Siegen. Deutschland braucht Arbeitskräfte aus dem Ausland und es kommen Menschen aus dem Ausland. Siegens Abgeordneter Kamieth: Zeit, das endlich zu regeln.
„Wir müssen die illegalen Grenzübertritte in den Griff bekommen“: Der Siegener Landtagsabgeordnete Jens Kamieth (CDU) fordert eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Land, um beim Thema Migration endlich die Kommunen zu entlasten, die nach seinen Worten unter den Folgen der Unterbringung ächzen. Und um das Thema überhaupt in geordnetere Bahnen zu lenken: Man sei in dieser Frage nicht Akteur und steuere, wer ins Land kommt, sondern nehme eine passive Rolle ein, „wir müssen mit denen zurecht kommen, die aufgenommen werden“. Ziel müsse es aber vielmehr sein, diese Menschen umgehend in Arbeit zu bringen und auch so die unruhige Gesellschaft zu befrieden. Die bestehenden Strukturen ermöglichen das kaum.
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Deutschland benötigt dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland und es kommen auch viele Menschen. Aber: „Vielfach nicht so qualifiziert, wie wir sie bräuchten“, sagt der CDU-Politiker. Und vor allem junge Männer. Asyl sei das Recht der Schwächsten - diese Männer ließen angesichts des gefahrvollen, anstrengenden Wegs oft ihre Familien im Herkunftsland zurück, die aber genauso viel Schutz benötigen; womöglich sogar mehr - gerade Frauen. Kamieth zeigt sich offen für den Gedanken, Asylverfahren nicht in Deutschland oder Europa, sondern beispielsweise bereits in Afrika durchzuführen. Denn damit werde es auch Frauen und Kindern erleichtert, um Schutz zu bitten, weil nicht Kontinente und Meere überquert werden müssen. „Zumindest eine offene Diskussion sollten wir führen“, findet er.
Siegener CDU-Landtagsabgeordneter: Mitte der Gesellschaft stärker in den Blick nehmen
Auch mit Blick auf das Erstarken sehr rechter Parteien nicht nur in Deutschland sei er überzeugt: Wenn spätestens die nächste Bundesregierung die Zuwanderung in Europa nicht in den Griff bekomme, „wird die übernächste Regierung eine, die wir alle nicht wollen“. Die politischen Ränder, so die Überzeugung des Siegeners, ließen sich nur aus der Mitte heraus bekämpfen - und die sei zu oft zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beharken. Zu stark habe die Politik die Mitte der Gesellschaft zuletzt aus den Augen verloren - „auch die Mitte will das Thema geregelt haben“. Alle demokratischen Parteien seien dabei gefordert, auf die Tonlage zu achten. In der schwarz-grünen NRW-Landesregierung etwa sei es klar, dass sich die Koalitionspartner den Themen mit unterschiedlichen Schwerpunkten nähern, unterschiedliche Akzente setzen. „Wir werden uns aber einig.“ Die CDU nehme in der Familienpolitik beispielsweise „klassische“ Familien in den Fokus, die Grünen auch queere - „aber wir kriegen das hin“.
„Warum muss erst die Sprache gelernt werden, bevor es um Lohnerwerb gehen kann - das geht auch anders!“
Der Mittelschicht sei zuletzt kaum eine klare Perspektive aufgezeigt worden, die Bundesregierung habe zudem falsche Schwerpunkte gesetzt, etwa beim Bürgergeld. Von den Ukrainern, die nach Deutschland geflüchtet sind, seien „nur ein Drittel in Lohn und Brot“. Die entsprechenden politischen Programme seien seiner Ansicht nach falsch ausgerichtet: Warum müsse erst die Sprache gelernt werden, bevor es um Lohnerwerb gehen kann - „das geht auch anders!“ Fachkräftemangel sei eben wie die Migration ein Riesenthema, „wir schaffen es aber nicht, diese Menschen in Arbeit zu bringen.“ Und das betreffe auch angelernte Tätigkeiten, für die es zunächst einmal keine besondere Qualifikation braucht.
