Hagen. Was sagen die Chefs von L‘Osteria, Adria, Alte Reichsbank und Crocodile in Hagen zu den am 1. Januar steigenden Steuern? Wird Essengehen teurer?
Das klingt nicht gut: „Die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer wird vielen Wirten das Genick brechen“, prophezeit Lars Martin. Der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Südwestfalen spielt auf die Regelung, die am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, an. Sie besagt, dass Speisen, die im Restaurant oder Bistro verzehrt werden, wieder mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden. In der Corona-Zeit hatte die Bundesregierung die Steuer auf Speisen auf sieben Prozent reduziert, um die gebeutelte Gastrobranche zu entlasten.
Januar eh‘ ein schwieriger Monat für Gastronomen
„Die Regelung macht viel kaputt“, befürchtet Goran Misic. Der Betreiber des erst Mitte Oktober eröffneten Steakhauses „Adria“ in der Dahlenkampstraße in Hagen will nicht gleich Anfang Januar seine Preise erhöhen, „doch drumherum kommen werde ich nicht. Ich warte erstmal ab, wie sich die Lage entwickelt und spreche mit meinem Steuerberater“, so Goran Misic. Dass die Rückkehr zur regulären Mehrwertsteuer gerade im Januar eingeführt wird, findet der Gastronom völlig unpassend, „der Januar ist für die Branche eh‘ schon ein schwieriger Monat, und dann auch noch das“.
L‘Osteria rechnet mit systemweitem Verlust in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags
Und wie bewertet Anna Ploss, Sprecherin der Gastrokette „L‘Osteria“, die Anhebung? Der In-Italiener am Friedrich-Ebert-Platz wird ab dem kommenden Jahr von der „L‘Osteria Company“ geleitet; Betriebsleiter bleibt wie bisher Ahmet Köse. „Die Erhöhung der Mehrwertsteuer bedeutet für unser Unternehmen einen systemweiten Verlust in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags“, spricht Anna Ploss Tacheless, „zudem müssen wir mit einem Rückgang der Gäste rechnen“. Das System-Gastro-Unternehmen werde unnötige Kosten durch den verstärkten Einsatz digitaler Tools (Tablets) reduzieren, die Dienstleitungen für die Gäste sollten attraktiver werden und so letztendlich die Profitabilität sichern.
Mehrkosten werden über leichte Preiserhöhung abgefedert
Und - werden Pizza und Pasta teurer? Anna Ploss: „Wir planen keine Eins-zu-Eins-Weitergabe der Steuererhöhung an unsere Gäste, jedoch müssen auch wir einen Teil der Mehrkosten über eine leichte Preiserhöhung abfedern. Die Erhöhung greift bei uns flächendeckend ab Februar 2024.“ Die „L‘Osteria“-Sprecherin fügt an: „Wir gehen davon aus, dass es Menschen geben wird, die sich weniger oft einen Restaurantbesuch leisten.“
Plakataktionen haben nicht viel gebracht
Aber zurück zu Dehoga-Experte Lars Martin: „Es war immer von einer zeitlich begrenzten Steuerentlastung die Rede, aber nach Corona kam der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden Mehrkosten für Lebensmittel und Energie“, schüttelt Lars Martin verständnislos über die Entscheidung der Politik den Kopf. Sein Verband und zahlreiche Gastronomen bundesweit hatten sich bereits vor Monaten für eine Beibehaltung des niedrigeren Steuersatzes ausgesprochen, Wirte hatte demonstriert und Plakataktionen wie „Sieben Prozent in der Gastro müssen bleiben – Wir sind das Wohnzimmer der Gesellschaft“ ins Leben gerufen.
„Vor einigen Wochen sah es dann so aus, als hätten sich die Fraktionsvorsitzenden darauf geeinigt, auf die Anhebung zu verzichten, doch dann klaffte eine 60-Milliarden-Lücke im Haushalt auf, und die 19-Prozent-Regelung wurde abgesegnet“, so der Dehoga-Geschäftsführer Südwestfalens.
