Breckerfeld. Die Menschen an der L 699 in Breckerfeld leiden unter dem Krach der Motorräder. Teilweise rasen diese mit über 100 km/h durch die 30er-Zone.
Drei Kreuze stehen zwischen dem Abzweig Ennepetalsperre und dem Ort Holthausen an der Landstraße 699. Kreuze, die an Motorradfahrer erinnern, die allein auf diesem kurzen Abschnitt in den letzten Jahren ihr Leben verloren haben. Trotz der Tragik, trotz der tödlichen Unfälle in Breckerfeld: Ein Ende nimmt die Motorrad-Raserei nicht.
Lina, Ella, Carsten und Yvonne Schoppmann wohnen direkt an der Landstraße, die am Schwimmbad Platsch in Ennepetal beginnt und dann kurvenreich durch das beschauliche Tal der Ennepe, vorbei an der Talsperre, durch Altenbreckerfeld hinauf bis auf den höchsten Punkt des Ruhrgebiets, den Wengeberg führt. Ihr schmucke Häuschen steht an einem Abschnitt, an dem die Höchstgeschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt ist.
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Tempolimit wird ignoriert
„Doch daran hält sich hier fast niemand“, sagt Carsten Schoppmann und fügt mit Blick auf die Motorradfahrer aus dem Kreis, aber auch aus dem Bergischen oder dem Ruhrgebiet hinzu: „Die kommen aus dem Tal zum Teil mit mehr als 100 km/h hier durchgeschossen. Das ist der absolute Wahnsinn.“
„Es ist schlimmer geworden, es ist lauter geworden.“
Im Gegensatz zur Prioreier Straße, die lange Jahre gesperrt, dann für Motorräder wieder freigegeben wurde und auf der mittlerweile zumindest wieder ein begrenztes Fahrverbot gilt, gibt es an der L 699 keinerlei Beschränkungen. Was dazu führt, dass Carsten Schoppmann und seine Nachbarn in Holthausen an sonnenreichen Sommerwochenende ihre Gärten nicht mehr nutzen: „Dann ist es einfach nicht auszuhalten“, sagt er resignierend.
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Aufheulende Motoren
Ein Trend, der sich über Jahre hinweg verstärkt hat. „Es ist schlimmer geworden, es ist lauter geworden“, sagt Yvonne Schoppmann. „Man hört die Maschinen schon mit aufheulenden Motoren aus dem Tal heranrasen - teilweise eine Minute, bevor sie Holthausen erreichen. Wenn sie dann unser Haus passieren, ist die Geräuschkulisse der Wahnsinn. Unsere Kleine kommt immer wieder hereingerannt und hält sich die Ohren zu.“
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An den Kreis haben sich Nachbarn schon gewandt. Die Polizei gerufen, wenn es mal wieder besonders heftig war. Geändert hat sich nichts. „Einmal hat man mir erklärt, dass man keinen Streifenwagen schicken könne, weil man nicht genug Fahrzeuge habe“, sagt Schoppmann.
Zwei Motorradfahrer zuletzt gestürzt
Immer wieder kommt es auf dem Abschnitt zu Unfällen. Erst in den letzten Wochen waren zwei junge Motorradfahrer gestürzt, hatten sich aber glücklicherweise nur leicht verletzt. „Dazu gibt es mit Sicherheit noch eine hohe Dunkelziffer an Stürzen, von denen niemand etwas erfährt“, sagt Schoppmann.
In ihrem Bericht zur Unfallstatistik schreibt die Polizei mit Blick auf die Motorradunfälle im gesamten Kreis: „Dank gezielter Überwachungsmaßnahmen lässt sich im Jahr 2023 mit 16,9 Prozent ein deutlicher Rückgang der Fallzahlen in dieser Zielgruppe verbuchen. Gegenüber dem Jahr 2019 wurden damit insgesamt 18 Unfälle weniger verzeichnet, was als Erfolg gewertet werden kann.“
Für Breckerfeld allerdings hat das keine Gültigkeit: Die Zahl der Unfälle ist kontinuierlich gestiegen. Von zwei im Jahr 2019 auf 14 im Jahr 2023.
Unfallkommission nicht mit Strecke befasst
Der Ennepe-Ruhr-Kreis bzw. die Kreispolizei haben die Straße zumindest in den Fokus genommen: „Wir werten die Unfälle der letzten Wochen noch einmal aus“, sagt Christoph Neuhaus, Sprecher der Polizei im EN-Kreis. „Dabei gehen wir der Frage nach, ob es an der L 699 einen Unfallschwerpunkt gibt bzw. ob es sich um eine sogenannte Unfalllinie handelt.“
Die Ergebnisse wiederum werden an die Unfallkommission übermittelt. Teil dieser Kommission ist wiederum die Polizei. Hinzu kommen Verkehrs-Experten des EN-Kreises. Diese Kommission wiederum berät dann - ähnlich wie an der Prioreier Straße - über mögliche Maßnahmen - wie beispielsweise eine Sperrung, ein Tempolimit oder Schutzmaßnahmen für Motorradfahrer. Grundsätzlich gilt: Beschränkungen des fließenden Verkehrs dürften wiederum nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehe, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Leib und Leben erheblich übersteigt.
All das macht Carsten Schoppmann und seiner Familie nur wenig Hoffnung: „Eigentlich ist das hier ein richtig idyllischer Ort“, sagt er. Aber es gibt diese Tage, da ist es in diesem Idyll nicht mehr auszuhalten.