Hagen. Die Filme, die er besaß, zeigten schwersten Missbrauch. Er filmte heimlich auch die Stieftochter. Seine Strafe kann er nun kaum mildern.

In erster Instanz war ein langjähriger Hagener Unternehmer (50) bereits zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hatte 70 Bilder seiner damaligen Stieftochter angefertigt und über einen Messengerdienst verbreitet - das Mädchen war teilweise in privaten Rückzugsräumen in sexuellem Kontext und im Badezimmer zu sehen. Daneben waren auf seinem Handy 2086 kinderpornographische Dateien in Bild- und Videoformat, sowie über 700 jugendpornographische Dateien gefunden worden, die teilweise schwersten sexuellen Missbrauch von Kindern gezeigt haben sollen. Der Verurteilte ging in Berufung. Die war nun nur teilweise erfolgreich.  

Auf vielen Veranstaltungen dabei

In Hagen gab es kaum eine Veranstaltung, bei der der Unternehmer nicht anwesend war. Doch seit gut zwei Jahren ist er aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Im Jahr 2021 war er noch verheiratet. Die Tochter seiner damaligen Ehefrau lebte mit im gemeinsamen Haushalt. Wovon außer ihm niemand wusste, war seine versteckte Leidenschaft zu Kindern und jugendlichen Mädchen. In Erotik-Chats tauschte er sich mit einem Pädophilen aus und leitete an diesen das Material weiter, das er heimlich aufgenommen hatte: Mit versteckter Kamera war das Mädchen in der Badewanne, im Bett und auf der Toilette gefilmt worden.

Beim Verschicken der Kinderporno-Bilder war der Unternehmer ins Visier einer amerikanischen Vereinigung geraten, die solche Taten aufdeckt und ihre Erkenntnisse ans Bundeskriminalamt weiterleitet. Daraufhin fand am 10. November 2021 eine Hausdurchsuchung in Herdecke statt. Auf dem iPhone des Angeklagten wurden mehr als 2000 Bilddateien mit kinderpornografischen Inhalten gefunden. Darunter auch schwere sexuelle Missbräuche von Kleinkindern, sowie 745 jugendpornografische Fotos. Die Stieftochter ist auf 70 Bilder- und Videodateien und auf 229 Fotos nackt zu sehen. 

Therapie begonnen

Auch in der Berufungsverhandlung zeigte sich der Angeklagte umfassend geständig und räumte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vollumfänglich ein. Doch mit der Strafe haderte er. Sein Ziel in der Berufung: eine Bewährungsstrafe von bis zu zwei Jahren. Vor Gericht erklärte er, dass er zurzeit versuche, ein neues Leben zu beginnen. Seine damalige Firma habe er inzwischen aufgegeben und abgewickelt. Er habe sich in Therapie begeben, welche ihm insbesondere ein Empathieempfinden gegenüber Kindern und Jugendlichen ermöglicht habe. Zudem habe er dem Opfer eine Schadenswiedergutmachung in Höhe von 3000 Euro angeboten. 

Die Frage nach dem „Warum“

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hakte nach und wollte wissen, ob die Therapie das „Warum“ der begangenen Taten zu Tage fördern konnte. Der Angeklagte gab an, in seiner Jugend eine Außenseiterrolle aufgedrückt bekommen zu haben, sowie eine überbehütete Erziehung durch seine Mutter genossen zu haben, was erst zu verspäteten Kontakten mit Frauen geführt habe. 

Seine Neigung zu kinderpornographischem Material wollte er schließlich durch den Anblick von erotischen Magazinen in seiner späten Jugend ergründet wissen. Die Vertreterin der Anklage hakte hierauf deutlich nach: „Aber es macht doch einen Unterschied, ob man eine Zeitschrift betrachtet oder Videos mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern.“ Der Angeklagte erklärte, dass er einfach durch zu viele falsche Türen gegangen sei. Auch der Vertreter der Nebenklage brachte seine Überraschung zum Ausdruck: „Warum wechselt man von einer erotischen Zeitschrift im Folgenden zu Kinderpornographie?“ Der Angeklagte erklärte ausweichend, dass es der größte Fehler seines Lebens gewesen sei und er es rückgängig machen würde, wenn er könnte. 

