Hagen. Wenn ab dem Jahr 2025 die Neuberechnung gilt, werden für alle Hausbesitzer und Mieter die Belastungen verändert. Der Rat diskutiert die Hebesätze

Droht allen Haus- und Wohnungsbesitzern, aber auch sämtlichen Mietern ab dem Jahr 2025 ein derber Hieb mit der Grundsteuer-Keule? Eine aktuell bange Frage bei vielen Menschen, zumal sich zurzeit noch nicht eindeutig abzeichnet, welche für die Berechnung maßgeblichen Hebesätze die Stadt Hagen letztendlich anwendet. „Für uns liegt da noch zu viel im Nebel“, zeigt sich SPD-Fraktionschef Claus Rudel arg besorgt. Daher hat seine Fraktion für die August-Ratssitzung, (22.8., 16 Uhr) die Kämmerei aufgefordert darzustellen, wie die Verwaltung die Gesetzesänderung konkret umzusetzen gedenkt und welches Hebesatzmodell angewendet werden soll: „Wir befürchten, dass viele Menschen in Hagen bald der Steuer-Hammer trifft.“

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Rudel erinnert an dieser Stelle daran, dass im Rahmen der Haushaltsverabschiedung die Mehrheit des Rates es soeben noch abgewendet habe, dass der in Hagen ohnehin schon geltende Spitzen-Grundsteuerhebesatz (750 Prozentpunkte) auf Drängen von Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Kämmerer Christoph Gerbersmann erneut erhöht wird. „Hausbesitzer und Mieter wurden in jüngster Zeit mit den sprunghaft angestiegenen Energiekosten ohnehin schon stark belastet“, erinnert er daran, dass die ab dem kommenden Jahr anzuwendende Grundsteuerreform auf jeden Fall aufkommensneutral umgesetzt werden sollte. „Ich habe die Sorge, dass der vom Stadtrat eingeschlagene Weg der Mäßigung jetzt heftig konterkariert wird.“ Dabei entspricht es dem grundsätzlichen Geist der Reform, dass die Städte sich mit der Umstellung nicht heimlich auf Kosten der Bürger und Betriebe bereichern. Hagen generiert über die Grundsteuern immerhin 50 Millionen Euro für die Stadtkasse.

Gericht mahnt Reform an

Zum Hintergrund: Mit dem bislang angewendeten Grundsteuerrecht wurden Grundstücke auf Basis eines längst überholten Einheitswertes aus dem Jahr 1964 (!) taxiert. Da sich Grundstücke seither jedoch sehr unterschiedlich in ihrem Wert entwickelten, ergaben sich hier inzwischen gravierende Ungleichbehandlungen bei der Erhebung der Grundsteuer. Dies war ausschlaggebend für das Bundesverfassungsgericht, eine Reform des Grundsteuerrechts anzumahnen.

In NRW kommt somit künftig das neue Bundesmodell zur Anwendung. Basis für die neuen Hebesätze sind Messbeträge, die wiederum vom Finanzamt festgesetzt wurden. Diese errechneten sich aus den Steuererklärungen zur Grundsteuer, welche die Grundstückseigentümer zuletzt alle einreichen mussten. Doch beim genaueren Hinsehen wurde im Finanzministerium festgestellt, dass die Immobilienwerte für Wohnen und Gewerbe aufgrund der Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich auseinanderklaffen.

Konkret: Würde man künftig mit einem Einheitssatz operieren (in Hagen sind für die Grundsteuer B 1306 Prozentpunkte angesetzt), müssten Haus- und Wohnungsbesitzer sowie Mieter mit deutlich erhöhten Kosten rechnen, während Wirtschaftsbetriebe ordentlich sparen dürften, um gleichbleibende Gesamteinnahmen zu generieren. Deshalb hat Düsseldorf den Kommunen parallel die Tür für differenzierte Hebesätze geöffnet. Für Hagen könnte das für Wohnen einen Hebesatz von 1011 Prozentpunkten, für Gewerbe hingegen von 2158 Prozentpunkten bedeuten, was dann ebenfalls die Aufkommensneutralität wahren würde. Diese weite Spanne lässt bereits erahnen, wie gewaltig die Kluft ausfällt und welche Mehrbelastung den Bürgern drohen könnte.

