Siegen. Immer weniger Geflüchtete kommen nach Siegen, Integration wird immer wichtiger. Nur eine Folge davon: Es braucht weniger Unterkünfte.
Die Schwerpunkte verschieben sich: Es geht auch noch ums Ankommen, Unterbringen, Zurechtfinden. Aber in immer stärkerem Maße geht es in der Arbeit mit Geflüchteten um Integration. „Mit den Menschen, die hier sind, das Beste rausholen, für alle Beteiligten“, fasst Caritas-Vorstand Matthias Vitt zusammen. Der Kreisverband ist nun zusammen mit dem DRK Siegen-Wittgenstein für die Beratung und Betreuung von Geflüchteten zuständig (wir berichteten). Erhebliche Anteile dieser Arbeit würden auch in den ehrenamtlichen Netzwerken des neuen Trägerverbunds geleistet.
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Die Zahl der neuen Zuweisungen nach Siegen sei im ersten Halbjahr mit 25 Personen sehr gering gewesen, sagt Sozialdezernent Andree Schmidt. Nach wie vor liege die Stadt mit 112,36 Prozent aber deutlich über der ihr zugewiesenen Erfüllungsquote. Bei den anerkannten Flüchtlingen mit Wohnsitzauflage beispielsweise – die aber irgendwann endet, das zeige sich auch am aktuellen „Höchststand bei den Einbürgerungen“ so Schmidt. Viele der seit 2015 nach Siegen geflüchteten Syrer bekommen demnach in diesen Tagen die deutsche Staatsbürgerschaft, entsprechend ist die Zahl dieser Menschen erheblich gesunken (von 1498 am 1. Januar auf 888 zum 1. Juli). Die Stadt bringt den Großteil der Menschen dezentral unter und benötigt weniger Gemeinschaftsunterkünfte, zieht sich auch aus der Pufferunterkunft im ehemaligen Kredenbacher Krankenhaus zurück.
DRK und Caritas Siegen-Wittgenstein mit großem Ehrenamts-Netzwerk
Das habe Folgen für die Art der Beratung und Betreuung der Menschen, begründet Schmidt den „Betreiberwechsel“ – 30 Jahre lang hatte der Verein für Soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS) diese Aufgabe im Auftrag der Stadt Siegen übernommen, zum 1. Januar hatten die Kooperation aus DRK und Caritas den Zuschlag bekommen. Das hatte für Irritationen und eine rechtliche Auseinandersetzung gesorgt, entschieden wurde letztlich im Sinne der Stadt Siegen, weshalb die Vergabe nun rechtskräftig wurde. Andree Schmidt: „Inhaltlich spiegeln sich diese genannten Aspekte wider: Bei einer dezentralen Unterbringung erwarten wir dezentrale, aufsuchende Tätigkeit.“ Daher habe die Stadt zwei Beratungsstandorte verlangt und ein Konzept, die Geflüchteten an ihren Wohnsitzen zu betreuen, „sie kommen eben nicht täglich im Büro vorbei“.
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Neben einer schnellen Kontaktaufnahme zu Neuankömmlingen spiele dabei auch das Ehrenamt eine wichtige Rolle, was in der Ausschreibung ebenfalls gefordert worden sei. Neben der Erledigung von Formalitäten könnten Hauptamtliche beispielsweise Spracherwerb oder Familienbegleitung im Alltag nicht stemmen. „Das Ehrenamt ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können“, bestätigt Matthias Vitt; die Caritas sei seit der Begleitung von Gastarbeitern in den 1960er Jahren mit dem Thema umfänglich vertraut, habe lange bestehende Freiwilligennetzwerke in verschiedensten Bereichen und auch damit maßgeblich Ukrainer in Siegen und auch im Heimatland in Existenzfragen unterstützt. „Wir haben beide ähnliche Strukturen“, bekräftigt DRK-Vorstand Dr. Martin Horchler, „sind beide aus dem Ehrenamt entstanden.“ Neben 800 Hauptberuflern in Rettungsdienst und Kita habe der Kreisverband jahrzehntelange ehrenamtliche Erfahrung und Netzwerke, auch mit Geflüchteten, könne auf übergreifende Landes- und Bundesstrukturen zurückgreifen. So war das DRK etwa in Kredenbach aktiv.
