Berlin. Nur jeder zweite Deutsche hat ein Hobby. Freizeitforscherin Renate Freericks gibt Tipps, wie jeder den perfekten Zeitvertreib findet.
Gerade zum Jahresbeginn macht sich der ein oder die andere Gedanken, was einen neben Beruf und Familie wirklich antreibt. Was interessiert mich eigentlich, wo kann ich besser werden und wofür brennt meine Leidenschaft? Eine tolle Gelegenheit, Hobbys von früher wieder aufzunehmen oder sich zum Jahresstart mal in ganz neuen Hobby auszuprobieren. Denn nach Feierabend Netflix-Serien schauen und sich auf dem Handy zu berieseln lassen: Das ist kein Hobby, stellt Renate Freericks klar.
Im Interview erklärt die Professorin für Freizeit- und Tourismuswissenschaft an der Hochschule Bremen, wie wir das perfekte Hobby für uns finden, warum Hobbys für ein erfülltes Leben so wichtig sind – und wie wir uns im überladenen Alltag die Zeit dafür freischaufeln.
Frau Freericks, zu Jahresbeginn wollen sich manche Menschen aufraffen neue Hobbys auszuprobieren – oder sich überhaupt erst eines zuzulegen. Wie finde ich denn ein Hobby, das zu mir passt?
Den Jahreswechsel hätte ich gar nicht unbedingt mit neuen Hobbys verbunden. Die ersten Hobbys sucht man sich ja schon als Kind. Eltern drängen einen da, doch mal zu schauen, welchen Freizeitinteressen man ausgiebiger nachgehen möchte. Deswegen ist ein Hobby etwas, das sich in der Kindheit schon durch Leidenschaften entwickeln kann, aber auch durch Eltern oder durch Freundinnen und Freunde. Indem man sich austauscht, weil man mitgenommen wird, etwas ausprobiert und sagt, Mensch, das ist auch was für mich.
Ist es sinnvoll, dann im Laufe des Lebens, weil vielleicht die Kinder aus dem Haus sind, nochmal gezielt nach neuen Hobbys zu gucken – und sich zu fragen, was interessiert mich überhaupt im Leben außerhalb von Job und Familie?
Auf jeden Fall. Häufig ist es so, dass Hobbys aus der Jugendzeit mal eine Weile brachliegen. Weil man für Studium oder Ausbildung den Wohnort wechselt oder man mit Beginn der Familienphase keine Zeit mehr hat. Wenn dann etwas Ruhe eingekehrt ist oder später die Kinder aus dem Haus sind, dann sollte man sich schon Gedanken darüber machen. Einige fangen dann einfach wieder das Hobby an, was sie vor dieser Zeit schon mal hatten. Dann hole ich zum Beispiel meine alte Geige wieder raus. Aber es gibt natürlich auch Dinge, die man neu ausprobieren kann. Weil vielleicht neue Dinge entstanden sind, die man früher gar nicht gemacht hat oder wo digitale Errungenschaften dazugekommen sind. Habe ich mich früher mit analoger Fotografie beschäftigt, kann ich mich jetzt mit der digitalen Fotografie auseinandersetzen, um mich weiterzuqualifizieren.
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Freizeitforscherin: „Nur gut die Hälfte hat überhaupt ein Hobby“
In den sozialen Medien kursiert schon länger die sogenannte Three Hobbies Theory: Demnach sollte jeder Mensch für ein erfülltes Leben bestenfalls je ein Hobby pflegen aus den drei Bereichen Geld hinzuverdienen, körperliche Aktivität und Kreativität. Ist da aus Ihrer Sicht etwas dran?
Das klingt nach einer schönen Theorie. Aber wenn man etwas wirklich mit Leidenschaft verfolgt – neben seinen ganzen anderen Tätigkeiten – dann ist es immer schon toll, wenn die Leute überhaupt ein einziges Hobby pflegen. Dass man sogar Hobbys aus allen drei genannten Bereichen hat, ist schon eher selten. Nur gut die Hälfte der Bevölkerung hat überhaupt ein Hobby. Dabei zeigen neue Studien, dass das auch förderlich für die Gesundheit ist, weil man sich engagiert, weil man dadurch Anerkennung bekommt und man damit im Zweifel auch depressive Stimmungen vertreiben kann.
Welchen Zweck erfüllt so ein Hobby für uns Menschen? Wo bringt es mich als Person weiter?
Ein Hobby in seiner Grundstruktur ist erstmal nichts zum Geldverdienen. Sondern es soll einen insgesamt bereichern, es soll Spaß machen und ein Ausgleich zum Beruf sein. Wenn ich einen bewegungsarmen Job habe, gerate ich dadurch mehr in Bewegung. Wenn ich nicht so kreativ in meinem Job sein kann, kann ich das darüber ausleben. Jedes Hobby ist aber auch eine Weiterqualifizierung. Ich beschäftige mich mit dem Thema und werde so zu einem kleinen Experten beziehungsweise Expertin in meinem Bereich, vor allem bei den kreativen Aktivitäten.
