Hilchenbach. Im Gezerre um die Florenburgschule gibt die Stadt auf: Neben den fast fertigen Erweiterungsbau wird nun ein „Interimsbau“ gestellt.

Stadtrat Christoph Ermert stapelt tief, als er das Desaster um den unvollendeten Erweiterungsbau neben der Florenburgschule beschreibt: „Ärgerlich“ sei das, sagt wer, und die Mitglieder des Schulausschusses schnappen nach Luft. Weil die Grundschule nicht in das neue Gebäude einziehen darf, lässt die Stadt über dem Parkplatz zwischen Grund- und Realschule dasselbe noch einmal aufbauen: vier Klassenräume und Sanitärräume wie in dem stillgelegten Modulbau, dazu nun aber auch noch zwei Differenzierungsräume. „Eher höherwertig“, betont Christoph Ermert. Der „Interimsbau“, wie er nun genannt wird, ist nicht einfach ein Container. Er wird womöglich sehr lange da stehen.

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Das ist passiert

„Das hatten wir uns alle ganz anders vorgestellt“, sagt Schulausschussvorsitzender Markus Köppen (SPD) und bleibt damit ebenfalls recht gemäßigt. Für den Modulbau an Stelle eines massiven Anbaus hatte die Stadt sich im Spätsommer 2022 deshalb entschieden, damit die aus den Nähten platzende Schule schnell entlastet werden kann. Nach den Sommerferien 2023 sollten dort drei 1. Klassen und eine Gruppe des offenen Ganztags einziehen. Doch dazu kam es nicht. Die Bauaufsicht des Kreises Siegen-Wittgenstein verhängte einen Baustopp. Für die im Ausland hergestellten Bauteile fehle „ein nach den Regelungen der Bauordnung zwingend vorzulegendes Prüfzeugnis einer Materialprüfanstalt, das bescheinigt, dass die Bauteile ausreichend feuerhemmend sind und die vorgeschriebene Feuerwiderstandsfähigkeit aufweisen“, teilte die Kreisverwaltung damals mit.

„Das hatten wir uns alle ganz anders vorgestellt.“

Markus Köppen, SPD

Um zumindest zwei Klassenräume im Erdgeschoss nutzen zu können, sollten ein neuer Bauantrag gestellt und ein überarbeitetes Brandschutzkonzeptes vorgelegt werden. Wenn dann das geforderte Prüfzeugnis vorgelegt werde, könnte, mit neuem Bauantrag, im Obergeschoss weitergearbeitet werden. Das war der Stand im September 2023. Danach wurden Steine aus dem Weg geräumt. Die Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt für das Bauwesen Leipzig (MFPA) nahm den Auftrag an, im Sommer 2024 lag die Baugenehmigung des Kreises vor.

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Die Zuversicht war groß, denn jetzt ging es nur noch um ein Dokument: eine „vorhabenbezogene Bauartgenehmigung“, die vom NRW-Bauministerium auszustellen ist. Die kommt, sobald die MFPA einen „Brandversuch“ vorgenommen hat, erklärt Stadtrat Christoph Ermert dem Schulausschuss. Dazu braucht sie die Konstruktionsunterlagen und eine Materialprobe, „ein drei Mal drei Meter großes bauartgleiches Stück“, so Ermert. Das aber bleibe die Deumoba, das Modul- und Gewerbebauunternehmen aus dem sauerländischen Ense, schuldig. Da könne man doch aus dem aufgestellten Bau „ein Stück rausschneiden und nach Leipzig bringen“, schlägt Carsten Irle (CDU) vor. „Das haben wir angeboten“, antwortet Christoph Ermert, „das war aber nicht gewünscht.“ Die Stadt würde ihren Gewährleistungsanspruch verlieren, wenn sie sich trotzdem an dem Bau zu schaffen macht.

So geht es weiter

Wöchentlich, berichtet Christoph Ermert, haben sich seit Sommer Stadt, MFPA, Ministerium und Deumoba mit ihrem Architekten zusammenschaltet. „Tatsächlich kommen wir nicht wirklich weiter.“ Daher greife nun „Plan B“: der Interimsbau über dem Parkplatz, der „so schnell es eben geht“ errichtet werden soll. Der neue Modulbau wird, im Gegensatz zum gesperrten, eingeschossig und zunächst nur gemietet. Im April 2026, so der Plan, sollen diese Räume zur Verfügung stehen. Dann muss es auch sein, sagt Ermert auf Nachfrage dieser Zeitung: 2026 wird wieder ein starker Einschulungsjahrgang erwartet, der Rechtsanspruch auf einen Platz im offenen Ganztag tritt in Kraft. Ohne zusätzliche Räume, so Stadtrat Ermert, „fällt spätestens dann alles auseinander“.

Der auf den unteren Schulhof umgesetzte Container muss weiter genutzt werden.
Der auf den unteren Schulhof umgesetzte Container muss weiter genutzt werden. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Offen ist, wie lange der Interimsbau dort stehen bleiben wird – womöglich auf Dauer, weil er den für den Erweiterungsbau schon für dieses Jahr geplanten zweiten und einen späteren dritten Bauabschnitt ersetzen könnte. Oder er wird nach Müsen umgesetzt – auch die andere städtische Grundschule braucht mehr Platz. „Es kommt drauf an, was passiert“, sagt Ermert, „es gibt alle möglichen Varianten.“

„Wie wollen wir das dem Steuerzahler erklären?“

Olaf Kemper, CDU

Von den 1,8 Millionen Euro, die der Deumoba-Bau kostet, hat die Stadt bereits 1,3 Millionen Euro, dem Baufortschritt entsprechend, bezahlt. Hinzu kommen die Kosten für den Interimsbau: 125.000 Euro für die Herrichtung der Fläche, 230.000 Euro für Planung, Vorbereitung, Transport und Aufstellung. Und dann jährlich 113.000 Euro Miete. „Wie wollen wir das dem Steuerzahler erklären?“, fragt Olaf Kemper (CDU). Die Stadt Hilchenbach hat ein Fachanwaltsbüro eingeschaltet, um die Deumoba in Regress zu nehmen. Es läuft auf einen langwierigen Rechtsstreit hinaus. Was die Deumoba dazu sagt? Auf Nachfragen dieser Zeitung reagiert das Unternehmen nicht.

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Auf dem unteren Schulhof steht immer noch der Container, der dorthin umgesetzt worden ist, als oben der Modulbau aufgestellt wurde. Die Kreisverwaltung habe die Genehmigung um ein Jahr verlängert, berichtet Christoph Ermert. Und, dass in dem Container gerade einer der beiden Räume für den offenen Ganztag gesperrt sei. Wasserrohrbruch. Andrea Klein von der städtischen Schulverwaltung weiß, dass es Bewerbungen für die Schulleitungsstellen gibt – nicht nur Müsen ist vakant. Auch Rektorin Anja Koch hat der Florenburgschule und Hilchenbach den Rücken gekehrt; sie leitet jetzt die Grundschule in Grevenbrück. „Wir hatten mal eine Schule in Helberhausen“, seufzt Klaus Stötzel (SPD), „die haben wir unsinnigerweise abgerissen.“

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