Washington. Nikki Haley ist nicht mehr im Rennen um die republikanische Kandidatur, holt aber bei Vorwahlen weiter viele Stimmen. Ein Warnsignal?
Seit dem 12. März, damals gewann er die Bundesstaaten Georgia, Mississippi und Washington State, hat Donald Trump die erforderlichen 1215 Delegiertenstimmen für den republikanischen Parteitag zur Präsidentschaftskandidatur im Juli in Milwaukee sicher; alle weiterhin laufenden Vorwahlen (Primaries) in den insgesamt 50 Bundesstaaten sind seither eigentlich irrelevant.
Oder doch nicht?
Seit ein paar Tagen kommt man an der Tatsache nicht vorbei, dass ein substanzieller Anteil der konservativen Wählerschaft Donald Trump konstant die Rote Karte zeigt und das Kreuzchen anderswo macht. Vor allem bei einem politischen „Zombie“ namens Nikki Haley.
Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina war zu Jahresbeginn die einzige veritable Konkurrentin Trumps. Sie hatte ein Dutzend Männer, darunter Großkaliber wie Chris Christie, zur Aufgabe gezwungen. Am 6. März aber, als eine Siegchance für sie rein rechnerisch nicht mehr möglich war, stieg sie offiziell aus dem Kandidatenrennen aus.
Nikki Haley nimmt Donald Trump 130.000 Stimmen weg
Anders als die meisten Ex-Trump-Rivalen, allen voran Florida-Gouverneur Ron DeSantis, hat die 52-Jährige aber bisher nicht den Ring Trumps geküsst und dem in mehrere Strafprozesse verwickelten Parteipaten ihre Gefolgschaft versichert – und damit die ihrer Wähler. Nikki Haley hält sich bedeckt. Sie hat beim Hudson Institute angeheuert, einer konservativen Washingtoner Denkfabrik. In dieser Woche traf sie sich im idyllischen Charleston mit 100 großen Geldgebern, um, wie es aus ihrem Umfeld heißt, Danke zu sagen. Nicht alle glauben, dass es sich damit hat.
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Denn Haley hat gerade im erzkonservativ-klerikalen Indiana, aus dem Trumps-Ex-Vizepräsident Mike Pence stammt, knapp 130.000 Stimmen bekommen – 22 Prozent derer, die an der republikanischen Vorauswahl teilnahmen.
Das alles würde nicht weiter ins Gewicht fallen, wenn es ein Ausreißer wäre. Aber es ist die Regel. Haley, die in der Trump-Präsidentschaft (2017 bis 2021) als UN-Botschafterin der USA in New York tätig war, kommt durch die Bank auf etwa ein Fünftel der Vorwahlstimmen. Auch dort, wo es bei der Wahl im November um alles oder nichts geht.
Zum Beispiel Pennsylvania. Dort gewann Joe Biden 2020 mit knapp 80.000 Stimmen Vorsprung vor Trump und sicherte sich so 19 Wahlleute im Electoral College, wo 270 Stimmen zum Einzug ins Weiße Haus benötigt werden. 2016 hatte Trump hier gegen Hillary Clinton mit nur 45.000 Stimmen die Nase vorn.
„Die Ergebnisse für Haley sind für Trump auf jeden Fall alarmierend“
Im Bundesstaat, wo in Philadelphia die Wiege der US-Demokratie steht, holte Haley in der nur für eingetragene republikanische Wähler zugänglichen Vorwahl sensationell rund 150.000 Stimmen (17 Prozent) gegen Trump. Vor allem in Vorstädten mit besser verdienenden und besser gebildeten Wählern lag sie teils deutlich vor Trump.
Auch in Michigan, North Carolina, Arizona, Wisconsin und Georgia, die ebenfalls zu den am meisten umkämpften „Battleground“-Staaten gehören werden, zog die Mainstream-Republikanerin sechsstellige Wählerstimmen – 13 bis 25 Prozent.
„Die Ergebnisse für Haley sind für Trump auf jeden Fall alarmierend“, sagen republikanische Parteistrategen in Washington. Zumal 60 Prozent der Haley-Wähler in Nachwahlbefragungen erklärt haben, dass sie, komme, was da wolle, definitiv nicht Donald Trump wählen würden – viele hassen ihn.
Susie Wiles, die graue Eminenz in Trumps Wahlkampagne, weiß um die Zahlen, hält sich aber noch mit Bewertungen zurück. Andere in der „Grand Old Party“ gestehen hinter vorgehaltener Hand Trumps „Verwundbarkeit“ längst ein. „Er hat viel verbrannte Erde hinterlassen.“
Vor allem da, wo ausschließlich registrierte Republikaner an den Vorwahlen teilnehmen durften (im Gegensatz zu parteipolitisch offenen Primaries), zeige sich die Notwendigkeit von „noch mehr Überzeugungsarbeit“.
Haley: Trump muss sich die Stimmen seiner innerparteilichen Gegner „verdienen”
Dass Haley-Wähler am Ende aus schierer Parteidisziplin doch in Massen bei Trump landen werden, glaubt man nicht. Zumal Haley zu den wenigen Top-Republikanern gehört, die für Trump bisher keine offizielle Wahlempfehlung („endorsement”) abgeben wollen. Sie sagt, Trump müsse sich die Stimmen seiner innerparteilichen Gegner „verdienen“. Trump sagt dagegen, in seiner Maga-Bewegung sei kein Platz für Haley-Fans.
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Für ihn kommt hingegen zurzeit nicht in Betracht, wozu Strategen ihm dringend raten: Haley wegen ihrer Strahlkraft in gemäßigten Wählerschichten zur Vizepräsidentschaftskandidatin zu machen. Als jüngst exakt dieses Gerücht in Umlauf gebracht wurde, war es Trump persönlich, der die Luft aus dem Ballon ließ. Er wünsche ihr alles Gute, schrieb Trump auf seinem Twitter-Ersatzportal Truth Social, aber Nikki Haley sei nicht in der engeren Wahl um das Ticket für die Nummer zwei. Trump setzte damit seinen Antikurs aus dem ersten Quartal fort. Damals nannte er sie „Spatzenhirn“ und konstatierte überheblich, sie sei nicht aus präsidialem Holz geschnitzt.
Aus der Konstellation lässt sich ein Vorteil für den Demokraten Joe Biden destillieren. Obwohl auch in der eigenen Partei weiter Vorbehalte gegen den 81-Jährigen bestehen, die vorwiegend um sein hohes Alter kreisen, hat er bei den Vorwahlen regelmäßig 85 bis 95 Prozent der Stimmen bekommen. Trump lag im Schnitt fast immer zehn Prozentpunkte niedriger.
Sollte es Joe Biden gelingen, Nikki-Haley-Wähler für sich zu gewinnen, was gerade durch passgenaue Ansprache etwa bei 150.000 Einwohnern von Pennsylvania versucht wird, wäre Donald Trump „Toast“.