Garenfeld. Das neue Umspannwerk in Garenfeld geht ans Netz. Bürger und Betreiber saßen bei der Planung an einem Tisch: Ein Vorbild für andere Projekte?
Zugegeben, der Strom fließt noch nicht. Doch zumindest symbolisch hat Netzbetreiber Amprion den Hebel für den Betrieb des neuen Umspannwerks in Garenfeld bereits umgelegt, schick zelebriert mit Häppchen, kühlen Getränken und geladenen Gästen um Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Paul Höller, Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium.
Protest gegen Ursprungspläne
Dass die Eröffnungsfeier des neuen Umspannwerks in Garenfeld ohne wütende Bürger vor dem Zaun ablief, das hätte vor elf Jahren wohl niemand gedacht. Damals wurden die Pläne von Netzbetreiber Amprion für die neue Anlage öffentlich, die den Garenfeldern förmlich vor die Nase gesetzt werden sollte. Viel zu nah an den Wohngebieten, viel zu hohe Masten. Schnell formierte sich eine Bürgerinitiative. Dass die Garenfelder „Menschen unter Strom“ letztlich nicht den Weg vor Gericht antraten, lag an einem in seiner Form damals einmaligem Mediationsverfahren.
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Beide Seiten finden Lösung
Beide Parteien, Bürger und Amprion, setzten sich an einen Tisch und in 15 Sitzungen unter der Moderation zweier unabhängiger Juristen einigte man sich darauf, das neue Umspannwerk erheblich weiter weg von der Wohnbebauung anzusiedeln und hinter Schallschutzwand, Streuobstwiese und Bäumen quasi zu verstecken. Außerdem soll das bereits bestehende alte Umspannwerk neben der neuen Anlage verschwinden, um den Garenfeldern künftig zwei riesige, einige hundert Meter lange Baukörper in ihrer grünen Landschaft zu ersparen.
Beispielhafte Einigung
Heute, neun Jahre später, blicken die Beteiligten stolz auf ein gelungenes Mediationsverfahren zurück, das in seiner Form damals einzigartig beim Netzausbau im Bundesgebiet im Zuge der Energiewende war. Paul Höller, NRW-Wirtschaftsministerium, lobte das Verfahren, das einen Ausgleich zwischen den Interessen von Bürgern und Netzbetreiber gefunden hat. „Wir versuchen, dieses Beispiel auf andere Projekte im Land zu übertragen.“
Zweiter Bauabschnitt startet 2025
Mit der Eröffnung des Umspannwerks in Garenfeld kommt der erste Bauabschnitt der neuen 380-kv-Höchstspannungsleitung von Kruckel bis Dauersberg zum Ende. In den kommenden Monaten bereitet Amprion den zweiten Bauabschnitt der neuen Stromtrasse vor, der von Garenfeld über Hohenlimburg weiter bis zum Punkt Ochsenkopf in Iserlohn führt. Die Bauarbeiten am zweiten Bauabschnitt sollen im ersten Halbjahr 2025 starten.
Auch Amprion blickt stolz auf das Erreichte: „Wir haben hier gemeinsam ein gutes Paket gefunden“, bilanziert Daniel Eichhoff, Leiter Stationen bei Amprion. Rund 60 Millionen Euro hat der Netzbetreiber in das neue Umspannwerk in Garenfeld investiert, das eine wichtige Schaltstelle für die neue 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung darstellt, die künftig von Dortmund-Kruckel über das Hagener Stadtgebiet bis ins rheinland-pfälzische Dauersberg führen soll. Die Arbeiten am ersten Trassenabschnitt, der Kruckel mit dem Umspannwerk in Garenfeld verbindet, sind fast abgeschlossen.
„In den allermeisten Fällen ist es gut, miteinander zu reden. In dem Moment, wo man anfängt zu reden, wächst man zu einem Team und entwickelt gemeinsam Lösungsideen.“
Sinnvolles Mittel
In Garenfeld wird die Stromautobahn mit fünf Transformatoren niedergespannt auf 110 Kilovolt. Enervie und RWE Westnetz werden von hier aus künftig versorgt. „Ich freue mich, dass wir hier in Garenfeld eine gute und umsetzbare Lösung gefunden haben“, dankte Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz allen Beteiligten, die an dem Interessenausgleich zwischen Garenfeldern und Netzbetreiber mitgewirkt haben.
Zu diesen Beteiligten gehört auch Ulrich Kleinert, einer der Mediatoren in der Causa Umspannwerk. „In den allermeisten Fällen ist es gut, miteinander zu reden“, sagt Kleinert. „In dem Moment, wo man anfängt zu reden, wächst man zu einem Team und entwickelt gemeinsam Lösungsideen.“ Noch zu selten werde dieses Mittel angewendet, um Konflikte zu lösen. Es sei im Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht so verankert. „Das Traurige ist, dass viele Menschen zuerst an Rechtsanwälte denken.“
Schwer zu wiederholen
Dass es ohne Anwälte geht, das haben die Garenfelder im Gespräch mit Amprion erreicht. Entsprechend schaut Markus Kecker heute gelassen auf das neue Umspannwerk vor seiner Haustür. Er saß vor neun Jahren für die Bürgerinitiative am Verhandlungstisch und entwickelte die Änderungen mit, die die neue Anlage prägen. „Ich blicke heute versöhnlich auf das Thema“, sagt Kecker. In der Gegenwart ließe sich dieses Mediationsverfahren aber kaum wiederholen, glaubt der Garenfelder. „Die politische Situation ist heute eine andere. Die grüne Energiewende wird vorangetrieben und Bürger sollen möglichst nicht beteiligt werden.“
Das alte Umspannwerk in Garenfeld soll künftig zugunsten eines neuen Standortes außerhalb Hagens weichen. Wann der Abbau beginnt, das steht aber noch nicht fest, so Andreas Lehmann, Sprecher Amprion. „Wir befinden uns hier noch in der Standortsuche.“