Gevelsberg. Gevelsberger Ratssitzung mit großer Bedeutung: Die Politik entscheidet über die Grundsteuer B: Wird der Hebesatz einheitlich oder differenziert?

Diese Ratssitzung wird richtungsweisend für die Stadt Gevelsberg. Es wird an diesem Donnerstag, 30. Januar, nicht nur über die zukünftige Gestaltung der Fußgängerzone und den Stadtgarten entschieden, es steht auch der Beschluss zum Haushalt 2025 an. Der für viele wohl wichtigste Tagesordnungspunkt betrifft aber die Grundsteuer B. Die Politik wird entscheiden, welcher Hebesatz in Zukunft in Gevelsberg gelten wird. Ob er einheitlich bleibt, so wie bisher. Oder ob er in Zukunft differenziert berechnet wird.

Grund für die Neubemessung der Grundsteuer ist ein Urteil aus dem Jahr 2018 des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherige Bewertung der Grundstücke für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin musste jeder Grundstückseigentümer in Deutschland Angaben zu den jeweiligen Flächen an das Finanzamt senden. Auf dieser Grundlage hat die Finanzbehörde einen neuen Messbetrag für jede Immobilie errechnet.

Mehr als 10.000 Grundstücke in Gevelsberg

Aufgabe der Kommune ist es nun, einen neuen Hebesatz für die Grundsteuer B festzulegen. Das Ziel von Gevelsberg ist, Aufkommensneutralität zu gewährleisten. Das heißt: Die Kommune will für alle Grundstücke in der Summe nicht mehr Grundsteuer-B-Einnahmen haben, als bisher. Die jährliche Einnahme der Stadt Gevelsberg liegt bei rund 7,4 Mio. Euro.

Die Politik entscheidet nun am Donnerstag, welches Verfahren dafür angewandt werden soll. Es gibt zwei Varianten, die zur Auswahl stehen, beide haben unterschiedliche Auswirkungen auf den Grundsteuerbescheid. Fest steht: Für ziemlich jeden ändert sich die Summe, die zu zahlen ist. In der entsprechenden Vorlage heißt es dazu: „In der individuellen Betrachtung ergeben sich bei den einzelnen Grundstücken jedoch systembedingt teilweise deutliche Abweichungen zu den Zahllasten der Vorjahre.“

Verschiedene Hebesätze in Beschlussvorschlag

Beim einheitlichen Hebesatzes würde die Grundsteuer B in Gevelsberg von bisher 695 Hebesatzpunkte auf 893 angehoben. Für die Gevelsberger bedeutet dieses Verfahren: Etwa 67 Prozent der Eigentümer müssten mehr zahlen. Wer ein reines Wohngrundstück hat, wird sogar noch mehr belastet, die Stadt Gevelsberg rechnet mit etwa 70 Prozent der Gevelsberger. Bei Eigentümern eines Nichtwohngrundstückes steigt die Grundsteuer bei etwa 47 Prozent. Alle anderen würden in etwa gleich viel oder weniger zahlen. Fest steht: Auch für viele Mieter wird es teurer, weil die Grundsteuern über die Nebenkosten umgelegt wird.

In die Kategorie der Nichtwohngrundstücke fallen die gemischt genutzten Grundstücke. „Zu diesen Grundstücken gehören auch Wohnhäuser, die mit einem Anteil von mindestens 20 Prozent gewerblich genutzt werden, unter anderen Einzelhandel oder Gastronomie im Erdgeschoss mit darüberliegenden Wohnungen“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Bei einem differenzierten Hebesatz wird unterschieden, ob das Gebäude nur zu Wohnzwecken dient oder auch eine gemischte Nutzung hat. Eigentümer von Wohngrundstücke müssten in Gevelsberg bei diesem Verfahren 739 Hebesatzpunkte zahlen, für Nichtwohngrundstücke würden 1460 Hebepunkte zu Buche stehen. Auch für dieses Szenario hat die Stadt Gevelsberg eine Prognose errechnet: Die besagt, dass die Zahllast bei 49 Prozent der Wohneigentümer steigt, bei Nichtwohngrundstücken würden etwa 62 Prozent mehr zahlen. Dadurch würde Wohnen nicht so teuer wie beim einheitlichen Hebesatz, aufgefangen wird dies aber durch die steigende Abgaben bei Gewerbetreibenden.

In dieser Kalkulation sind insgesamt 10.014 Gebäude in Gevelsberg aktuell berücksichtigt, 1296 sind Nichtwohngrundstücke.

Ennepetal und Schwelm haben sich schon entschieden

Es gibt verschiedene Gutachten und Risikobetrachtungen. Wohnen würde durch einen differenzierten Hebesatz weniger belastet, wird aber verfassungsrechtlich kritischer betrachtet. Das Land NRW hat den Kommunen deshalb frei gestellt, welche Variante sie wählt. Sie muss aber auch das Risiko der Entscheidung tragen.

Laut Vorlage, die am Donnerstag auf den Tischen der Politiker liegt, heißt es: „Sollte eine Hebesatzsatzung einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, weil die differenzierenden Hebesätze als gleichheitswidrig beurteilt werden, kommt das Landesgutachten zu dem Schluss, dass dieser Rechtsverstoß dadurch zu beseitigen sei, dass der niedrigere Hebesatz der Wohngrundstücke für sämtliche Grundstücke Anwendung finden muss. Für die Stadt Gevelsberg ist dieses Maximalrisiko mit jährlich rund 1,3 Mio. Euro zu beziffern.“

Im Kern geht es im Rat also auch darum: Entweder das Risiko in Kauf nehmen, dass geklagt werden kann, dafür aber Eigentümer von Wohngebäuden nicht so stark belastet werden wie Eigentümer von Nichtwohngrundstücken. Oder die Rechtssicherheit und ein einheitlicher Hebesatz, der aber Wohneigentümer und Mieter mehr belastet und im Umkehrschluss Gewerbetreibende entlastet.

Ennepetal hat sich bereits für einen differenzierten Hebesatz entschieden. Schwelm fasste im November den Beschluss für einen einheitlichen Hebesatz. Mittlerweile ist vor wenigen Tagen dazu ein gemeinsamer Antrag von CDU und SPD eingegangen. Die Fraktionen wollen diese Entscheidung auf den Prüfstand stellen, mit Blick darauf, ob nicht doch ein differenzierter Hebesatz möglich ist. Der Antrag steht für den Rat am 13. Februar auf der Tagesordnung.

Die Gevelsberger Verwaltung hat sich für keinen Beschlussvorschlag ausgesprochen und legt die Entscheidung in die Hände der Gevelsberger Politikerinnen und Politiker.

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