Geflüchtete in Siegen-Wittgenstein werden selbst zu Ehrenamtlichen und helfen anderen
Integration werde in der Zivilgesellschaft, im Alltag geleistet, betont Matthias Vitt – auch durch Arbeit. „Nicht durch das Hauptamt, sondern im Zwischenmenschlichen.“ Menschen helfen sei ein Kerngedanke der Caritas. Für gelungene Integration müsse man sich nicht rechtfertigen und sie sei auch ein Mittel gegen den Fachkräftemangel, dazu wolle man einen Beitrag leisten.
Konkret werde man am Ankommenstag da sein, mit „Willkommenspaket“ mit allen Ansprechpersonen, Telefonnummern, Informationen, beschreibt Iris Dittmann, Caritas, das „Tempo in der Kontaktaufnahme“. Neben den zwei Anlaufstellen in Siegen (Häutebachweg) und Geisweid (Marktstraße) gelte es dann in der aufsuchenden Arbeit den konkreten Beratungs- und Unterstützungsbedarf festzustellen, als ein Handlungsplan: Schwangerschaft, Bildung, Kita, Schulanmeldung beispielsweise und, bei Fluchterfahrung durchaus häufig, auch Therapien. Mit halbjährlichen Hausbesuchen, auch in den Gemeinschaftsunterkünften werde das aktualisiert. Das achtköpfige Team (fünf Vollzeitstellen) könne eine hohe Vielsprachigkeit gewährleisten, sei gut vernetzt in die Familienzentren, ehrenamtliche Strukturen und zahlreiche Beratungsstellen.
Mit dem Projekt „Angekommen“ habe das DRK viele Ukrainer für Ehrenamt und Alltagshilfe „aktivieren“ können, erzählt Svenja Hermann-Isakow – die Geflüchteten, die schon länger hier sind, können dolmetschen, kennen die erforderlichen Formalitäten und Wege besser, übernähmen eine Art „Patenschaft“ für Neuankömmlinge, begleiten auch mal zum Arzt. Für Kinder die eingeschult werden, habe es zum Beispiel Wohltätigkeits-Aktionen gegeben, damit für sie Schultüten und -ranzen angeschafft werden konnten. Dieses breite Portfolio könne man nur mit Festangestellten nicht leisten. „Das ist das, wofür wir brennen“, sagt sie: „Jeder, der herkommt, soll ein Zuhause finden und sich zuhause fühlen.“
>>>HINTERGRUND: Von 500 Plätzen in Siegener Gemeinschaftsunterkünften 126 frei
1577 Flüchtlinge und Asylsuchende hat Siegen aktuell aufgenommen, darunter 1430 aus der Ukraine. Dazu kommen die anerkannten Geflüchteten mit Wohnsitzauflage, die zum Teil von der Stadt mit Wohnraum versorgt werden müssen.
Fünf städtische Übergangseinrichtungen sind belegt sowie sieben weitere städtische und 42 angemietete Objekte. Von 500 Plätzen sind aktuell 126 frei.
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Die Menschen kommen auf Basis unterschiedlicher Rechtswege her: Zuweisungen nach FlüAG NRW sowie mit Wohnsitzauflage, Familiennachzüge und -zusammenführungen, Zuzug wegen Arbeit und Studium, selbst organisierte Einreise bei Flüchtlingen aus der Ukraine. Als „Sicherer Hafen“ nimmt Siegen als explizit aufnahmefreundliche Kommune aus dem Mittelmeer gerettete Geflüchtete auf und Ortskräfte der Bundeswehr aus Afghanistan.