Schwelm. Der Schwelmer Stadtrat hat sich entschieden: Er möchte mit der neu zu berechnenden Grundsteuer eher die Privatleute als die Firmen belasten.
Das Thema Grundsteuer beschäftigt derzeit alle Kommunen im Land. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und die Festlegung des Finanzamts von neuen Grundsteuermessbeträgen stehen, sie werden zum 1. Januar 2025 gültig: Jetzt geht es darum, wie der Hebesatz für Wohn- und Nichtwohngrundstücke angesetzt wird. Und diese Entscheidung ist nun im Schwelmer Stadtrat mehrheitlich gefallen. CDU, SPD, BIZ und die Wählergemeinschaften stimmten, das Gewerbe nicht stärker zu belasten, dafür den überwiegenden Teil der Mieter und Hauseigentümer mehr zur Kasse zu bitten.
Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind für die Bürgerinnen und Bürger massiv: Etwa drei Viertel aller Grundstückseigentümer in Schwelm müssen ab dem kommenden Jahr mehr Grundsteuer zahlen, die anderen weniger. Heißt: Auch Dreiviertel der Schwelmer Mieter werden tiefer in die Tasche greifen müssen. Die Verwaltung machte im Rat deutlich, dass diese Entwicklung mit den Festsetzungen des Finanzamtes zu tun habe, und nicht von der Stadt verantwortet werde.
Mehr Einnahmen durch die Grundsteuer gebe es für die Stadt Schwelm ebenfalls nicht. Sie bleibt bei etwa sieben Millionen Euro. Das Problem ist aber: Weil sich aber der Grundsteuermessbetrag für alle Grundstücke verändert hat, muss die Stadt Schwelm ihre die Hebesätze erhöhen, um das Grundsteueraufkommen neutral zu halten. Bürgermeister Stephan Langhard erklärt dazu: „Der einzige Grund, warum man die Hebesätze anheben muss, ist, dass die Summe der Messbeträge niedriger ausfällt als vorher.“ Der Beschluss sei ein erster Schritt, um eine rechtssichere Lage zu schaffen. Doch da gibt es zumindest zwei Varianten.
Grundsteuer B steigt auf 995 Hebesatzpunkte
Die Grundsteuer B wird in Schwelm von 742 Punkten auf 995 erhöht. Die Grundsteuer A wird von 220 auf 390. SPD, CDU, Wählergemeinschaften und BIZ stimmten dafür, Grüne, FDP, Linke dagegen. Es wurde aber auch festgelegt, dass diese Berechnung noch einmal überprüft werden soll, da noch nicht für alle Grundstücke Berechnungen vorliegen würden. 400 fehlten noch, dadurch könne keine verbindliche Zusage für das aufkommensneutrale Steueraufkommen gegeben werden. Es gilt aber: Wohngrundstücke haben vom Finanzamt einen höheren Messbetrag als Nichtwohngrundstücke erhalten.
In Zahlen bedeutet das: Von 8502 Grundstückseigentümer in Schwelm müssen, nach aktuellem Stand, 260 mehr als 1000 Euro mehr zahlen. 3942 erhalten einen Bescheid, der zwischen 100 und 1000 Euro mehr angibt. Und 2013 Grundstückseigentümer zahlen von 0 bis 100 Euro mehr.
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Auf der anderen Seite müssen 2331 Eigentümer weniger bezahlen, 273 sogar mehr als 1000 Euro. 1061 zahlen bis zu 100 Euro weniger, 997 zwischen 100 und 1000 Euro weniger.
Hitzige Diskussion
Jürgen Feldmann von den Linken machte deutlich, dass seine Fraktion für den differenzierten Hebesatz stimmen würden, aber nicht für den jetzt von der Verwaltung vorgeschlagenen einheitlichen Hebesatz. Es sei auch längst nicht ersichtlich, wie sich der neue Hebesatz auf Mieter auswirke. Hier könnten große Ungerechtigkeiten aufkommen.
