Berlin. Pyramiden, Steinzeit, Mittelalter: Dr. Konstantin Kárpáty ist Archäologe – und teilt sein Wissen mit Tausenden in Videos und im Podcast.
Mit Spitzhacke, Schaufel und Pinsel sucht Konstantin Kárpáty im Boden nach alten Schätzen, früheren Siedlungen und Geheimnissen der Geschichte. „Ich brenne für Archäologie“, sagt der 29-Jährige. Was für viele Hobby und Leidenschaft ist, hat er zu seinem Beruf gemacht. Seit kurzem hat der Münchener seinen Doktortitel in Archäologie in der Tasche. Sein Geld verdient Kárpáty auf Ausgrabungen. Sein Wissen und neueste Entdeckungen teilt der Archäologe nach Feierabend mit Tausenden – in Videos auf YouTube und Twitch auf dem Kanal „Excavation Time“ (zu Deutsch: Ausgrabungszeit) sowie in seinem Podcast „Ausgegraben“.
Im Interview verrät Konstantin Kárpáty, warum er möglichst viele Zuschauer und Zuhörerinnen für die Archäologie begeistern will, welche Funde ihn elektrisieren und warum die alten Römer „zum Glück“ von Recycling wenig gehalten haben.
Sie teilen Ihr Wissen in Podcasts, YouTube-Videos oder auch bei Instagram. Woher kam die Idee, eine ganze Themenwelt rund um Archäologie ins Leben zu rufen?
Konstantin Kárpáty: Ich brenne sehr für Archäologie. Neben dem Studium habe ich lange Zeit sehr viele Kurse belegt und viel Archäologie gemacht. Ein richtiges Hobby war es am Anfang aber noch nicht. Ich habe früher viel Musik gemacht. Das habe ich vor der Pandemie aufgegeben, es wurde mir zu stressig. Ich war mit dem Masterstudium fertig und wollte den Doktor machen. Dann ging die Pandemie los, mir war langweilig und ich habe mir gesagt: Wenn ich jetzt mein Herzblut in ein neues Hobby stecke, dann muss es die Archäologie sein.
Wie lang war der Weg hin zu Videos und Podcast?
Kárpáty: Bevor ich mit „Excavation Time“ in den sozialen Medien gestartet bin, habe ich fast ein halbes Jahr lang geplant und überlegt: Wie kommt dieser schmale Grat zwischen wissenschaftlich und populärwissenschaftlich an? Erzählt man etwas Falsches, steht das für immer im Netz. Damit will man sich nicht die Karriere versauen. Was mich antreibt, ist die Kulturvermittlung. Ich sehe mich als wissenschaftlichen Kanal und mache das Ganze aus Überzeugung.
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Was meinen Sie damit?
Kárpáty: Wir in der Archäologie sitzen schon in einer Art Elfenbeinturm. Dabei interessiert das Thema so viele Leute. Egal wo man ins Gespräch kommt, hört man: „Ich wollte auch mal Archäologie studieren“ oder „In der Rente werde ich es dann noch studieren“. Der Bedarf ist groß, darum habe ich angefangen. Und damit man heute jeden erreicht, muss man alle Kanäle bis hin zu Podcasts bedienen. So kann man viel mehr zeigen als mit nur einem Medium. Zum Beispiel mal schnell ein Foto von der Ausgrabung hochladen und Archäologie so zeigen, wie sie wirklich passiert.
Experte mit Videos und Podcast: „Zeigen, wie Archäologie wirklich passiert“
Wie erklären Sie sich diese Faszination: Was begeistert die Menschen so an Ausgrabungen, uralten Funden und geheimnisvollen Schätzen?
Kárpáty: Im Wesentlichen drei Dinge. Diese philosophischen Fragen „Wer bin ich, wo kommen wir her?“ stecken in jedem von uns. Zweitens übt der Gedanke an „Indiana Jones“, diese Kombination aus Abenteuer und Schatzsuche, eine Faszination aus. Drittens kommt dazu noch dieses Geheimnisvolle, dass wir in der Archäologie wie in der Geschichte ganz vieles noch nicht wissen. So entstehen viele Mythen. Zudem gibt es viele Kinderbücher und Spielzeug über die Römer, die Griechen, die Pyramiden. Mit diesem Grundwissen wachsen wir auf, zumindest in unserer westlichen Gesellschaft. Jeder hat damit einen Berührungspunkt.
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Ab welchem Moment wussten Sie: Archäologie ist genau das, was ich später mal beruflich machen will?
Kárpáty: Meine Englischlehrerin hatte Archäologie studiert. Sie hat in Pompeji und in Indien ausgegraben und oft davon erzählt. Das fand ich faszinierend, da kam auch bei mir dieser Abenteuergedanke auf.
Was fasziniert die Leute noch an Archäologie?
Kárpáty: Es findet vor ihrer Haustür statt. Wir sehen zwar auch spannende Sachen in anderen Ländern. Für viele ist aber vor allem Heimatgeschichte archäologisch total faszinierend. Das geht in der Steinzeit los oder bei den Kelten. Andere wiederum interessieren sich für die Geschichte vor 100 bis 200 Jahren. Das Thema ist unfassbar groß mit vielen Nuancen.
