Hagen. Unbekannte haben im großen Stil Deutschland-Tickets ergaunert und verkauft. In 1000 Fällen ist auch die Straßenbahn AG in Hagen betroffen.
Allein diese Zahl lässt einen völlig fassungslos zurück: Rund 1000 Fälle gibt es bei der Straßenbahn AG in Hagen. Wenn man weiß, dass die Betrüger bundesweit aktiv gewesen sind und mehrere weitere Nahverkehrsunternehmen betroffen sind, ahnt man die Dimensionen dieses Verbrechens. Ihre Masche: Mit geklauten Kontodaten, wie sie im Darknet gehandelt werden, haben dreiste Betrüger Deutschland-Tickets bestellt und dann gewinnbringend weiterverkauft. Das ARD-Magazin „Marktcheck“ hatte zuerst berichtet.
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Die Täter waren bereits im Frühjahr aktiv. „Die Fälle, die uns betreffen, stammen aus März und April“, erklärt Alicia Pieper, Sprecherin der Hagener Straßenbahn AG. Ein direkter Schaden ist dem Verkehrsunternehmen, das für den öffentlichen Personennahverkehr in Hagen zuständig ist, zunächst aber nicht entstanden.
Immer neue Abbuchungen
Dafür aber zahlreichen Bankkunden aus dem gesamten Bundesgebiet. Darunter auch ein Kunde, der anonym in dem TV-Beitrag zu Wort kommt. Allein die Hagener Straßenbahn habe 30-mal bei ihm abgebucht. Hinzu kämen weitere Verkehrsunternehmen. Als er Buchungen storniert habe, so berichtete er, seien ihm Abmahnungen ins Haus geflattert.
„Als die Seite noch online war, habe ich selbst einen Blick darauf geworfen. Sie wirkte auf den ersten Blick absolut seriös.“
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Der Hintergrund des Betrugs: Bankdaten von arglosen Kunden werden im Darknet gehandelt. In den fraglichen Fällen reichte allein eine existierende IBAN nebst Namen, um die Tickets im großen Stil quasi auf Bestellung zu kaufen. Denn über die Verkehrsunternehmen - also auch über die Hagener Straßenbahn - war es möglich, die personifizierten Karten für einen Dritten zu erstehen.
Daten aus dem Darknet
„Die wurden dann im Internet über eine eigens geschaffene Plattform zu günstigeren Konditionen weiterverkauft“, so Alicia Pieper weiter. Also quasi das 49-Euro-Ticket für unter 49 Euro - nämlich für 30 Euro. Ein Schnapper. „Als die Seite noch online war, habe ich selbst einen Blick darauf geworfen. Sie wirkte auf den ersten Blick absolut seriös.“
Bei der Hagener Straßenbahn waren die vermehrten Buchungen zunächst nicht aufgefallen. „Das war ein schleichender Prozess“, sagt Alicia Pieper, „als wir dann misstrauisch geworden sind, sind die weiteren Betrugsfälle bei anderen Unternehmen quasi parallel auffällig geworden.“ Ein Sprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe räumt gegenüber der ARD rund 10.000 Fälle ein.
„Uns liegen keine Anzeigen vor. Geschädigt sind ja zunächst die Kunden. Und in diesem Fall ist die Behörde an deren Wohnort zunächst zuständig.“
Die betroffenen Kunden können immerhin in solchen und ähnlichen Betrugsfällen die Buchungen rückabwickeln lassen. „Bei einem Lastschriftverfahren wird ja ein Mandat durch den Kunden erteilt, damit Abbuchungen vorgenommen werden können. In dem beschriebenen Fall besteht diese Vereinbarung nicht“, so Thorsten Irmer, der erklärt, dass von der aktuellen Masche kein Sparkassen-Kunde betroffen sei. „Kunden haben grundsätzlich bis zu sechs Wochen nach der Zahlung die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen - im Einzelfall auch länger. Wir fragen in solchen Fällen auch nicht nach den Gründen.“
Ähnlich ist es auch bei der Märkischen Bank. „Wir raten von der Weitergabe der eigenen Bankdaten an Dritte in unverschlüsselten E-Mails oder Kurznachrichten ab“, betont Sprecherin Silke Weidenheimer. „Vorsichtiger Umgang mit den eigenen Daten ist selbstverständlich auch im Internet geboten.“ Häufig würden Dienstleister gezielt angegriffen, um an Daten zu gelangen. Um möglichst schnell reagieren zu können, empfiehlt die Märkische Bank (zusätzlich zur Kontrolle der Kontoauszüge), im Online-Banking den kostenfreien Benachrichtigungsservice zu aktivieren. Dieser Service informiere kostenlos per E-Mail oder Push-Nachricht über Kontoumsätze. Entdeckt man eine unrechtmäßige Abbuchung, könne man einer nicht autorisierten Lastschrift innerhalb von 13 Monaten nach Belastung widersprechen.
Keine Anzeigen bei Polizei
Die Polizei Hagen ist mit dem Fall nicht befasst. „Uns liegen keine Anzeigen vor“, sagt Polizeisprecher Tino Schäfer, „geschädigt sind ja zunächst die Kunden. Und in diesem Fall ist die Behörde an deren Wohnort zunächst zuständig.“
Immerhin hat man bei der Hagener Straßenbahn reagiert und eine Lücke im System geschlossen: „Die Funktion, mit der eine Buchung für eine dritte Person möglich ist, haben wir abgestellt“, erklärt Alicia Pieper.