Hagen. Gäste, die im All-you-can-eat-Restaurant „Xiao“ in Hagen zu viele Speisen zurückgehen lassen, müssen zahlen. Und in anderen Restaurants?
Ein wichtiges Thema - es geht um „Food waste“, also um Lebensmittelverschwendung, um völlig unnützes Wegwerfen wertvoller Nahrung. Und darum, dass man den Begriff seit einiger Zeit immer häufiger hört, besonders in der Gastronomie.
„Xiao“ macht Schluss mit Food-Waste
Ein Besuch bei „Xiao“, dem stylischen Asia-Restaurant, das vor knapp vier Monaten im früheren „Vapiano“-Komplex am Märkischen Ring/Ecke Elbersufer in der Hagener Innenstadt eröffnet hat. Direkt im Eingangsbereich springt dem Gast ein Aufsteller entgegen, der ihn - zumindest, wenn er das Restaurant zum ersten Mal aufsucht - vermutlich stutzen lässt: „Wir machen Schluss mit Food-Waste!“, ist auf dem Zettel hinter Glas zu lesen.
Im folgenden Text wird dann erklärt, worum es konkret geht: „Wir brauchen deine Unterstützung. Bitte hole dir lieber viele kleine Portionen vom Buffet als überladene Teller. Es kann immer passieren, dass wir mal nicht deinen Geschmack treffen. Daher sind bis zu 100 Gramm Speisereste pro Person im Buffetpreis inkludiert. Jede weitere 100 Gramm berechnen wir mit zwei Euro.“
100 Gramm Sojasprossen sind ein ganzer Berg
Wer den Teller nicht leer isst, muss also Strafe zahlen? Philipp Mertens schüttelt lächelnd den Kopf, „nicht ganz“. Der Betriebsleiter des „Xiao“ in Hagen erläutert: „Es ist schon eine recht große Menge, die ein Gast ,ungestraft‘ auf seinem Teller oder in seinem Schälchen abräumen lassen kann. 100 Gramm Sojasprossen zum Beispiel sind ein ganzer Berg. Fleisch ist schwerer, da ist die Portion, die zurückgehen darf, natürlich kleiner.“
Philipp Mertens Blick schweift zum Buffet: „Wir möchten nicht falsch verstanden werden. Uns geht es primär nicht darum, Geld zu sparen. Wir sind ein ,All you can eat‘-Restaurant‘, aber kein ,All you can put on the table‘-Betrieb“.
„Wir möchten nicht falsch verstanden werden. Uns geht es primär nicht darum, Geld zu sparen. Wir sind ein ,All you can eat‘-Restaurant, aber kein ,All you can put on the table‘-Betrieb. “
Die junge Gastrokette „Xiao“ (die Zentrale sitzt in Gelsenkirchen) hat flächendeckend - also in ihren derzeit neun Restaurants - am 1. Juni die „Wir machen Schluss mit Food-Waste!“-Aktion eingeführt. „Zu recht“, sagt Betriebsleiter Mertens mit fester Stimme, „wir haben keine Zeit mehr, Lebensmittel zu verschwenden“.
Die Hälfte bleibt drauf
Der leidige Knackpunkt beim Buffet: Einige Gäste stapeln ihre ausgesuchten Speisen regelrecht auf dem Teller, als ob sie kurz vor dem Verhungern stünden. Und dann bleibt die Hälfte drauf, die Bedienung räumt den Teller ab, der Gast schlendert erneut zum Buffet, und das traurige Spiel beginnt von vorn. Wohl getreu dem Motto: „Ich hab‘s doch bezahlt.“
Speisereste sind um ein Drittel gesunken
Die Resonanz auf die Aktion, über die auch auf der „Xiao“-Homepage, in der Restaurantkarte sowie durch einen roten Erklär-Button, der auf jedem Tisch klebt, informiert wird? „Erfreulich positiv. Etwa 80 Prozent unserer Gäste loben uns für unser Bemühen, Lebensmittel zu retten“, resümiert Philipp Mertens. Wer einmal Reste-mäßig über die Stränge schlage, bekomme von ihm oder seinen Kolleginnen und Kollegen die gelbe Karte gezeigt, „wenn jemand aber partout unbelehrbar ist, zücken wir die rote Karte, sprich, schlagen auf die Abschlussrechnung tatsächlich pro ,Verschwendungsteller‘ zwei Euro drauf“.
