Gevelsberg. Claus Jacobi spricht über die kommenden Herausforderungen in Gevelsberg in 2025 – und darüber, ob er nochmal als Bürgermeister antritt.
Wie seine Nachbarstädte hat auch Gevelsberg mit einer schwierigen Finanzlage zu kämpfen. Gleichzeitig befindet es sich im Umbruch. Die Innenstadt soll sich in den kommenden Jahren stark verändern, an den Schulen braucht es dringend mehr Platz, junge Familien suchen händeringend nach bezahlbarem Wohnraum. Im Interview erklärt Bürgermeister Claus Jacobi wie die Stadt diese Herausforderungen meistern will, worauf er sich trotz allem in 2025 freut und ob er bei der Kommunalwahl wieder für das Amt des Bürgermeisters kandidiert.
Herr Jacobi, was hat Sie in Gevelsberg im vergangenen Jahr positiv überrascht?
Wirklich beeindruckt hat mich die starke Resonanz auf unsere Bürgerdialoge in 2024 und hier vor allem die große Teilnahme junger Menschen an den Bürgerbeteiligungen, mit denen wir etwa Wünsche, Ideen und Anregungen zur Umgestaltung des Bereichs FuZo/Stadtgarten sowie zur künftigen Gestaltung und Nutzung des Rupprecht-Hauses erfragt haben. Besonders die digitalen Formate haben junge Menschen genutzt, davon übrigens mehr Frauen als Männer. Und auch an Grundschulen und beim Jugendforum habe ich Kinder und Jugendliche getroffen, die sich sehr intensiv und mit praxistauglichen Ideen für eine nachhaltige, moderne und weltoffene Stadtentwicklung einsetzen. Das zeigt: Trotz aller gegenwärtiger Problemlagen ist jungen Menschen ihre Stadt alles andere als egal. Das ist wirklich positiv.
Welche Probleme wollen Sie in der Stadt im neuen Jahr dringend angehen?
Angehen ist vielleicht das falsche Wort, weil alle wichtigen Baustellen bereits in Bearbeitung sind. Da nenne ich zuerst: Bezahlbaren Wohnraum schaffen und zwar schnell, darum stehen aktuell bei nahezu jeder Sitzung große und kleine Wohnbauprojekte auf der Agenda. Auch ganz oben auf der Agenda: Die Stadt muss ab 2026 den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an städtischen Grundschulen sicherstellen und parallel noch in 2025 die Umbaupläne für eine gänzlich neu aufgestellte, fünfzügige Realschule im Dialog mit der Schule abschließen. Und im Sommer 2025 soll unsere bereits im Bau befindliche Stadtwache an den Start gehen, um langfristig Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit zu garantieren. Und dies sind nur einige von vielen großen Themen…
Was war für Gevelsberg die größte Herausforderung in 2024?
Die größte Herausforderung für uns alle war es in 2024, nicht die Orientierung und die Zuversicht zu verlieren. Ein nicht enden wollender Krieg in Europa, eine hoch polarisierte politische Debatte – nicht nur in den USA –, das Scheitern einer Bundesregierung und die erschütternden Bilder des Attentats von Magdeburg zu Weihnachten. All das macht etwas mit unserer Gesellschaft, auch in Gevelsberg. Wir können aber Gott danken, dass wir in Gevelsberg 2024 vergleichsweise viel Positives erleben durften. Besonders im Advent ist mir dies beim Besuch vieler karitativer Organisationen wieder aufgefallen: Wir in Gevelsberg haben unseren Kompass noch, halten zusammen, packen an, grenzen keinen aus und lassen niemanden allein. Das gibt uns menschlich Halt und damit auch wieder Zuversicht.
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Worauf freuen Sie sich in 2025?
Ich freue mich auf ganz viele persönliche Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern, weil mir deren Rückmeldungen im Grunde der wichtigste Kompass für die Ausrichtung meiner täglichen Arbeit und die Beurteilung der großen Themen und Projekte unserer Stadt sind. Natürlich freue ich mich auch schon wieder auf unsere große Kirmes, aber auch auf das große Interkulturelle Fest im Stadtteil Nirgena/Haufe am 31. August. Und auf die vielen Veranstaltungen, die es zum Engelbert-Jubiläum geben wird und den beeindruckenden Veranstaltungsbogen, den uns unsere Einzelhändler und Pro City jedes Jahr bescheren. Aber, das gebe ich auch gern zu: Ich freue mich selbstverständlich auch auf jede Stunde, die ich neben all den Terminen mit meiner Familie verbringen kann.
Welche Themen werden für Gevelsberg im kommenden Jahr wichtig?
Gleich im Januar die Frage, wie wir die Grundsteuerreform umsetzen. Das Verfassungsgerichtsurteil zwingt uns dazu, vielen Einwohnern deutlich höhere Grundsteuern abzuverlangen und nur durch die sogenannte Differenzierung können wir Wohnimmobilien etwas entlasten, was aber mit Rechtsrisiken für die Stadt verbunden ist. Weitere, viel positivere Themen werden der Weg städtischer Gebäude zur Klimaneutralität, ein artenschutzgerechter Weg zur Öffnung des Silscheder Tunnels für Radfahrer, aber auch soziale Projekte wie der Start des Familienbüros sein. Zudem bleibt ein enger Draht zu den Unternehmen wichtig, weil ich mir um den Standort Deutschland offen gesagt Sorgen mache. Und auch eine geordnete Zuwanderung wird für Gevelsberg wichtig sein, damit Integration auch gelingen kann.
