Sachsen-Anhalt. Eine neue Entdeckung in Sachsen-Anhalt wirft bei Archäologen Fragen auf: Wie landeten „steinzeitliche Konserven“ so weit im Norden?
Vor Zehntausenden Jahren waren Schildkröten offenbar ein beliebter Snack der steinzeitlichen Bewohner Deutschlands. Kein Wunder, steckt doch das Fleisch der Reptilien voller Proteine. Doch unsere Vorfahren schätzten die Schildkröten wohl noch aus einem anderen Grund: In ihrem Schildkrötenpanzer war das Fleisch leicht zu transportieren und zu konservieren. Die Überreste solcher frühen „Konserven“ haben Archäologen nun in einer Kiesgrube in Sachsen-Anhalt gefunden.
Im Kieswerk Barleben-Adamsee (Landkreis Börde) bargen Forscher fünf Schildkrötenpanzerfragmente der europäischen Sumpfschildkröte. Das teilte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) am Donnerstag in Halle mit. Durch Untersuchungen mit der Radiocarbon-Methode, bei der der Zerfallsstatus von Kohlenstoff gemessen wird, habe man für die Schildkrötenpanzer ein Alter zwischen 42.000 und 50.000 Jahren ermittelt. Die Tiere hätten somit während der jüngsten Eiszeit gelebt, der sogenannten Weichselkaltzeit.
- Unterwasser-Archäologie:Wrack von legendärem U-Boot aus Zweitem Weltkrieg gefunden
- Kannibalismus: Archäologen machen schaurige Entdeckung in Jamestown-Kolonie
- Altes Ägypten: Krebsoperationen schon vor 4300 Jahren?
- Antike:Archäologen entdecken römischen Luxus-Swimmingpool
- Niederbayern: Skelett von steinzeitlichem „Bürgermeister“ aufgetaucht
Archäologie: Schildkrötenpanzer waren „leicht transportable Frischfleischvorräte“
Ethnografische und historische Vergleiche zeigen, dass Menschen Schildkröten häufig als Proviant auf Reisen mitnahmen. Die Tiere waren demnach leicht zu transportieren und boten auch bei ausbleibendem Jagderfolg eine Versorgung mit frischem Fleisch. Die Funde dürften aufgrund der damals herrschenden tiefen Temperaturen außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets der europäischen Sumpfschildkröten liegen, hieß es. Es sei möglich, dass eiszeitliche Jäger, etwa Neandertaler, die Schildkröten in nördliche, kühle Gefilde mitgebracht hätten.
Zudem wurden zahlreiche Feuersteingeräte entdeckt. „Die Schildkrötenpanzerfragmente geben wahrscheinlich einen Einblick in die Lebensweise unserer frühen Vorfahren: Es könnte sich um leicht transportable Frischfleischvorräte, quasi steinzeitliche Konserven, gehandelt haben“, sagte die Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege beim LDA Sachsen-Anhalt, Susanne Friederich. „Durch jahrelange Beobachtung des durch Schwimmbagger zutage geförderten Materials ist es gelungen, einzigartige Belege zur frühen Anwesenheit des Menschen in Mitteldeutschland zu sichern.“
Lesen Sie auch:Zahnarzt entdeckt menschlichen Kiefer mit Zähnen in Fliese
Forscher fasziniert: Kiesabbau im Adamsee bringt immer wieder archäologische Funde zutage
Aufgefallen sind die Stücke im Rüttelsieb des Baggers dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Uwe Beye. „Die Funde aus dem Kieswerk Barleben-Adamsee zeigen in hervorragender Weise den Beitrag, den ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger in unserem Land leisten“, sagte Friederich.
Durch den Kiesabbau im Adamsee seien dort immer wieder archäologische Funde entdeckt worden. Bereits 1998/99 habe man eine knapp 42 Zentimeter lange, aus der Rippe eines Boviden (Ur oder Wisent) angefertigte Spitze gefunden. Sie stammt den Angaben zufolge vermutlich aus dem 33. Jahrhundert vor Christus. Das mache den Fund zu einem der ältesten geschliffenen Knochengeräte Mitteldeutschlands, hieß es. Auch seien bereits gut 180 Feuersteinartefakte wie Faustkeile, Kerne und Abschläge entdeckt worden.
Auch spannend:Schiffswrack voller deutscher Söldner offenbart Geheimnis