Berlin. Ab 2026 sollen in Deutschland US-Raketen stehen, die Russland erreichen. Gut so? Ostdeutsche sehen das ganz anders als Westdeutsche.

Es war eine kurze Pressemitteilung mit nur vier Sätzen: Vor einem Monat teilten die Bundesregierung und die US-Regierung gemeinsam mit, dass die USA ab 2026 wieder weitreichende Waffensysteme in Deutschland stationieren werden. Dabei handelt es sich um Raketen, die Ziele in Russland erreichen können. Damit solle die europäische Abschreckung gestärkt werden, hieß es zur Begründung. Inzwischen zeigt sich: Die Bevölkerung in Deutschland ist in der Frage tief gespalten.

In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für diese Redaktion gaben 44 Prozent der Befragten an, die Stationierung der US-Waffen positiv zu sehen. Negativ beurteilen 42 Prozent die Ankündigung, 14 Prozent sind in der Frage unentschieden. Auffällig ist: Kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September stehen die Menschen in Ostdeutschland den Plänen deutlich ablehnender gegenüber als die Bürgerinnen und Bürger im Westen des Landes.

Stationierung von US-Raketen: Menschen in Ostdeutschland ablehnender

Nur ein Viertel der Befragten (26 Prozent) in Ostdeutschland befürwortet die Stationierung der weitreichenden US-Waffen, 60 Prozent sind dagegen. Im Westen ist die Hälfte der Menschen dafür, ein gutes Drittel (36 Prozent) dagegen. Keine klare Meinung haben jeweils 14 Prozent der Teilnehmer. Für die Erhebung befragte Civey in dieser Woche rund 5000 Bundesbürger ab 18 Jahren.

Der Vereinbarung zufolge wollen die USA Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr als 2000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen in Deutschland stationieren. Zuletzt standen solche US-Waffen während des Kalten Kriegs in Europa – zuvor hatte es damals heftige Proteste der Friedensbewegung und jahrelange Debatten gegeben. Daher kam es für viele überraschend, dass die Entscheidung nun Anfang Juli am Rande des Nato-Gipfels lediglich per Presseerklärung bekannt gegeben wurde. Kritiker fordern eine breite Diskussion über die Stationierung.

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Kretschmer fordert Volksabstimmung – und trifft damit einen Nerv

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer findet die Pläne zwar richtig, beklagt aber, dass der Beschluss ohne öffentliche Debatte gefallen sei. Der CDU-Politiker fordert daher eine Volksbefragung zu dem Thema, an das Votum solle sich die Bundesregierung halten. Nun sind Volksabstimmungen auf Bundesebene in Deutschland nicht möglich, Kretschmer trifft aber einen Nerv: Die Hälfte der von Civey Befragten unterstützt die Forderung des Ministerpräsidenten, in den ostdeutschen Bundesländern liegt der Zuspruch sogar bei 63 Prozent.

Der Bundestag muss der Stationierung der Waffen nicht zustimmen, es mehren sich aber die Stimmen, die sich für eine Debatte im Parlament aussprechen. „Es ist wichtig, dass wir bei diesem wichtigen Thema alles bedenken, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und durch Informationen aus dem Weg räumen“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Wolfgang Hellmich dieser Redaktion. Im September nach der parlamentarischen Sommerpause werden sich die Abgeordneten „insgesamt mit dem Thema beschäftigen, um den vorhandenen Informations- und Diskussionsbedarf zu decken“, kündigte Hellmich an. „Wichtig ist dabei, dass es militärische Stärke und Diplomatie in einem Atemzug braucht, um Frieden dauerhaft zu sichern.“

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    Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), verteidigt die Pläne mit der Begründung, dass sich dadurch Deutschlands Sicherheit verbessere. Russland habe einen entsprechenden Rüstungskontrollvertrag gebrochen und habe seit vielen Jahren nuklear bestückbare Waffensysteme etwa des Typs Iskander in Kaliningrad stationiert. „Diese Raketen können in wenigen Minuten Nato-Gebiet erreichen“, sagte Faber dieser Redaktion. „Darauf reagieren wir jetzt.“ Faber betont zudem, dass die US-Waffen mit konventionellen Sprengköpfen ausgerüstet werden sollen, nicht mit Nuklearsprengköpfen.

    Die Hälfte der Menschen in Deutschland befürchtet laut der Umfrage für diese Redaktion dennoch, dass es durch die Stationierung der US-Waffen zu einer weiteren Eskalation des Konflikts mit Russland kommen könnte. 38 Prozent glauben dies nicht, zwölf Prozent sind unentschieden. Auch in dieser Frage zeigt sich ein Ost-West-Unterschied: In den neuen Ländern erwarten zwei Drittel (67 Prozent) durch die Verlegung der US-Raketen eine weitere Eskalation, im Westen tun dies 43 Prozent der Befragten. Russland hatte eine militärische Reaktion angekündigt. Wie diese aussehen könnte, ist bisher unklar.

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    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begründete die Entscheidung mit einer erforderlichen Abschreckung gegenüber Russland: „Sie dient dazu, dass kein Krieg stattfindet.“ Auch FDP-Verteidigungsexperte Faber ist dieser Meinung: „Das Gleichgewicht der Abschreckung, das von Russland gestört wurde, wird hier wieder hergestellt.“

    Ob durch die Stationierung der US-Waffen in Deutschland dieses Ziel erreicht wird, ist in der Bevölkerung umstritten: In der Umfrage erwarten 47 Prozent der Befragten eine abschreckende Wirkung auf Russland, 45 Prozent sind gegenteiliger Meinung, acht Prozent sind unentschieden. In den westdeutschen Bundesländern ist die Hälfte der Ansicht, dass die Abschreckung funktioniert, im Osten glaubt nur ein Drittel daran.