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Welche wichtigen Schritte stehen 2025 konkret bei der Entwicklung der Innenstadt an?
Der aus dem Architektenwettbewerb hervorgegangene Siegerentwurf für das Rupprecht-Gebäude soll bis zur Kommunalwahl zum konkreten Planungsauftrag werden. Dazu bedarf es noch der Feinabstimmung mit der Kommunalpolitik und den künftigen Nutzern des Gebäudes, allen voran der Musikschule und der Bücherei. Aber, der große Konsens bei der Auswahlentscheidung – sie war einstimmig – macht mich zuversichtlich, dass wir zum Sommer konkrete Vorstellungen für ein klimaneutrales, inklusives und transparentes Rupprecht-Haus im Herzen unserer Stadt präsentieren können, mit großer Strahlkraft für die City. Zwei weitere Schritte: Der Gastronomie-Pavillon am Vendômer Platz soll in diesem Sommer kommen und auch für die Umgestaltung von Fußgängerzone und Stadtgarten wollen wir bis Jahresende startklar sein.
Wie kann es gelingen, die wichtigen Projekte der Stadt trotz angespannter Haushaltslage zu bewältigen?
Das Wichtigste ist, dass man seine großen Vorhaben politisch auch dann nicht aufgibt, wenn ihre Umsetzung aufgrund finanzieller Engpässe etwas länger dauern muss. Denn dass wir in unsere Stadt und ihre Infrastruktur – Städtebau, Bildung, Klimaschutz etc. – immer weiter investieren müssen, um als Top-Standort attraktiv zu bleiben, daran besteht doch hoffentlich kein Zweifel. Also müssen wir alle Förderwege und -möglichkeiten auf bewährte Weise weiter nutzen und notfalls, wenn es gar nicht anders geht, Projekte priorisieren und mitunter etwas strecken. Aber auf jeden Fall sollten wir den Investitionsrahmen, den Gevelsberg haushaltsrechtlich abbilden kann, voll ausschöpfen, denn Investitionen in eine gute städtische Infrastruktur sind nach meiner Überzeugung aktuell wichtiger denn je.
Zur Person: Claus Jacobi
Claus Jacobi ist 53 Jahre alt und kam im Hasper Krankenhaus „am Mops“ zur Welt. Er besuchte in Gevelsberg den Kindergarten und durchlebte hier auch seine komplette schulische Laufbahn. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum wurde er Volljurist und arbeitete als Rechtsanwalt in einer Gevelsberger Kanzlei. Am 10. Oktober 2004 wurde zum Bürgermeister der Stadt Gevelsberg gewählt. Politisch für die SPD aktiv war er bereits Jahre zuvor, hatte ab 1999 auch das Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden inne.
Werden Sie auch bei der kommenden Wahl als Bürgermeisterkandidat für die SPD antreten?
Die offizielle Nominierung ihres Kandidaten wird die Gevelsberger SPD wie bei der letzten Kommunalwahl erst im Frühjahr durchführen. Aber ich kann heute schon sagen, dass ich mich auf die Partei, die mich die letzten vier Male aufgestellt hat, auf kommunaler Ebene immer verlassen konnte. Deshalb stehe ich der Gevelsberger SPD gern wieder als Bürgermeisterkandidat zur Verfügung und ich vernehme ja auch keine Stimmen in meiner Partei, dass man das anders sieht. Aber natürlich möchte ich auch betonen, dass ich meine Kandidatur zum Bürgermeisteramt immer als ein Angebot an alle Demokraten über Parteigrenzen hinweg verstehe. Ein Bürgermeister hat immer der Bürgermeister aller Bürgerinnen und Bürger zu sein.
Welche Ziele setzen Sie sich bei einer Kandidatur und einem Wahlsieg für die kommende Legislatur-Periode?
Ich möchte alle Zukunftsprojekte, die in Vorbereitung sind, möglichst in dieser Zeit abschließen. Das bedeutet, alle Grundschulen zu modernisieren beziehungsweise zu erweitern, mit ausreichenden, guten Betreuungsangeboten. Die Rundum-Sanierung der Realschule durchzuführen und den Radweg von der Schwelmer Stadtgrenze bis zur Ruhr aufs Gleis zu setzen, das ist mir wichtig, ebenso eine neue Dreifachsporthalle. Und auch das Rupprecht-Haus muss in dieser Zeit Gestalt annehmen. Bei alledem ist es mir aber auch wichtig, das gute Miteinander zwischen Bürgerschaft, demokratischen Parteien und Stadtverwaltung zu erhalten, um Gevelsberg sicher durch fünf sehr herausfordernde Jahre zu führen. Das Vertrauen in meine Arbeit zu rechtfertigen, wird mir auch für die nächsten fünf Jahre ein täglicher Ansporn meines Handelns sein.