber dem Rest der Welt hohe Zölle auf ihre Waren androht, dann müsse man sich genau darauf einstellen. Europas Sicherheit und Wohlstand stehen auf dem Spiel.

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Für Scholz und Macron steht fest, dass die Europäer nur geeint bestehen können. „Europa wird sich nicht ducken und verstecken, sondern ein konstruktiver und selbstbewusster Partner sein“, kündigt Scholz an. Auf dieser Basis wolle man mit den USA zusammenarbeiten. Angesichts der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus müssten Deutschland und Frankreich mehr denn je „jeder seine Rolle spielen, um ein vereintes, starkes und souveränes Europa zu festigen“, beschwört Macron das deutsch-französische Tandem. „Ein Europa, das an der transatlantischen Partnerschaft festhält, aber auch seine eigenen Interessen zu verteidigen weiß.“

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Macron: Wettbewerbsfähigkeit, KI, Industrie – hier muss Europa stärker werden

Macron zählt auf, wo Europa stärker, mutiger werden müsse: Wettbewerbsfähigkeit, Künstliche Intelligenz und Industrie. Er fordert eine gemeinsame Sicherheitspolitik, Zusammenarbeit bei Rüstung und Verteidigung sowie eine weitere Unterstützung der Ukraine. Macron und Scholz haben die französische Trikolore, die Deutschlandflagge und die Fahne der Europäischen Union im Rücken. Ihre Farben sollen für die Mission Selbstbewusstsein stehen. Scholz ist an einem besonderen Tag gekommen: An diesem Datum vor 62 Jahren wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag unterzeichnet.

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Doch so selbstbewusst sich Scholz und Macron auch geben, sie sind nicht so stark, wie sie Trump gegenüber erscheinen wollen. Der deutsche Kanzler könnte in einem Monat abgewählt werden. Der französische Präsident ist zwar noch eine Weile im Amt. Er ist jedoch schwach: Innenpolitisch hat er kaum noch Handlungsspielraum, finanziell steht im wegen der hohen Staatsverschuldung das Wasser bis zum Hals.

Kanzler Scholz in Frankreich
Für Scholz und Macron steht fest, dass die Europäer nur geeint bestehen können. © DPA Images | Michael Kappeler

Für die Ukraine ist all das eine schlechte Nachricht: Trump könnte ihr einen Friedensschluss unter schmerzhaftesten Zugeständnissen an Putin abverlangen. Sicher ist: Ob weitere Hilfe im Krieg gegen Russland oder Absicherung eines Friedens – auf die Europäer kommen Milliardenkosten zu. Macron kann in der dramatischen Lage vor allem Worte spenden. Auch hinter Deutschlands Unterstützung steht ein Fragezeichen. Zwar würde auch ein CDU-Kanzler Friedrich Merz als möglicher Nachfolger von Scholz die Ukraine weiter unterstützen. Doch auch sein finanzieller Spielraum wäre begrenzt.

Deutscher Bundestag: Streit um Geld für Ukraine-Hilfen bei den Parteien

Scholz liefert sich gerade mit der Union und den früheren Koalitionspartnern Grünen und FDP einen Streit um eine Aufstockung der Ukraine-Hilfen um drei Milliarden Euro. Der Sozialdemokrat will dafür die Schuldenbremse aussetzen. Die anderen Parteien wollen das Geld aus dem Haushalt nehmen. Dies lehnt Scholz ab, das Geld sei einfach nicht da, erwidert der Kanzler, verweist auf eine milliardenschwere Haushaltslücke und wirft den anderen vor, im Wahlkampf Lügen zu verbreiten. „Einfach zu behaupten, das würde trotz der Finanzlücke schon irgendwie gehen, hat das Niveau von Sprücheklopfern“, empört sich Scholz am Rande des Paris-Besuchs.

Zurück in den Wintergarten des Élysée-Palasts: „Die Ukraine kann sich auf uns verlassen“, verspricht Scholz. Die Worte sollen stark klingen. Doch Europa kann seine Verunsicherung in diesen Tagen nicht verstecken.