Washington. Bei seiner Rede zur Lage der Nation zeigt der Präsident, was mit 81 in ihm steckt. Für einen Sieg gegen Trump reicht das noch nicht.
Wenn Joe Bidens „Rede zur Lage Nation” ein Boxkampf gewesen wäre, dann läge Donald Trump jetzt benommen auf der Matte und ließe sich Luft zufächeln. 13 Mal bekam der mutmaßliche Herausforderer des amerikanischen Präsidenten schwer aufs Kinn. Und das von einem Mann, der keine 24 Stunden vorher noch als Fall fürs betreute Wohnen verunglimpft wurde.
Stattdessen präsentierte sich auf der prestigeträchtigsten Bühne, die Amerikas Demokratie zu bieten hat – ein ungestümer Boxer, der bei seinem „Vorgänger”, den Namen Trump nahm er nicht in den Mund, von Ukraine/Putin über den Sturm aufs Kapitol bis hin zur wirtschaftlichen Lage viele Wirkungstreffer landete. Der schmerzhafteste: „Man kann sein Land nicht nur lieben, wenn man gewinnt.”
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Das saß. Eindringlicher hat noch niemand Trumps infamen Versuch charakterisiert, die Wahl 2020 nachträglich zu kippen und Amerika aus den Angeln zu heben. Bidens Darbietung kam zur rechten Zeit. Angesichts miserabler Umfragewerte musste im Wahlkampf eine Vitaminspritze her, um diejenigen verstummen zu lassen, die dem 81-Jährigen bösartig Senilität oder Demenz unterstellen, weil er wie sein Herausforderer Sätze verschluckt und Namen verwechselt, dabei aber mangels Bräunungs-Creme siecher aussieht.
Biden musste schlagfertige Geistesschärfe zeigen
Biden musste Energie, Kampfgeist und Leidenschaft zeigen. Auch schlagfertige Geistesschärfe war gefragt, denn die Opposition sollte mit Zwischenrufen und anderen Fisimatenten, wie den Polit-Clown-Kostümen von Marjorie Taylor Greene und Troy Nehls, Störmanöver fahren. Er hat diese Aufgabe, wie selbst Republikaner später zerknirscht zugaben, mit wachem Geist, leisem Selbstironie und altersweiser Größe erledigt.
Mehrfach stellte er Fallen, etwa bei dem Aufruf, ein dringend benötigtes Gesetzespaket zur Entschärfung der Krise um die illegale Einwanderung zu verabschieden oder Milliardären höhere Steuern abzuverlangen - die Partei der von Trump verordneten Obstruktion lief blind hinein.
Seiner größten Hypothek, seinem Geburtsdatum, kam Biden entwaffnend, fast charmant bei. Es komme nicht auf das Alter an, sagte der berufserfahrenste Politiker Amerikas. Sondern darauf, wie alt die Ideen sind, die man verfolgt. Denkt man an die frauenfeindliche, rückwärtsgewandte Abtreibungspolitik der Republikaner, die im November mit wahlentscheidend sein wird, wird klar, was der praktizierende Katholik meint.
Biden hat Wahlkampagne neues Leben eingehaucht
Joe Biden hat mit der sämtliche innen- wie außenpolitisch erogenen Zonen berührenden und viel Substanz bietenden „State of the Union”-Rede seiner Wahlkampagne neues Leben eingehaucht. Ersten Umfragen zufolge finden 60 Prozent der Amerikaner an seinem Kurs Gefallen. Das darf man nicht überbewerten. Der Widerstand rechts der Mitte ist so felsenfest wie die millionenfache Unterstützung für Trump. Und im politischen „Fleischwolf” Washingtons wird schon heute nicht mehr groß über die kleine Sternstunde geredet.
Es sei denn, der Präsident wagt sich ab sofort regelmäßig heraus aus seinem sorgsam behüteten Konkon im Weißen Haus. In Frage-Antwort-Runden mit den Bürgern. In knallharte Interviews gerade missgünstiger Medien, wo kein Teleprompter Halt bietet. Amerika muss über längere Strecken sehen und spüren können, was Joe „Rocky” Biden ohne Fallschirm zu leisten imstande ist. Wenn dann bis zum Sommer die objektiv beneidenswerten Wirtschaftsdaten in der Lebenswelt derer ankommen, die glauben, es unter Trump besser gehabt zu haben, kann das was werden mit dem Projekt Wiederwahl.
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