Zur Erklärung: Das Land hat den Kommunen freigestellt, wie sie den Hebesatz anpassen. Bei einem differenzierten Hebesatz kann eine Kommune zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstück unterscheiden. Der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke darf aber nicht niedriger sein als der Hebesatz für Wohngrundstücke. Der Nachteil: Kommunale Spitzenverbände sehen Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung und sorgen sich davor, dass diese Berechnung rechtlich angreifbar wäre. Der Vorteil: Die Inhaber von Wohngrundstücken werden entlastet und gewerblich genutzte Grundstücke werden teurer. So würden die eklatanten Unterschiede, die im Moment im Bereich Gewerbe und Wohnen vorliegen, ausgeglichen – private Grundstückseigentümer würden also entlastet, teilte die Kämmerin Marion Mollenkott noch im September mit. Jetzt die Rolle rückwärts der Verwaltung, die nun den einheitlichen Hebesatz vorgeschlagen hat, der für alle Eigentümer gelten wird.
Risiko verklagt zu werden
FDP-Fraktionschef Michael Schwunk machte im Rat deutlich, dass seine Fraktion nicht dem Beschlussvorschlag zustimmt. „Schwelm ist bereits an der Spitze von dem, was man den Bürgern abverlangt.“ Er macht deutlich: „Man muss sich wohnen leisten können“, man sehe die Stadt in der Pflicht, sich zu überlegen, wie die Ausgaben gesenkt werden können. Denn die nächste Erhöhung der Grundsteuer ist absehbar, weil diese im Haushaltssicherungskonzept beschossen wurde. Schwunk spricht von einer weiteren Steigerung der Grundsteuer von 30 Prozent, die 2026 ansteht. Dann würde man bei 1200 Punkten landen. „Das können die Menschen nicht tragen, damit machen Sie die Stadt auch unattraktiv.“ Die Ungerechtigkeit nun gewählten Variante machte er an einem Beispiel deutlich: Wenn in einem Haus im Erdgeschoss eine Wohnung ist und im baugleichen Nachbarhaus eine Bäckerei, müssten in dem Haus ohne Bäckerei, die Mieter doppelt so viel Grundsteuer bezahlen.
Marcel Gießwein, Fraktionsvorsitzender der Grünen, stimmte der FDP zu: „Wohnen darf nicht noch teurer werden.“ Schwelm solle den Hebesteuersatz so sozial, gerecht und ausgeglichen wie möglich gestalten, und das wäre nur mit dem differenzierten Steuersatz zu erreichen. Das Argument der Rechtssicherheit zählt für ihn nicht: „Egal bei welchem Modell, es wird geklagt werden.“ Großstädte wie Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, Duisburg und Menden würden die differenzierte Variante wählen. Eigentlich habe auch die Stadt Schwelm dieses Vorgehen favorisiert, „jetzt dann plötzlich der Sinneswandel im vorausgegangenen Finanzausschuss.“
Soziale Ungleicheit
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Müller war ähnlicher Meinung. Die sei CDU kein Fan dieser Grundsteuerreform sei, „es ist aber sinnig, jetzt eine rechtliche Grundlage zu schaffen“. Der Vorschlag sei richtig, eine Satzung beschließen. Und wenn dann alle Beträge und Messzahlen vorliegen, könne man im ersten Halbjahr über eine Satzungsänderung Ungleichheiten beseitigen.
SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Kirschner machte deutlich, dass auch die SPD die soziale Problematik sehe, und der ausgeprägte Wunsch vorhanden sei, die Belastung für das Wohnen so gering wie möglich zu halten. „Aber wir müssen erst einmal etwas auf die Schiene bringen.“ Und im weiteren Verfahren werde man abwägen, nachberaten und sehen, welcher Hebesatz für die Bürger am besten sei. „Wohnen soll in Schwelm bezahlbar sein.“
Am Ende war das Ergebnis deutlich: 14 Gegenstimmen, eine Enthaltung von Fathen Günter (BIZ) und 26 Ja-Stimmen.