Spitzenverbände skeptisch

In den NRW-Kommunen stieß bis zuletzt das Angebot der Landesregierung, mit angepassten Hebesätzen operieren zu dürfen, auf Ablehnung. Die drei Spitzenverbände – Städtetag, Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund – sehen vor allem rechtliche Risiken und fordern eine verlässlichere Lösung ein. Der Bund der Steuerzahler NRW sieht in den differenzierten Hebesätzen wiederum ein geeignetes Instrument, um Belastungsverschiebungen auszugleichen. Er fordert aber zugleich juristische Unterstützung für die Kommunen ein, um das Verfahren rechtssicher zu machen.

So berechnet sich die Grundsteuer

Die Grundsteuerbelastung für Immobilien wird in drei Schritten ermittelt:

1. Bewertung des Grundstückswerts: Im ersten Schritt werden die Grundstücke bewertet. Bislang waren hier die Herstellungskosten zum Bewertungsstichtag entscheidend. Im Bundesmodell wird jetzt ein Ertragswert ermittelt, der sich am möglichen Mieteinnahmenpotenzial einer Wohnimmobilie orientiert. Die Bewertung baut auf den Bodenrichtwerten und der statistisch ermittelten Nettokaltmiete auf.

2. Errechnung des Grundsteuermessbetrags: Wie bisher wird der ermittelte Grundstückswert mit einer Steuermesszahl multipliziert und daraus der Grundsteuermessbetrag errechnet. Die Formel lautet also: Grundsteuermessbetrag = Einheitswert x Grundsteuermesszahl. Die Grundsteuermesszahl wird im Zuge der Grundsteuerreform erheblich gesenkt. Sie sinkt auf etwa ein Zehntel des bisherigen Wertes. Für Grundstücke mit Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Miet- und Eigentumswohnungen liegt sie bei 0,031 Prozent, für Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke bei 0,034 Prozent.

3. Einberechnung des kommunalen Hebesatzes: Zum Schluss wird das Ergebnis (Grundsteuermessbetrag) mit dem Hebesatz multipliziert, der von der jeweiligen Gemeinde definiert wird. Das Produkt ist dann die Höhe der Grundsteuer, die ab dem 1. Januar 2025 zu zahlen ist. Die Formel lautet: Grundsteuermessbetrag × Hebesatz der Gemeinde = Grundsteuer.

Entsprechend hatte Hagens scheidender Finanzdezernent Gerbersmann im Rat zuletzt deutlich gemacht, dass er den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für kaum umsetzbar halte. Dabei handele es sich nicht etwa um eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, wie das Finanzministerium die Regelung den Städten schmackhaft machen wolle, sondern eher um ein vergiftetes Angebot voller Unwägbarkeiten, auf das Hagen nicht eingehen werde: „Ich bin nicht bereit, mit einer eigenen Lösung etwa 50 Millionen Euro an Steuern zu riskieren“, hält Gerbersmann das Gesetz auf kommunaler Ebene keinesfalls für rechtssicher umsetzbar: „Keine Gemeinde wird hier eine verfassungskonforme Regelung finden.“ Mit einem lokalen, differenzierten Hebesatzrecht würde sich eine weite Flanke für Widerspruchs- und Gerichtsverfahren auftun, so seine Sorge.

Mehrbelastungen möglich

Die aufkommensneutralen Hebesätze, die das Land berechnet hat, so die Haltung des NRW-Finanzministeriums, könnten den Entscheidern in den Rathäusern als Anhaltspunkte dienen, wenn sie die Grundsteuer insgesamt auf einem stabilen Niveau halten wollten. Das bedeute jedoch nicht, dass die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer ab 2025 für jeden Menschen und jedes Unternehmen gleich bleibe, wenn eine Kommune den ermittelten Hebesatz des Landes anwende: Aufkommensneutralität für die Kommune bedeute nicht Belastungsneutralität für die Bürger. Das Aufkommen der Grundsteuer im Ganzen bliebe für eine Kommune konstant, aber in jedem Einzelfall können die zur Aufkommensneutralität führenden Hebesätze dazu führen, dass jemand mehr, weniger oder in gleicher Höhe Grundsteuer zahlt, macht das NRW-Finanzministerium deutlich.

Letztlich bleibt es der Stadt Hagen freigestellt, den Hebesatz für die Grundsteuer B aufzusplitten. Die Kommunen bekommen dadurch mehr Entscheidungsspielraum und können entsprechend den lokalen Gegebenheiten dort, wo es nötig und gewünscht ist, die Sätze so anpassen, dass es nicht zu einer übermäßigen Belastung der Wohnimmobilien kommt und somit Familien, Mieter und Eigentümer gezielt entlastet werden. Wie sich Hagen am Ende konkret verhält, erscheint im Moment noch völlig offen. Vielleicht schafft hier der SPD-Vorstoß für mehr Klarheit.