Im Sportbereich sorgt ein Hobby dafür, dass ich gesund und fit bleibe. Und wenn ich den Sport mit anderen gemeinsam mache, hat das auch eine soziale Funktion. Ich bin nicht alleine, begebe mich mit anderen in den Austausch, kann von anderen etwas lernen. Man bereichert sich gegenseitig.
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Hobby im Alltag einplanen: „Diese Zeit am Tag oder Abend ist für nichts anderes da“
Was ist die Gefahr, wenn ich auch in der Freizeit sehr ehrgeizig an die Sache rangehe und unbedingt der Beste in meinem Hobby sein will?
Wenn man es mit dem Ehrgeiz übertreibt, hat es nicht mehr diesen Erholungswert. Hobbys sollen ja auch der Erholung und dem Ausgleich dienen und nicht dazu, dass man darüber wieder in Stress gerät. Es kann auch sein, dass es sich um ein sehr teures Hobby handelt. Da muss man schauen, kann man sich das finanziell überhaupt leisten. Zum anderen ist es nicht gut, wenn ich mein Hobby mit so einem Ehrgeiz das verfolge, dass es schon wieder schädlich werden kann. Das Wichtigste ist: Man sollte Spaß und Lust an seinem Hobby nicht verlieren.
Viele empfinden ihren Alltag heute als stressig und mit Terminen und Aufgaben überladen. Haben die Leute heute in Zeiten von Handy und Co. tatsächlich weniger Zeit für Hobbys als früher?
Die Hälfte der Menschen hat ein Hobby, das sie regelmäßig mindestens einmal pro Woche ausüben. Das ist noch nicht viel. Gerade jüngere Menschen klagen darüber, dass ihnen die Zeit auch aufgrund digitaler Medien durch die Finger rinnt. Dass sie viel am Handy sind, Serien streamen und sich so lange mit Medien beschäftigen, dass sie das Gefühl haben, es bleibt gar keine Zeit mehr für etwas anderes. De facto ist das aber gar nicht so. Wenn man mal die Zeit für Studium oder Ausbildung, für Beruf oder Familie abrechnet, dann hat man im Schnitt immer noch vier bis fünf Stunden Freizeit.
Beziehung: „Es gibt Hobbys, die man sehr gut als Paar ausleben kann“
Welche Tipps können Sie gestressten Menschen geben? Wie schaffe ich es, mir neben Job und Familie noch Zeit für ein Hobby freizuschaufeln?
Man muss sich feste Zeiten setzen. Hilfreich ist es fast immer, wenn man etwas mit Freunden zusammen, statt alleine macht. Wenn der innere Schweinehund überwunden werden muss, ist es leichter, wenn andere mich dazu auffordern mitzukommen und mitzumachen. Manchmal helfen da Gespräche mit Freunden, die sagen: Komm, probier das mal aus, das ist doch genau das Richtige für dich. Oder man geht erstmal zusammen hin und merkt dann: Wieso habe ich das nicht schon viel länger gemacht?
Was hilft noch?
Einfach mal Schnupperkurse machen. Ich würde mich im Sportbereich niemals sofort fest binden und langfristige Verträge unterschreiben. Sondern erstmal testen, ob es etwas für mich ist. Dann kann ich immer noch sagen: Das macht mir Spaß und ich verfolge das jetzt regelmäßiger. Dann muss man sich ganz bewusst Zeiten dafür in seinem Kalender freihalten und festlegen: Diese Zeit am Tag oder Abend ist für nichts anderes da.
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Können Paare von einem gemeinsamen Hobby profitieren – oder ist es gut, auch mal Freizeit allein zu verbringen?
Das kommt auf die Paare an. Es gibt Hobbys, die man sehr gut als Paar ausleben kann und die die Partnerschaft festigen. Andere sagen: Wir hocken schon so viel aufeinander, dieses eine Hobby ist jetzt mein Bereich, wo ich etwas Eigenes machen kann. Ich würde immer schauen, was man sich selbst wünscht – für die eigene Zufriedenheit, aber auch für die Paarbeziehung.
Wie dramatisch hat sich das Thema Hobby aus Sicht der Freizeitforscherin gewandelt?
Schaut man mal auf die Freizeitforschung der 1970er-Jahre, war es eigentlich selbstverständlich, dass Menschen Hobbys hatten. Viele hatten ihr Eigenheim mit Hobbykeller. Dort ist dann ganz typisch der Mann drin verschwunden oder man hatte eine Sammlerleidenschaft mit Postkarten, Briefmarken oder sonstige Dinge. Das hat sich so ein bisschen aufgelöst. Heute geht es eher um etwas Kreatives wie Upcycling oder dass man sich bei Aktionen gemeinsam für Dinge aktiv einsetzen möchte. Und man kann heute vieles einfach durch die digitalen Medien selbst produzieren. Ob Musik oder Fotografie – da ist vieles möglich.