Jens Kamieth, CDU-Abgeordneter für Siegen: Ständiger politischer Streit mindert Vertrauen
Aus seine Gesprächen in der Region wisse er: „Die Unternehmen nehmen Flüchtlinge, die kein Wort Deutsch sprechen. Sie müssen nur wollen - den Rest bekommen die Firmen hin.“ Für Jens Kamieth ist klar: Der Druck auf Geflüchtete und Asylbewerber, äußerst umgehend eine Arbeit aufzunehmen, muss erhöht werden. „Wer kommt, muss auch direkt ran“, dürfe sich nicht auf staatliche Leistungen verlassen. So gelinge Integration auch viel besser, grabe Rechtspopulisten ihr Lieblingsthema ab, mindere den Personalmangel zumindest - und sende der arbeitenden Bevölkerung das Signal, dass alle ihren Teil zur Gesellschaft beitragen müssen.
Schmerzliche Einschnitte
Die NRW-Haushaltszahlen seien „wirklich schlecht“, sagt Jens Kamieth; die Landesregierung müsse mit Mindereinnahmen von jährlich rund 1,5 Milliarden Euro umgehen - bei zusätzlichen Ausgaben von rund 4 Milliarden. Gleichwohl sei der Fokus klar aufs Sparen gerichtet - mit Ausnahme des Bildungswesens; er sei froh, dass gerade frühkindliche Bildung aus dem politischen Gezerre ausgeklammert sei. „Andere Bereiche dafür umso stärker“: So schmerzlich das auch sei, das Land müsse es ohne neue Schulden hinbekommen. Das Förderprogramm Investitionspakt Sportstätten 2020 beispielsweise sei sehr wirksam gewesen - „wir machen es nicht mehr, auch wenn es noch so gut lief.“
„Unsere Gesellschaft ist höchst belastet“, sagt der Politiker. Corona ist noch nicht lang her, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, Inflation - „die Mitte ist ein Stück weit abgesackt. Und es muss das Signal gesendet werden, dass man sich um die breite Mitte kümmert.“ Beispiel Wärmepumpe: Keine Frage - CO2 sparen ist enorm wichtig. Aber für Kamieth nicht mit Verordnungen in einer Situation, in der die Menschen sich ernste Sorgen um ihre Gesundheit und ihre Finanzen machen. In dieser Gemengelage sei das Agieren der Bundesregierung mindestens unglücklich: „Die Leute wollen Ruhe und Verlässlichkeit“, sagt Kamieth. Völlig klar: Um politische Lösungen wird gerungen. Auch mal länger und kontrovers - „aber wenn man damit rausgeht, muss es stehen“. Immer wieder aufschnüren und nacharbeiten - so verlören die Menschen das Vertrauen.
Siegen: Abgeordneter fordert pragmatische Lösungen - Politik kann nicht alles steuern
Kamieths Schwerpunkt ist die Familienpolitik; er sieht den Personalbedarf in Kitas und Schulen als ein besonders drängendes Themenfeld. Bei der Bildung müsse die Qualität im Fokus stehen, aber zumindest vorübergehend könne es Teil der Lösung sein, auch Berufsfremde zu beteiligen. Alltagshelfer in der Kita beispielsweise, die pädagogische Fachkräfte entlasten. Oder Verwaltungsangestellte die Polizei. „Höchst belastete Eltern, die ständig mit Ausfällen zu kämpfen haben, sind Realität - private Notbetreuung kann auch nicht im Sinne der Kinder sein.“ In solchen Situation müsse man den Amtsschimmel dann halt mal wiehern lassen. Fordern sei das eine - es müsse auch realitätsnah umsetzbar sein. Teile der Politik würden sich nicht trauen, pragmatische Lösungen umzusetzen, die auf dem Tisch liegen. Man wolle sich nicht angreifbar machen. Und komme nicht weiter.
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Ob sie will oder nicht: Es gibt Dinge, die die Politik nicht mehr akut steuern und beeinflussen könne, wie eben den Fachkräftemangel. Das müsse sich die Politik aber auch eingestehen. Manches dauert eben, was aber für Unzufriedenheit sorge - genauso wie Bürokratie. „Jede Regel für sich mag plausibel und erklärbar sein - aber das Leben ist sehr dynamisch.“ Man könne nicht jede Eventualität planen. In der Wirtschaft beispielsweise: Auch die brauche Verlässlichkeit, um planen zu können - aber keine Überregulierung. „Wenn es einen klaren Korridor gibt, kommen die Unternehmen klar.“ Selbst mit all den Problemen wie Energiekosten, Personalmangel, maroder Infrastruktur. Wobei auch hier dringend eine Wende herbeimüsse: Er habe seine Zweifel, dass viele der Unternehmen, die das wirtschaftliche Rückgrat der Region und des Landes seien, heute nochmal hier ansiedeln würden. „Das macht mir große Sorgen.“