Zeugin schildert Situation der Tochter

Schließlich wurde noch die Mutter des Opfers als Zeugin vernommen. Diese sollte insbesondere Angaben zur Situation der Tochter vor und nach der Tat machen. Die Zeugin erklärte emotional: „Vor dem Bekanntwerden der Taten war meine Tochter freundlich, offen, lebenslustig, kontaktfreudig und einfach mitten drin. Doch dies habe sich mittlerweile schwerwiegend geändert.“ Nachdem die Tochter erstmalig mit den Bilddateien konfrontiert wurde, habe sie ein fertiges, verstörtes Kind vorgefunden, das die Welt nicht mehr verstanden habe. Die Tochter habe sich mittlerweile komplett zurückgezogen und erleide regelmäßig Panikattacken, insbesondere im Umfeld von größeren Menschenansammlungen. Sie habe Albträume von den Bildern und in der heutigen Gesellschaft mit stets vorhandenen Kameras schlichtweg Panik. Sie habe schon wiederholt einen Therapeuten aufsuchen müssen und würde kaum noch vor die Türe gehen. Die Zeugin betonte: „Meine Tochter konnte sich fast nicht mehr verabreden, wie es doch jeder normale Teenager in ihrem Alter regelmäßig tut.“ 

Gesetzesänderung § 184b StGB

Zum 28. Juni 2024 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, die nunmehr auch im Berufungsprozess gegen den 50-Jährigen Herdecker relevant werden sollte. Der Gesetzgeber kodifizierte im alten § 184b noch eine Strafandrohung von nicht unter einem Jahr bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe, sodass er den Tatbestand als Verbrechenstatbestand qualifizierte. Dies hatte jedoch erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen: So drohte dieser Strafrahmen schließlich jedermann, der entsprechendes explizites Material versendete. Im Alltag geschah dies jedoch auch häufig durch Lehrer oder Eltern an die Polizei, die damit lediglich auf das Vorhandensein solch expliziten Materials etwa in Gruppenchats der Schützlinge aufmerksam machen wollten. Der Gesetzgeber reagierte schließlich und stufte den Paragrafen wieder zu einem Vergehen mit mindestens sechsmonatiger Freiheitsstrafe herab. Die Vergehenseinstufung verfolgte vor allem den Zweck, Verfahrenseinstellungen durch die Staatsanwaltschaft in oben genannten Fällen zu ermöglichen, die bei einem Verbrechenstatbestand nicht denkbar wären. So wurde der etwas geringere Mindeststrafrahmen jedoch auch vorliegend der Strafrahmenbildung zugrundegelegt.

Mehrjährige Freiheitsstrafe

Der Angeklagte wurde schließlich in zweiter Instanz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen Besitzes, Herstellens und Verbreitens von kinder- und jugendpornographischen Inhalten, strafbar gemäß den Paragraphen 184b, 184c Strafgesetzbuch, verurteilt. Zu seinen Gunsten habe zwar sein Geständnis, seine kooperative Mitarbeit, die Reue und Scham, die therapeutische Betreuung, sowie die Tatsache, dass er bisher nicht in Erscheinung getreten ist, gesprochen. 

Zu seinen Lasten habe jedoch insbesondere die hohe Anzahl der Bilder gesprochen, wobei die Vorsitzende Richterin Kubis betonte: „Da sind teilweise extrem schlimme Inhalte abgebildet. Das ist krasseste Kinderpornographie von kleinen Kindern mit erwachsenen Männern.“ Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hob hervor: „Sie haben zu verantworten, dass das Leben wie es vorher war, für das junge Mädchen zerstört ist.“ Weiterhin sei er in einen besonders intimen Rückzugsraum seiner Stieftochter eingedrungen und habe ihr gutes Vertrauen in einem geschützten Umfeld ausgenutzt. Abschließend betonte die Vorsitzende Richterin Kubis zu seinen Lasten: „Ihr Tatverhalten hat gravierende Folgen für das Opfer gehabt, welches bis heute wahnsinnig darunter leidet.“