Siegen-Wittgenstein. Feudingen: „Zeit, Illegale abzuschieben“ sorgt für Diskussionen. Bundestagskandidat nennt Awo, DRK und Caritas Flüchtlingsindustrie
Die AfD startet im Bad Laaspher Ortsteil Feudingen provokant in den Bundestagswahlkampf. „Zeit, Illegale abzuschieben“ steht auf einem Plakat, das in Feudingen direkt neben den Wohncontainern für Geflüchtete an der Sieg-Lahn-Straße angebracht worden ist. Auf der Facebookseite „Verspottet Bad Berleburg“ häufen sich die Kommentare unter dem geposteten Foto.
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„Das Plakat ist provokant“, bestätigt Bad Laasphes Bürgermeister Dirk Terlinden (parteilos). „Aber es stammt von einer demokratisch legitimierten Partei und wir leben in einem Land mit freier Meinungsäußerung, ob uns der Inhalt des Plakates gefällt oder nicht. Davon abgesehen gibt es keine Bannmeile rund um Einrichtungen, die das Plakatieren verbietet und es stellt keine Verkehrsgefährdung dar.“ Problematischer empfindet Terlinden aber die Aussage des Plakates im Zusammenhang mit den Bewohnern der Container: „Es unterstellt, dass sich diese Menschen illegal hier aufhalten. Das stimmt nicht.“
„Es unterstellt, dass sich diese Menschen illegal hier aufhalten. Das stimmt nicht.“
Diese Plakatierung dürfte bewusst öffentlichkeitswirksam eingesetzt worden sein, weil sich Ähnliches bereits bei der Europawahl 2024 in Feudingen ereignet hatte und es vergleichbare Beispiele aus dem Europawahlkampf aus anderen Kommunen wie Minden-Lübbecke oder Mülheim an der Ruhr gegeben hat. Das Vorgehen passt zur Wahlkampfrhetorik des AfD-Bundestagskandidaten Christian Zaum aus Bad Laasphe. Der hatte in seiner provokanten Bewerbungsrede beim NRW-Parteitag in Marl von einer „Flüchtlingsindustrie“ gesprochen. Auf Nachfrage der Redaktion erläutert der Gymnasiallehrer, wen er mit diesem Begriff kritisieren will. Mit Flüchtlingsindustrie meint er „eine Industrie, die nicht wertschöpfend tätig ist, sondern meist ohne messbaren Nutzen Leistungen für Ausländer zu Lasten des Steuerzahlers anbietet. Remigration würde diesem Geschäftsmodell einen großen Teil seiner Grundlage entziehen“, sagt Zaum.
„Remigration würde diesem Geschäftsmodell einen großen Teil seiner Grundlage entziehen.“
„Aus der kommunalpolitischen Praxis kann ich Ihnen sagen, dass der Kreis Siegen-Wittgenstein ca. 70 Prozent seiner Aufwendungen für Soziales tätigt. Im Rahmen des Projektes ‚Kommunales Integrationszentrum‘ (KIZ) werden Flüchtlinge, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, mit allen möglichen Zusatzleistungen versorgt. (Sprachkurse, Alltagshilfe, Wohnraumberatung, Rechtsberatung, Berufsförderung, psychologische Beratung usw.) Anbieter dieser Leistungen sind in der Regel die Wohlfahrtsverbände (Awo, Diakonie, Caritas usw.), die diese Leistungen kostenpflichtig abrechnen und überdies immer neue Zuschüsse fordern. Zum Schaden des Steuerzahlers“, erläutert Zaum in einer Mail.
Tatsächlich sind in dem Kreishaushalt für 2025 Ausgaben in Höhe von 612 Millionen Euro gebucht, von denen fast 70 Prozent Sozialausgaben sind. Allerdings fließt der Löwenanteil daraus nicht in Kosten für Flüchtlinge, sondern in Aufstockungsleistungen von Menschen, deren Verdienst aus Arbeit unter dem Mindesteinkommen liegt, oder deren Renten zu niedrig sind. Hinzu kommen Wohngeld oder die Finanzierung des Kreisjugendamtes. Allein 106 Millionen fließen in den Landschaftsverband Westfalen Lippe, der unterem anderem Integration von Behinderten finanziert. 98,8 Millionen fließen in die Kindertagesbetreuung, um zwei große Posten zu benennen. Und laut dem Pressesprecher des Kreises, Torsten Manges, wird das kommunale Integrationszentrum (KIZ) zu 85 Prozent über Zuschüsse des Landes und des Bundes finanziert. „Sprachkurse werden zu 100 Prozent gefördert, die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten zum Beispiel ebenfalls zu 100 Prozent“, so Manges.
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Zaum wirft den Wohlfahrtsverbänden auch deren Verbindungen in die Politik vor: „Diese Wohlfahrtsverbände sind kommunalpolitisch gut vernetzt. Diese politische Vernetzung sorgt dafür, dass die Auftragsbücher weiterhin gut gefüllt sind“, so Zaum. Er nennt Ullrich Georgi (Die Linke) als Vorsitzenden des Paritätischen, Adhemar Molzberger, Gerd Debus und Erndtebrücks Bürgermeister Henning Gronau (alle SPD) sind im Vorstand der Awo. Landrat Andreas Müller (SPD) ist DRK-Kreisverbandsvorsitzender, und Michael Groß (Grüne) ist Geschäftsführer des Vereins für Soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen.
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Angebote zur Integration von Geflüchteten sind aber nicht die Kernaufgabe oder sozusagen große Einnahmequelle der Wohlfahrtsverbände in Siegen-Wittgenstein. Nach Recherchen dieser Redaktion machen Angebote für Geflüchtete beim Awo-Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe weniger als ein Prozent des Jahresumsatzes aus. Die Awo erwirtschaftet den Löwenanteil ihrer Einnahmen mit den über 60 Kindergärten und den Behindertenwerkstätten. Und dieses unterfinanzierte Engagement rechnet sich nur, weil es staatliche Zuschüsse gibt.
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Das Land NRW hat aber für 2025 erhebliche Kürzungen in diesem Bereich geplant. Deswegen äußerte sich bereits im November auch der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (AGW) in Siegen-Wittgenstein, Jens Hunecke besorgt: „83 Millionen Euro sollen im nächsten Jahr im sozialen Sektor eingespart werden. Das sind Gelder, die dringend für die Unterstützung der Schwächsten in unserer Gesellschaft benötigt werden. Diese Kürzungen werden verheerende Auswirkungen haben.“ Hunecke ist auch Geschäftsführer des Awo-Kreisverbandes.
Unstrittig ist, dass die Unterbringung von Geflüchteten durch Bund, Land und Kommunen finanziert werden und damit insgesamt die Steuerzahler diese Aufgaben bezahlen. Laut ARD hat der Bund in 2023 26,65 Milliarden Euro (5,8 Prozent des Gesamthaushaltes) für alle Kosten rund um Geflüchtete aufgebracht. Insgesamt wurden 76 Milliarden für Sozialleistungen ausgegeben. 2022 waren es noch 29,84 Milliarden (6,0 Prozent des Gesamthaushaltes). 2024 lag der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt insgesamt bei 41,3 Prozent und damit 7 Prozent höher als noch 2019.
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