In den letzten Wochen mussten einige Kunden besagte „Straf-Gebühr“ zahlen, „aber die Zahl hält sich in Grenzen“. Seit der Einführung der Aktion sei der Anteil der Lebensmittelabfälle in seinem Restaurant um ein Drittel gesunken.
„Das Thema Strafgebühr für nicht leer gegessene Teller greift in den letzten Monaten tatsächlich um sich“, bestätigt Lars Martin auf Nachfrage der Stadtredaktion. Einige Gastronomen würden darüber klagen, dass unfassbare Mengen an Lebensmitteln zurückgehen würden, so der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Südwestfalen.
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Es sei für einige Gäste wohl unbequem, mehrmals zum Buffet zu gehen und sich mit kleinen Portionen zu versorgen, „deshalb muss es leider übers Geld gehen“.
Verständnis für Gastronomen
Lars Martin zeigt Verständnis für jene Gastronomen, die besagte Strafgebühr erheben, „schließlich hat die Ware, die eingekauft wird, ihren Preis. Die unversehrte Ware wandert dann einfach in den Abfall, und die Müllentsorgung kostet die Gastro-Betriebe zusätzliches Geld“. Lars Martin sinniert kurz: „Einige Gäste muss man einfach erziehen, und die Strafgebühren ist ein probates Mittel.“
„Einige Gäste muss man einfach erziehen, und die Strafgebühren ist ein probates Mittel. “
Es gäbe Gastrobetriebe wie das Asia-Restaurant „Lahuhu“ in Dortmund, die die „Anti-Food-Waste-Aktion“ bereits vor einem Jahr eingeführt hätten, und immer mehr All-you-can-eat-Betriebe von Hamburg bis München zögen nach, resümiert Gastroexperte Lars Martin.
Gastronom hat freie Hand
Eine Strafgebühr für Essensreste zu erheben, ist rechtens, da es dem Gastronom im Rahmen seiner Vertragsfreiheit gestattet ist, sein Angebot an den Gast entsprechend zu gestalten. Etwas anderes ist es, wenn der Gast nicht aufisst, weil das Essen mangelhaft ist.
Und wie gehen Restaurants bzw. Cafés, in denen ein üppiges All-you-can-eat-Frühstücksbuffet angeboten wird, mit dem Problem „Wegwerf-Gesellschaft“ um? „Die meisten unserer Gäste sind bescheiden und laden sich die Teller nicht überbordend voll“, sagt Sadina, seit etlichen Jahren Mitarbeiterin im Café „Extrablatt“ am Friedrich-Ebert-Platz in Hagen.
Auch kleine Brötchen und kleine Gläser
Sie schätzt, dass von zehn Tischen ein Tisch negativ durch unnötig viele Lebensmittel-Rückläufe auffällt. „Wie wir gegen die Verschwendung von Lebensmitteln angehen? Unser Frühstücksbuffet ist nicht nur mit großen, sondern auch mit kleinen Brötchen bestückt. Und Saft gibt‘s in kleinen Gläsern. Unsere Gäste können gern mehrmals zum Buffet gehen, aber auf diesem Weg behalten sie einfach besser im Blick, was sie auch tatsächlich verzehren möchten.“
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Sadinas Kollege „von schräg gegenüber“ nimmt seine Gäste - die Besucher des Cafés „Bar Celona“ - ebenfalls in Schutz: „Ich arbeite seit zehn Jahren in der Gastronomie, seit sieben Jahren im „Bar Celona“ in der Hagener City, aber ich habe es kaum erlebt, dass Gäste rappelvolle Frühstücksteller einfach achtlos bei Seite schieben“, betont Betriebsleiter Alptug Olcum.
Zum Portionieren von Marmelade stünden am Buffet Dip-Schälchen bereit, und Tomate-Mozzarella oder Lachs würden in kleinen Gläsern angeboten. Die so präsentierten Lebensmittel sähen nicht nur ansprechend aus, sondern würden es dem Gast leicht machen, die Menge, die ihn anspreche, zu wählen. „Daher werfen wir kaum wertvolle Lebensmittel weg“, beteuert der Chef zufrieden.