Auch Anbieter von Kita- und Schulessen sind betroffen
Die Begründung seitens der Politik zur Aufhebung der Sieben-Prozent-Reduzierung lautete von Anfang an, dass Wettbewerbsgerechtigkeit für alle Branchen gelten müsse, „aber bei To-go-Geschäften, also bei Essen zum Mitnehmen, liegt die Steuer jeher bei sieben Prozent. Das soll einer verstehen“, wettert Lars Martin. Nicht nur Gastronomen gingen durch die Steuererhöhung am Stock, sondern auch Anbieter von Kita- und Schulessen.
Bislang nicht jede Preiserhöhung auf die Gäste abgewälzt
Ortswechsel: Bei Magnus Peters in der Gaststätte „Crocodile“ in der Mittelstraße ist die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen auch bei etlichen Gästen ein hitzig diskutiertes Thema. Der Wirt geht davon aus, dass bei weitem nicht alle Gastronomen in der Corona-Zeit die Senkung auf sieben Prozent an die Kunden weitergegeben haben, „viele haben mit 19 Prozent weiter kalkuliert, andererseits aber auch nicht jede Preiserhöhung auf die Gäste abgewälzt“.
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Er, Peters, müsse in den kommenden Wochen seine Preise bei Speisen leider „nachkalkulieren“, „wobei ich noch das Glück habe, dass die meisten meiner Gäste zum Trinken ins ,Crocodile‘ kommen und dabei vielleicht eine Kleinigkeit essen. In ein Restaurant hingegen gehen die Leute zum Speisen. Getrunken wird dann eher nebenbei“.
Mindestlohn wird erhöht
Erschwerend kommt für die Gastronomen hinzu, dass ab 1. Januar 2024 der Mindestlohn für Mitarbeiter von derzeit 12 Euro auf dann 12,41 Euro pro Stunde erhöht wird.
In Hagen sind etwa 80 Betriebe – vom kleinen Imbiss bis zum Vier-Sterne-Hotel – dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) angeschlossen.
Auch Sam Lobbe, der Mitte Juli mit seiner Lebensgefährtin Yvonne Keding das gutbürgerliche Restaurant „Alte Reichsbank“ in der Haenelstraße in Haspe eröffnet hat, blickt mit Sorge auf das neue Jahr. „Unsere Produktionskosten werden steigen, daher müssen wir die Preise erhöhen, wir haben gar keine Wahl“, sagt der gelernte Koch.
Der Gast wird mehr bekommen
Nach Silvester bleibt die „Alte Reichsbank“ bis zum 9. Januar geschlossen, am 10. Januar gehen Sam Lobbe und sein Team dann mit neuen Preisen, aber auch mit neuen Gerichten an den Start. „Wir müssen uns neu erfinden und mehr bieten. Der Gast, der demnächst mehr bezahlen muss, wird von uns auch mehr bekommen.“ Was er damit meint? „Wir stellen für die Gäste kleine Events auf die Beine, zum Beispiel bayrische Frühschoppen, Live-Musik oder wir engagieren mal einen Tisch-Magier“.
Sorge um Gastrobetriebe mit preissensibler Kundschaft
Lars Martin lobt die Kreativität und den Kampfgeist etlicher Gastronomen, trotzdem gehe sein Verband davon aus, dass bundesweit demnächst 12.000 Gastrobetriebe schließen müssten. „Betriebe im höherpreisigen Segment werden es leichter haben, die Mehrwertsteuererhöhung an die Gäste weiterzugeben. Ob sie für ein Essen zu zweit 150 oder 170 Euro ausgeben, ist für Bessergestellte nicht so dramatisch. Aber Schwarz sehe ich für kleine Gastrobetriebe mit preissensibler Kundschaft.“