Siegen. Bundesregierung will 2025 drastisch bei der Integration sparen - nicht nur für die Lehrkräfte eine höchst prekäre Situation, berichten zwei Siegener.
Die Integration von geflüchteten Menschen ist wohl eine der größten Herausforderungen in der Migrationsthematik. Im ersten Vorschlag des Bundes für den Haushalt 2025 sollen die Kosten für Integrations- und Berufssprachkurse gekürzt werden. Dabei reichen diese schon jetzt kaum aus. Sophie Wachter und Alexander Hilger aus Siegen sind freiberufliche Lehrkräfte und berichten von ihren Erfahrungen.
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Die meisten Flüchtlinge beginnen mit einem Integrationskurs, dann folgt ein Berufssprachkurs. „Die Berufssprachkurse sind meist die Voraussetzung für die Jobs. Ohne den Kurs können auch viele Fachkräfte nicht anfangen zu arbeiten“, sagt Alexander Hilger. „Das Problem des Fachkräftemangels ist uns allen bewusst. Wir werben Fachkräfte aus dem Ausland an, und wenn sie dann nach Deutschland kommen, können sie meist über ein halbes Jahr nicht arbeiten, weil die Kurse nicht ausgelastet sind.“ Sophie Wachter fügt hinzu, dass der Übergang von den Integrationskursen zu den darauf folgenden berufsbezogenen Sprachkursen lang ist, in der Regel mehrere Wochen. Je nachdem, wie viele Bewerber in der Umgebung wohnen, variiert auch die Auslastung der Kurse von Standort zu Standort.
Siegen: Sparplan behindert Integrationskurse – Lehrkräfte bangen um ihre Jobs
Die Bundesregierung will die Kosten für Integrations- und Berufssprachkurse halbieren. Wo bisher 1,24 Milliarden Euro ausgegeben wurden, sollen es jetzt nur noch 500 Millionen Euro sein. Eine Kürzung um 59,68 Prozent. Eine Kürzung, die nicht nur die Teilnehmer fassungslos macht: „Das ist auch für uns erschreckend, als Freiberufler hat man so überhaupt keine Planungssicherheit mehr und macht sich dann natürlich schon Sorgen um seinen Job“, sagt Sophie Wachter.
Integrationskursverordnung
Die Integrationskurse setzen sich aus Sprach- und Orientierungskursen zusammen. In den rund 700 Unterrichtseinheiten lernen die Flüchtlinge neben der Sprache auch Wichtiges über die deutsche Rechtsordnung, Geschichte und Kultur sowie über die in Deutschland zentralen Werte wie Religionsfreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Mit dem neuen Integrationsgesetz will die Bundesregierung die Integration beschleunigen und effizienter gestalten. Anhand eines Einstufungstests werden die Teilnehmenden entsprechend ihrer individuellen Vorkenntnisse in die entsprechenden Kurse eingeteilt. Die Einstufung erfolgt in drei Kategorien. Personen mit guten Deutschkenntnissen haben so die Chance, das Integrationsprogramm schneller abzuschließen.
Die Zahl der Teilnehmenden an Integrationskursen steigt kontinuierlich. Nach dem Rekordjahr 2023 mit 363.000 Teilnehmenden haben in diesem Jahr bereits über 325.000 (Stand: 24.11.2024) einen Kurs begonnen.
Viele Lehrkräfte in diesem Bereich arbeiten freiberuflich und gehen damit ein gewisses finanzielles Risiko ein. „Die Selbstständigkeit ermöglicht gerade in diesem Bereich meist ein besseres Einkommen als eine Festanstellung, bringt aber auch eine gewisse Unsicherheit mit sich“, sagt Alexander Hilger. Wenn man die Kurse streiche, könne es passieren, dass sich die Freiberufler woanders umsehen, und wenn man die Kurse dann wieder aufstocke, fehle es noch mehr an Lehrern, wenn sich einige dann woanders ein Standbein aufbauen.
Siegen: Offene Fragen nach Bundeshaushaltssparplan – wie geht es mit der Integration weiter?
Kurz nach der Ankündigung der Kürzungen wurde zwar eine neue Integrationskursverordnung vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) veröffentlicht, die einen Alternativplan zur Sicherung der Kurse bietet, doch bleiben Fragen offen. „Es war nur von den Integrationskursen die Rede, was mit den ebenso wichtigen Berufssprachkursen passiert, ist nach wie vor unklar“, sagt Alexander Hilger. Auch für die Lehrkräfte wird die Arbeit schwieriger, wenn Gelder und Kurse gekürzt werden: „Die Raumkapazitäten sind voll ausgelastet, aber bei 21 bis 23 Teilnehmern leidet die Qualität des Unterrichts“, sagt Sophie Wachter.
„ Wir haben bei den sogenannten Gastarbeitern gesehen, dass Parallelgesellschaften entstehen können und das muss verhindert werden.“
Die Interaktion mit anderen ist für das Erlernen einer Sprache besonders wichtig. Das weiß auch Alexander Hilger: „Es kommt uns so vor, als würde man erwarten, dass die Leute zu Hause allein mit einem Buch perfekt Deutsch lernen, aber das ist leider nicht so. Nur durch Kommunikation kann man eine Sprache wirklich lernen.“ In der Publikation des BMI werde im Zusammenhang mit dem erweiterten Spracherwerb zwar auch von berufsbezogenen Sprachkursen, vor allem aber von Selbstlernformaten gesprochen, was als wenig zielführend angesehen werden könne. Beide Lehrkräfte plädieren für einen klugen Einsatz der Mittel, um eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge zu gewährleisten. „Wir haben bei den sogenannten Gastarbeitern gesehen, dass Parallelgesellschaften entstehen können und das muss verhindert werden, das geht eben nur mit entsprechenden Integrationsmaßnahmen“, sagt Alexander Hilger.
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Auch mit Flüchtlingen müsse in Zukunft gerechnet werden. „Deutschland wird auch ohne Krieg ein attraktives Land für Zuwanderung bleiben, sei es für Fachkräfte oder Klimaflüchtlinge. Wir werden weiterhin Integrationsmaßnahmen brauchen, um auch einer wachsenden Abneigung entgegenzuwirken“, erklärt Sophie Wachter. „Für uns hängt davon auch unsere Existenz ab und es wäre wünschenswert, dass unser Engagement auch gewürdigt wird“. Im Rahmen einer Petition versuchen die Lehrkräfte der Integrationskurse, auf das Problem aufmerksam zu machen und sich für eine verbesserte Lösung auszusprechen.