Und Sie persönlich?
Kárpáty: Ich habe mich in meiner Doktorarbeit auf Schlachtfeld- und Frühmittelalter-Archäologie fokussiert. Aber es gibt Textil-Archäologie, Unterwasser-Archäologie, christliche Archäologie und vieles mehr. Jedes Publikum hat hier andere Interessen.
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Welche aktuellen Bewegungen in der Archäologie erleben wir gerade?
Kárpáty: Den Feminismus zum Beispiel. Dort wird verstärkt auf Frauen in der Vergangenheit geschaut, die größtenteils untergegangen sind. Man hat sich früher vor allem auf die männlichen Anführer gestürzt. Viele Archäologinnen forschen gerade in diese Richtung, da passiert sehr viel. Gerade durch die sozialen Medien ist das heute sehr lebendig. Nicht mehr so ein trockenes Altherrending wie früher.
Sie stellen jeden Monat die aus Ihrer Sicht wichtigsten Archäologie-Neuigkeiten zusammen: Was muss ein Thema haben, damit es Sie elektrisiert und Sie es aufschnappen?
Kárpáty: Ich schaue immer, dass ich neben kleinen deutschen Regionen auch internationale Themen wie Ägypten mit einbaue. Dinge aus fernen Ländern, die vielleicht nicht jeder auf dem Schirm hat. Frühe Menschen in Afrika? Das hat man schon mal gehört. Aber dass zum Beispiel die Sahara eigentlich grün war, dass es Felszeichnungen von Krokodilen gab und dass in der Region Wasser gewesen sein muss – da entsteht beim Lesen ein Aha-Effekt. Dazu kommen Themen, die für die deutsche Archäologie interessant sind. Ich schaue, was mich interessiert und kann gut herausfiltern, was für die breite Masse interessant ist.
Archäologe Kárpáty: „In jedem Stück steckt viel Geschichte“
Sie nehmen beruflich selbst an Ausgrabungen teil und haben das auch schon live ins Internet übertragen.
Kárpáty: Zwei Live-Übertragungen habe ich bisher von dort gemacht. Das Problem ist: Wir Archäologen halten ja immer nebenan den Baustellenbetrieb auf, daher klappt das Filmen nicht immer. Ansonsten habe ich seit 2014 schon alle Zeitstellungen der Geschichte einmal abgedeckt. Gerade grabe ich wieder eine Siedlung aus der Jungsteinzeit aus. Ich habe auch schon in und an Konzentrationslagern ausgegraben.
Was waren bisher Ihre spannendsten Funde?
Kárpáty: Wir haben im Münchener Westen mal eine römische Siedlung ausgegraben. Dort habe ich wunderschöne silberne Gewandnadeln gefunden, sogenannte Fibeln. Die Römer waren sehr unfreudig, was Recycling angeht – die haben immer einfach alles weggeschmissen. Ein Glück für die Wissenschaft.
Was noch?
Kárpáty: Eine Siedlung in Niederbayern aus der frühen Bronzezeit. Damals hatte man noch Pfeilspitzen aus Feuerstein. Die Oberflächen dieser Pfeilspitzen waren komplett beschlagen. Die lagen in einem Loch und sahen wunderschön aus. Ein anderer toller Fund war mal ein keltischer Glasarmring. In jedem Stück steckt viel Geschichte. Umso mehr man sich auskennt, desto mehr Fantasie spielt sich dann im Kopf ab.
Welcher Fund fehlt Ihnen noch?
Kárpáty: Ich habe noch nie etwas aus Gold gefunden. Das steht noch zum Abhaken auf meiner persönlichen Liste.
Ist der Fund das, was Sie antreibt?
Kárpáty: Die Frage nach den Funden kommt immer von außen. Klar, im Museum sieht man den Goldtopf oder das alte Messer und ist begeistert. Für mich als Archäologen ist aber das Gesamtergebnis viel faszinierender. Gerade graben wir eine Siedlung aus und haben schon 25 Häuser gefunden. Da sind Gräber dabei, tolle Keramikfragmente, Werkzeuge. Das Gesamtbild dieser Siedlung ist das, was ich wahnsinnig spannend finde.
Dürfen Sie verraten, wo?
Kárpáty: In Oberbayern, an der Grenze zu Niederbayern, bei Freising und Landshut. Aber es ist immer schwierig, Orte von noch nicht abgeschlossenen Grabungen zu nennen.
Warum?
Kárpáty: Mitunter kommen dann ungebetene Gäste, die nachts die Grabungsfläche plündern. Das ist ein großes Problem.
Zur Person
Konstantin Kárpáty (29)
- Betreiber der Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und des Podcasts „Ausgegraben“
- Doktor der Archäologie im Bereich Frühgeschichte aus München
- Studium und Doktortitel an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München
- arbeitet als Ausgräber und Grabungsleiter, auf privaten und öffentlichen archäologischen Ausgrabungen